Könnten mit einem Referenzpreissystem für Medikamente die Gesundheitskosten gesenkt werden?

Quelle: Colourbox.de

Von Stephanie Dosch und Dr. Andreas Kohler

Im Rahmen der bundesrätlichen Strategie «Gesundheit 2020» beschloss der Bundesrat im Februar 2011 verschiedene Massnahmen betreffend Medikamente, deren Patent abgelaufen ist, mit dem Ziel, die Kosten zu senken. Die wichtigste Massnahme war die Initiative zur Einführung eines Referenzpreissystems für Generika. Die Schweiz hat im Vergleich zum Ausland einen tiefen Anteil an Generika und hohe Preise. Das Referenzpreissystem soll Anreize schaffen, dass mehr Generika verschrieben werden.

In diesem Blog-Beitrag diskutieren wir die Herausforderungen bei der Umsetzung eines Referenzpreissystems zur Senkung der Generikapreise in der Schweiz.

Was sind Generika?

Ein Generikum ist ein Arzneimittel, das die gleiche chemische Substanz enthält wie ein bewährtes Medikament, dessen Patentschutz abgelaufen ist. Die Voraussetzung für die Vergütung eines Generikums über die obligatorische Krankenversicherung ist, dass es günstiger ist als das Originalpräparat (KVV, Artikel 65c). Der Einsatz von Generika ist daher eine wirksame Massnahme zur Senkung der Gesundheitsausgaben bei gleichzeitiger Gewährleistung der Qualität für die Patientinnen und Patienten.

Was sind die Herausforderungen in der Schweiz?

Laut eines aktuellen Berichtes des Eidgenössisches Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) hat die Schweiz drei Probleme bei den Generika:

  1. Wir bezahlen in der Schweiz zu hohe Preise für Generika im Vergleich zu anderen europäischen Länder, auch bei Berücksichtigung der Unterschiede im Pro-Kopf-BIP,
  2. Der Generikaanteil (Anzahl Packungen) auf dem vergüteten Markt ist in der Schweiz sehr klein (27,6% im Jahr 2019 in Vergleich zu 82.6% in Deutschland im selben Jahr),
  3. Für viele patentgelaufene Medikamente gibt es in der Schweiz, anders als in anderen Ländern, kein Generikum.

Das Referenzpreissystem

In mehreren europäischen Ländern (siehe Bericht WBF) werden alle patentabgelaufenen Medikamente und deren Generika hinsichtlich des Wirkstoffes in Gruppen eingeteilt und nur das günstigere Generikum wird vergütet. Das führt zu Preiswettbewerb unter den Herstellern und folglich zu tieferen Preisen. In der Schweiz hingegen werden nur Preise von Originalpräparaten miteinander verglichen, was zu höheren Preisen führt.

Gemäss einer Studie im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG)s könnte die Schweiz mit der Einführung eines Referenzpreissystems bis zu 480 Millionen Schweizer Franken einsparen. Für die Festlegung des Referenzpreises würden sowohl der Auslandspreis als auch das Marktvolumen der Originalmedikamente berücksichtigt. Kritiker und Kritikerinnen weisen auf zwei Hauptprobleme hin:

  1. Bei der Preissetzung vergleicht das BAG die Schweizer Preise mit Preisen von «Hochpreisländern» (siehe Zeitungsartikel von saldo),
  2. Der Preisvergleich basiert auf Listenpreisen im Ausland und nicht auf realen Preisen, die wahrscheinlich aufgrund ausgehandelter Rabatte tiefer sind (Preismodelle der Pharmafirmen) (siehe Zeitungsartikel von SRF)

Die Einführung eines Referenzpreissystems wurde am 20. Oktober 2020 mit 117 zu 67 Stimmen im Nationalrat abgelehnt mit dem Gegenantrag, Alternativen anzustreben, die den Verkauf von Generika fördern würden. Ein Beispiel ist, die Implementierung von Anreizen für Apothekerinnen und Apotheker um Generika anstatt Originalpräparate zu verkaufen (siehe SDA Meldung). Gemäss Nationalrat könnte eine Senkung der Preise dazu führen, dass sich Generika-Hersteller vom Schweizer Markt zurückziehen würden (siehe Zeitungsartikel von SRF).

Das Referenzpreissystem «light»

Trotz der Ablehnung des Referenzpreissystems geben die zuständigen Behörden nicht auf. Sie haben ein neues Referenzpreissystem «light» vorgeschlagen, welches die grössten Kritikpunkte aufnimmt (z.B. Versorgungssicherheit und Umgang mit Biosimilars). Wir können in den nächsten Wochen und Monaten also eine lebhafte Debatte erwarten (siehe Zeitungsartikel von Aargauerzeitung).

Stephanie Dosch und Andreas Kohler sind wissenschaftliche Mitarbeitende im Team Gesundheitsökonomische Forschung am WIG.


1 Kommentar

  • Patientensicherheit & Lieferengpässe als Herausforderung
    – in der Praxis kommt es zunehmend zu nicht lieferbaren Medikamenten
    – dies bedeutet für PatientInnen einen Wechsel auf ein neues Medikament mit erhöhtem Risiko von Fehlmedikation
    ->
    Wie kann das Problem gelöst werden:
    – die Schweiz ist ein kleiner Markt im internationalen Vergleich
    – wie kann sie interessant bleiben für Medikamentenlieferanten wenn nicht durch den höheren Preis?
    – wie erreicht sie eine konstante zuverlässige Medikamentenlieferung, welche nötig ist, um wiederholte potentiell unsichere Medikationswechsel zu verhindern?


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert