Gemäss neuesten Zahlen haben wir in der Schweiz im Jahr 2019 insgesamt 82 Milliarden Franken für die Gesundheitsversorgung ausgegeben. Das sind 9572 Franken pro Kopf, wobei wir nur ein gutes Drittel davon über die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung bezahlen.
Unsere Gesundheitsausgaben sind hoch, aber wir haben (wenigstens im Durchschnitt der Bevölkerung) auch ein deutlich höheres Einkommen als im Ausland. Deshalb habe ich einen Vergleich der Einkommen und Gesundheitsausgaben in Europa und den USA im Jahr 2019 versucht.
Der Ländervergleich in der Grafik zeigt einen erstaunlich deutlichen Zusammenhang zwischen pro-Kopf Einkommen und pro-Kopf Gesundheitsausgaben: Länder mit höheren Einkommen geben mehr für Gesundheit aus. Und der Anteil der Ausgaben für Gesundheit ist bei höheren Einkommen tendenziell höher. Sowohl die Einkommen wie die Gesundheitsausgaben wurden hier kaufkraftbereinigt. Die Einkommensunterschiede zwischen den Ländern entsprechen also einem höheren materiellen Wohlstand. Und die Unterschiede in den Gesundheitsausgaben entsprechen einem höheren Konsum von medizinischen Leistungen.
Man könnte also sagen, dass die Schweizer Gesundheitsausgaben gar nicht zu hoch sind, sondern wir uns, wie andere wohlhabende Länder auch, dank unseres höheren Einkommens einfach mehr medizinische Behandlungen und Medikamente leisten.
Ist die ständige Aufregung um die hohen Gesundheitskosten also Hysterie? Nur teilweise, denn es gibt durchaus Gründe genauer hinzusehen. So macht es etwa nicht viel Sinn, wenn wir uns unnötige Behandlungen zu überhöhten Preisen leisten (siehe dazu unseren Bericht zum Effizienzpotenzial im Gesundheitswesen). Ausserdem wird die Gesundheitsversorgung vor allem über obligatorische Versicherungen und Steuern finanziert. Da wollen wir als Prämien- und Steuerzahler sicher sein, dass unser Geld gut ausgegeben wird. Und für einen Teil der Haushalte ist die damit verbundene finanzielle Belastung einfach zu hoch.
Die Zahlen stammen von der OECD, einem Club von vorwiegend reichen Ländern. Die Zahlen zum Einkommen entsprechen dem Bruttoinlandprodukt und die der Gesundheitsausgaben denen der «National Health Accounts», einer international einheitlichen Statistik zu Höhe und Struktur der Gesundheitsausgaben. Einige wenige kleinere europäische Länder wurden für eine bessere Übersichtlichkeit weggelassen, hätten das Bild aber nicht verändert. Nur Irland und Luxemburg passen nicht ins Bild, da sie im Verhältnis zu ihren pro-Kopf Gesundheitsausgaben ein deutlich höheres pro-Kopf Einkommen aufweisen. In beiden Ländern fliesst aber ein grosser Teil dieses höheren Einkommens ins Ausland ab, was den Vergleich verfälscht.
Simon Wieser ist Institutsleiter am Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie.
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Sehr gut verständlicher und interessanter Beitrag, vielen Dank. Die Frage wird ja immer wieder gestellt, auch von Studierenden. Die hohen Gesundheitsausgaben pro Kopf in den USA könnten noch kommentiert werden, ist dies doch sehr auffallend und die Erklärung dafür vielleicht nicht allen einfach bekannt.