Von Cécile Grobet und Linda Vinci
Dieser Frage sind wir vom WIG in Zusammenarbeit mit der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) im Auftrag des Bundesamts für Sport (BASPO) nachgegangen. Dazu haben wir von sieben ausgewählten Ländern (Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Niederlande, Norwegen und Österreich) die Sportfördermassnahmen identifiziert und jeweils drei besonders interessante Massnahmen pro Land genauer analysiert.
Es begann mit einem Postulat
Gemäss den Bewegungsempfehlungen der World Health Organization sollen sich Kinder und Jugendliche täglich mindestens eine Stunde mit mittlerer bis hoher Intensität bewegen. In einem Postulat beauftragte der Nationalrat Christan Lohr den Bundesrat aufzuzeigen, inwiefern die Sportförderung in der Schweiz diese Zielsetzung erreicht. Zudem wollte er wissen, ob andere Länder über wirksame sportliche Fördermassnahmen verfügen, welche auf die Schweiz übertragbar sind und ob es Bereiche und Zielgruppen gibt, die im aktuellen System der Sportförderung zu wenig gut erreicht werden. Basierend auf diesem Postulat beauftragte uns das BASPO, eine internationale Vergleichsstudie durchzuführen.
Wie sind wir vorgegangen?
Wir haben in den Sprachen Deutsch, Englisch, Finnisch, Holländisch und Norwegisch eine breite Internet- und Datenbankrecherche durchgeführt sowie Interviews mit Expertinnen und Experten aus den jeweiligen Ländern geführt. Basierend auf diesen Informationen haben wir als erstes das sportpolitische System der untersuchten Länder inklusive wichtiger Organisationen und Strukturen sowie der Finanzierung beschrieben. Danach folgten die Identifikation und Kurzbeschreibung von sportfördernden Strategien, Aktionsplänen und Programmen in jedem der sieben Länder. Basierend auf dieser Auflistung wählten wir zusammen mit dem BASPO die drei interessantesten Massnahmen pro Land aus und beschrieben sie in einem nächsten Schritt detailliert. Ein besonderes Augenmerk haben wir dabei auf Gruppen gelegt, welche sich heute in der Schweiz weniger bewegen als der Durchschnitt. Es sind dies Mädchen und junge Frauen und Kinder/Jugendliche mit niedrigem sozioökonomischem Status, mit Migrationshintergrund, solche in Lebensübergangsphasen oder mit Behinderungen. Zudem prüften wir die Übertragbarkeit dieser Massnahmen auf die Schweiz.
Welche Sportfördermassnahmen haben wir gefunden?
Insgesamt identifizierten wir 73 sportfördernde Strategien, Aktionspläne oder Programme in den sieben Ländern. Es zeigen sich dabei grosse Unterschiede zwischen den Ländern im Bereich der Sportförderung. Diese ergeben sich aus Unterschieden bei der Organisation und Finanzierung, aber auch beim Anspruch an die Evidenzbasierung von Massnahmen.
Übergeordnete Strategien und Aktionspläne
Als besonders interessante Massnahmen haben wir unter anderem die nationale Strategie von Finnland und den nationalen Aktionsplan von England untersucht. Diese bestechen durch ihre klare Zielsetzung und umfassenden Massnahmen, welche diejenigen der Strategie der Nichtübertragbaren Krankheiten in der Schweiz und des Aktionsplans Sportförderung des Bundes übersteigen. Deshalb sehen wir einen Zusatznutzen bei einer nationalen Strategie oder einem nationalen Aktionsplan zur Förderung der Bewegung und des Sports bei Kindern und Jugendlichen trotz gewissen Herausforderungen bei der Umsetzung in unserem föderalistischen System. Damit könnten die aktuellen Bestrebungen harmonisiert und Politikbereiche verknüpft werden.
Sportfördernde Programme
Neben den Strategien und Aktionsplänen habe wir verschiedene Programme identifiziert, für welche wir den Zusatznutzen als hoch und die Umsetzbarkeit in der Schweiz als gut einschätzen. Dies sind The Daily Mile, Girls Active, Doorstep Sportclub und Nachbarschaftssport-Coaches.
The Daily Mile haben wir in Deutschland identifiziert. Bei diesem Programm rennen oder gehen die Kinder von der Kindergarten- bis zur Primarschulstufe in selbst gewähltem Tempo jeden Tag 15 Minuten in ihrer Alltagskleidung zu einem vom Lehrpersonal gewählten Zeitpunkt während des Unterrichts.
Girls Active kommt aus England und richtet sich an alle Mädchen und jungen Frauen im Alter von 14 bis 17 Jahren im Schulsetting. Bei dieser Massnahme arbeiten die Lehrpersonen mit den Mädchen und jungen Frauen zusammen, um Änderungen im Sport- und Bewegungsangebot vorzunehmen und die sportliche Aktivität zu fördern.
Doorstep Sportclub gibt es in England und die Nachbarschaftssport-Coaches kennt man in den Niederlanden. Beide Massnahmen betreffen das Setting der Gemeinde und der Vereine. Zudem zielen beide Massnahmen insbesondere auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund oder niedrigem sozioökonomischem Status.
Was ist unser Fazit?
Abschliessend kann festgehalten werden, dass die Schweiz bereits einiges zur Sportförderung bei Kindern und Jugendlichen unternimmt. Trotzdem konnten in den untersuchten Ländern Massnahmen identifiziert werden, welche gemäss unseren Einschätzungen in der Schweiz einen Zusatznutzen bringen können und auch als umsetzbar erscheinen. Dies sind insbesondere Massnahmen, welche Zielgruppen ansprechen, die sich heute weniger bewegen als der Durchschnitt in der Schweiz oder übergeordnete nationale Strategien oder Aktionspläne mit einer klaren Zielsetzung und umfassenden Massnahmen
Den gesamten Bericht mit ausführlichen Beschreibungen der Programme und der Übertragbarkeit auf die Schweiz finden Sie hier.
Cécile Grobet ist stv. Leitung und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team HTA und Gesundheitsökonomische Evaluationen im WIG.
Linda Vinci ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team HTA und Gesundheitsökonomische Evaluationen im WIG.