Vorbeugen ist besser als heilen – deshalb erhalten Gesundheitsförderung und Prävention zu Recht immer mehr Gewicht. Je früher negative Entwicklungen gestoppt werden, umso besser. Kinder und Jugendliche bieten sich entsprechend als primäre Zielgruppe für Massnahmen an. Doch wann «lohnt» sich eine Präventionsmassnahme?
Gesundheitsprävention lohnt sich, wenn sie auch wirtschaftlich rentiert, ist ein oft angeführtes Argument – doch was bedeutet dies? In der Regel ist damit gemeint, dass die Gesellschaft profitiert, weil die vermiedenen Krankheitskosten und Produktivitätsverluste die Ausgaben für eine Präventionsmassnahme übersteigen. Dies ist sicher wünschenswert, aber aus gesundheitsökonomischer Perspektive keinesfalls eine notwendige Bedingung für Prävention. Zudem ist die Analyse von Nutzen und Kosten einer Präventionsmassnahme herausfordernd.
Was soll zur Bestimmung des Nutzens einer Massnahme berücksichtigt werden?
Vermiedene medizinische Kosten sind hier noch am einfachsten zu quantifizieren. Bei Produktivitätsverlusten wird es schon schwieriger, denn wie viel wird ein aktuell 5-jähriges Kind in seinem zukünftigen Leben verdienen? Und was wären die krankheitsbedingten Ausfälle, die durch eine Massnahme verhindert werden? Solche Fragestellungen sind schwierig – aber mit einigen Annahmen lässt sich der potenzielle Nutzen einer Präventionsmassnahme meist grob abschätzen.
Sind vermiedene medizinische Kosten und Produktivitätsverluste alles, was wir uns von Gesundheitsförderung und Prävention versprechen? Natürlich nicht. Gesellschaftlicher Nutzen bemisst sich nicht nur am monetären Ertrag für die Gesellschaft, sondern vor allem auch am Zugewinn an Gesundheit und Lebensqualität der Einzelnen. Dies zu messen ist ebenfalls keine einfache Aufgabe, aber die Gesundheitswissenschaften verfügen über eine lange Tradition und einige ausgefeilte Konzepte, um dies quantifizieren zu können: QALYs oder DALYs, um Lebensqualität bzw. Krankheitslast adjustierte Lebensjahre.
Wirkt die Massnahme?
Schliesslich ist die tatsächliche Wirkung einer Gesundheitsförderungs- oder Präventionsmassnahme entscheidend. Wie stark und nachhaltig ist der Effekt? Was sind die finalen Outcomes, was die relevanten Zwischenziele? Welche Auswirkungen auf die spätere Produktivität hat beispielsweise ein Programm zur Förderung von körperlicher Aktivität bei Kindern? Um kausale Effekte zu identifizieren, sollten zudem idealerweise experimentelle Forschungsdesigns genutzt werden, was bei Präventionsprogrammen selten gemacht wird.
Eines der raren Schweizer Beispiele einer experimentellen Evaluation mit langfristigem Follow-up ist die z-Proso-Studie, bei der Eltern randomisiert an einem sogenannten «Positive-Parenting-Programm» teilnahmen. Langfristig zeigte sich allerdings keine Wirkung auf Aggression, Delinquenz und Suchtmittelkonsum der Kinder. Eine Meta-Analyse aus Holland zu vergleichbaren Frühförderprogrammen fand heraus, dass diese im Durchschnitt wenig bis nichts bewirkten. Das bedeutet nicht, dass Frühförderung kein Potential hat, einzelne Interventionen allein aber vermutlich nicht viel bewirken. Wie überall gilt auch hier: nicht alles funktioniert, und es braucht viel Arbeit, Forschung und Ressourcen, um die wirklich wirksamen Massnahmen zu identifizieren.
Was kostet Prävention?
Der Nutzen einer gesundheitsfördernden Massnahme setzt sich also aus vermiedenen medizinischen Kosten und Produktivitätsverlusten sowie gewonnener Gesundheit und Lebensqualität zusammen. Auf der anderen Seite der Kosten-Nutzen-Gleichung stehen die Ausgaben. Bei der Abgabe von Hütchen mit UV-Schutz ist das noch einfach festzustellen. Bei einer Kampagne zur Bewegungsförderung aber schon bedeutend komplexer: Berücksichtigen wir nur die Kampagnen-Kosten? Wie steht es mit Investitionen in Sportgeräte, Trainer, Infrastruktur? Und was sind die Kosten eines Rauchverbots im öffentlichen Raum zum Schutz vor Passivrauchen? Dass es auch hier Kosten gibt, zeigt sich am teilweisen starken Widerstand gegen solche Präventionsmassnahmen. Neben monetären Kosten treffen hier auch unterschiedliche Ideen zur Rolle von Staat, Familie und individueller Freiheit aufeinander. Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Akzeptanz von Präventionsmassnahmen.
Nicht nur die wirtschaftliche Rendite betrachten
Angesichts dieser Herausforderungen ist oft nicht eindeutig beantwortbar, ob eine bestimmte Präventionsmassnahme tatsächlich eine Rendite abwirft, d.h. die Einsparungen bei Krankheitskosten und Produktivitätsverlusten die Ausgaben übersteigen. Wir sollten dies aber auch nicht als primäres Kriterium zur Bewertung von Präventionsmassnahmen anwenden – denn Gesundheit hat für uns einen intrinsischen Wert. Das zeigt sich etwa daran, dass wir jährlich über 80 Milliarden Franken für das Gesundheitswesen ausgeben – ohne primär eine Rendite zu erwarten. Wie wir dieses Geld ausgeben, und wie viel davon in welche Massnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention im Kinder- und Jugendalter investiert werden soll, muss möglichst evidenzbasiert, in Relation zu anderen Gesundheitsausgaben und anhand von Kriterien wie Wirksamkeit und Kosten-Nutzen-Verhältnis beurteilt werden.
Fazit
Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen lohnt sich, wenn sie wirksam ist und wenn die eingesetzten Mittel in einem guten Verhältnis zum Nutzen, dem Vermeiden von Kosten und dem Gewinn an Gesundheit und Lebensqualität, stehen. Sie muss nicht zwingend Ertrag abwerfen, sondern im Vergleich zu anderen Gesundheitsausgaben ein vergleichbares oder besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. Dies zu klären ist herausfordernd – aber angesichts des Potentials gerade für diese Altersgruppe eine essenzielle Aufgabe für Forschung und Gesellschaft.
Marc Höglinger ist Leiter Versorgungsforscher am WIG. Dieser Blogbeitrag ist inspiriert von seiner Teilnahme an einer Veranstaltung zum «wirtschaftlichen Potential von Gesundheitsförderung und Prävention im Kindes- und Jugendalter» von Public Health Schweiz, dem Fachverband der Public-Health-Fachleute.