(Wie) gelingt die Kostendämpfung?

Quelle: Adobe Stock

Von Dr. Andreas Kohler

Gemäss Kostenprognosen der Versicherer kommt ein düsterer Prämienherbst auf uns zu. Vor diesem Hintergrund stellte die tarifsuisse ag, Tochtergesellschaft des Krankenversichererverbands santésuisse, an ihrem Kundenevent am 8. September in Bern die Frage, ob und wie die Kostendämpfung obligatorischen Krankenversicherung (OKP) gelingt.

Zusammen mit Matthias Maurer und Christoph Thommen vom WIG habe ich an dem Anlass teilgenommen. An diesem Morgen wurden Antworten auf diese Frage gesucht.

Zuerst wurde die Ausgangslage analysiert indem versucht wurde, die Entwicklung der vergüteten Kosten in der OKP der Jahre 2012 bis 2021 nachzuvollziehen. Die Kosten sind das Produkt aus Menge der Leistungen und deren Preis. Beide Faktoren können das Kostenwachstum beeinflussen. Sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Versorgung sind die Preise, d.h. die Baserate, respektive, die Taxpunktwerte, im Durchschnitt konstant geblieben. In der akutsomatischen stationären Versorgung sind die Anzahl Fälle zwar nur geringfügig gestiegen, aber deren Komplexität (z.B. gemessen am durchschnittlichen Case Mix Index aller stationären Fälle) ist stark angestiegen. In der praxisambulanten und spitalambulanten Versorgung ist die Menge der erbrachten Leistungen, d.h. die Anzahl Taxpunkte, stark angestiegen. Im Fazit war somit das Wachstum der vergüteten Kosten der letzten zehn Jahre hauptsächlich durch die Menge getrieben. Die Versicherer erwarten, dass die Preise in den nächsten zehn Jahren aufgrund verschiedener Entwicklungen, wie z.B. höherer Inflation, tendenziell eher steigen werden. Ein Ende des Kostenwachstums ist also, ohne Massnahmen, nicht absehbar.

tarifsuisse ag ist eine Tochtergesellschaft des Krankenversichererverbands santésuisse. Sie bietet den Mitgliedern von santésuisse Dienstleistungen in den Geschäftsbereichen Tarifstrukturen, Leistungseinkauf und Leistungsmanagement an. tarifsuisse ag entwickelt und pflegt die ambulanten und stationären Tarifstrukturen, kauft ambulante und stationäre Leistungen ein und übernimmt die Wirtschaftlichkeitsprüfungen gemäss KVG.

Weiter wurden verschiedene Rezepte zur Kostendämpfung diskutiert.

Aus Sicht von tarifsuisse ag können die ambulanten Pauschalen einen wichtigen Beitrag zur Kostendämpfung leisten. Die tarifsuisse ag spielt eine führende Rolle bei deren Entwicklung. Es wurden die Mechanismen skizziert, wie ambulante Pauschalen kostendämpfend wirken sollen. Da die ambulanten Pauschalen auf realen Kosten- und Leistungsdaten basieren, sollen sie einerseits die Transparenz erhöhen und andererseits die Ambulantisierung fördern, indem sie heutige Fehlanreize in der Vergütung beheben. Höhere Transparenz soll der Mengenausweitung entgegenwirken und durch die Ambulantisierung sollen Behandlungen vermehrt in der kostengünstigeren ambulanten Versorgung durchgeführt werden. Weiter sollen ambulante Pauschalen den administrativen Aufwand und somit die Kosten der Leistungserbringung reduzieren.

Anschliessend wurden weitere konkrete Beispiele zur Kostendämpfung präsentiert. Aus der psychiatrischen Versorgung wurde das stationsersetzende Home Treatment als innovatives Versorgungsmodell mit Kostendämpfungspotential vorgestellt. Akut kranke Menschen werden dabei durch ein multiprofessionelles Team täglich in ihrem Zuhause behandelt. Aus den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft wurden die Instrumente Zielvereinbarung und Mengendialog zur Kostendämpfung diskutiert. Auf Grundlage eines Prognosemodells, das den Bedarf ermittelt, werden mit den Spitälern konkrete Ziele bezüglich Leistungsmenge vereinbart. Wird die vereinbarte Leistungsmenge überschritten, tritt der Kanton in einen Mengendialog mit den Spitälern.

Abgerundet wurde der Anlass durch eine Expertenrunde und Diskussion.

Insgesamt hat der Anlass einen Blick auf Kostendämpfungsmassnahmen aus verschiedenen Perspektiven geworfen. Eine konkrete Antwort auf die eingangs gestellte Frage wurde hingegen nicht gegeben. Es wurde aber betont, dass es partnerschaftliche Ansätze braucht. Es ist für die Schweiz sicher wichtig und richtig ist, dass Kostendämpfungsmassnahmen nicht zentralistisch verordnet werden, sondern in einem partnerschaftlichen Dialog erarbeitet werden. Allerdings kann man sich für den Dialog nicht unendlich Zeit nehmen, sonst beginnt die Solidarität in der Gesellschaft und somit das Fundament der sozialen Krankenversicherung unter dem Kostendruck zu bröckeln.

Andreas Kohler ist Dozent und Co-Leiter im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert