Die Gesundheitskosten wachsen weniger stark

Von Prof. Dr. Simon Wieser

Die Gesundheitskosten in der obligatorischen Krankenversicherung sind in den letzten vier Jahren moderater gewachsen als in früheren Jahren. Diese Entwicklung bestätigen die Zahlen des Monitoring der Krankenversicherungs-Kostenentwicklung des Bundesamts für Gesundheit (BAG), die zurzeit bis zum ersten Halbjahr 2022 vorliegen. Wie die Grafik oben zeigt, haben die Ausgaben pro Versicherten im ersten Halbjahr 2020 sogar leicht abgenommen und sind in den folgen drei Jahren jeweils nur um knapp 3% gestiegen.

Wenn wir die Entwicklung der Gesundheitskosten über das ganze Jahr in der untenstehenden Grafik ansehen, sieht das Bild ähnlich aus. Hier fehlen zwar Zahlen für 2022, da das laufende Jahr noch nicht abgeschlossen ist, aber das durchschnittliche Wachstum liegt auch hier unter 3%.

Woher kommt dieses moderate Kostenwachstum und was heisst das für unsere Krankenversicherungsprämien?

Die minimale Zunahme der Kosten pro Versicherten im Jahr 2020 lässt sich durch das Verbot nicht-zwingender Behandlungen in der ersten Welle der Pandemie und die Angst sich beim Arzt oder in der Physiotherapie mit Covid anzustecken begründen. Erstaunlich ist, dass die Kosten im Folgejahr 2021 mit 4.5% eher moderat gestiegen sind, da aufgrund von Nachholeffekten durchaus ein stärkeres Wachstum möglich gewesen wäre. Der Versicherungsverband santésuisse meldete kürzlich eine Zunahme um 6.4% für das Jahr 2021, was etwas erstaunlich ist, da diese Zahlen die gleiche Grundlage wie die des BAG haben.

Interessant ist auch ein Blick auf die Kostenentwicklung bei den einzelnen Arten von Gesundheitsleistungen. Um die aktuelle Entwicklung aufzuzeigen, vergleiche ich wieder jeweils das erste Halbjahr. Drei Entwicklungen in der untenstehenden Tabelle scheinen mir besonders interessant:

  1. Bei den Spitälern ist die Verlagerung von der stationären in die ambulante Versorgung klar sichtbar. So haben die stationären Kosten in den letzten drei Jahren abgenommen, während die spitalambulante Behandlung die Kostengruppe mit dem stärksten Wachstum ist. Die Krankenversicherer geben seit 2021 mehr für ambulante als für stationäre Spitalbehandlungen aus.
  2. Bei zwei ambulanten Leistungen, den PhysiotherapeutInnen und den Spitex-Organisationen, ist das Kostenwachstum besonders stark. Hier wäre es interessant zu verstehen, ob die Verlagerung von der stationären in die ambulante Versorgung auch bei diesem Kostenwachstum eine Rolle spielt.
  3. Bei den drei ärztlichen Leistungen (Behandlungen, Medikamente, Laboranalysen) sind die Wachstumsraten unterdurchschnittlich.

Und was heisst das für die Zunahme der Krankenversicherungsprämien im nächsten Jahr?

In den letzten drei Jahren sind die durchschnittlichen Prämien gemäss BAG mit unter 1% weniger stark gestiegen als die Kosten der Krankenversicherer. Deshalb sollten sie eigentlich steigen – und zwar mindestens so viel wie die durchschnittlichen Kosten der Behandlungen gestiegen sind. Aber gemäss BAG hatten die Krankenversicherer im Jahr 2021 noch doppelt so hohe Reserven, wie sie mindestens haben müssen. Wie in früheren Jahren könnte das BAG das Prämienwachstum deshalb mit einem Abbau der Reserven abschwächen. Wir sind gespannt!

Simon Wieser ist Institutsleiter und Dozent am Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie.


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