Value-Based Healthcare Management – die Umsetzung von Value-based Healthcare in der Praxis

Quelle: Colourbox

Von PD Dr. Florian Liberatore

Teil 1: Worum geht es?

Der Leiter unseres Teams  Versorgungsforschung Professor Dr. Klaus Eichler hat in seinem jüngsten Blog-Beitrag «Value-based Health Care: Was ist damit gemeint?» einen wichtigen Grundsatzbeitrag zu dem Thema Value Based Health Care geliefert. Während die Thematik aus Sicht der Versorgungsforschung und auf systemischer Ebene aus Sicht der Gesundheitsökonomie bereits gut bekannt ist, besteht aktuell in der Praxis unter Leistungserbringern eine grosse Verunsicherung, was Value-Based Health care konkret in der Leistungserbringung, ja für eine einzelne Organisation bedeutet. Die Umsetzung ist aber der entscheidende Schritt, dass der Nutzen aus dieser Denkweise auch tatsächlich in der Gesundheitsversorgung und damit bei den Patienten[1] ankommt.

Doch, gerade der Begriff «Value» stellt eine grosse Herausforderung aus betriebswirtschaftlicher Sicht dar. Was ist damit im strategisch, organisatorischen und operativen Handeln bei einem Leistungserbringer gemeint?

Value-based Healthcare Management als Umsetzung von Value-based Healthcare in der Praxis   

Mit einer Reihe von Blogbeiträgen möchte ich daher gemeinsam mit meinem Kollegen Prof. Dr. Alfred Angerer diese Wissenslücke auf dem Gebiet des Value-based Healthcare Management füllen. Das Wissen stammt dabei aus unserem Kompetenzspektrum und unseren Erfahrungen als Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie in Forschungs- und Beratungsprojekten auf diesem Gebiet.

Im ersten Teil der Reihe möchte ich zunächst aufzeigen, was man unter Value aus einer Healthcare Management-Perspektive versteht und welches Grundprinzip hinter dem Management-Konzept steht.  

Eine reine Orientierung am Patienten im Rahmen des Value-based Healthcare-Ansatzes greift aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu kurz

Nach dem Ansatz von Value-based Healthcare von Porter (2006)[2] soll die Leistungserbringung so reorganisiert werden, dass sie Value, also Nutzen für den Patienten generiert. Dabei wird Value definiert als relevante Outcomes für den Patienten im Verhältnis zu den damit verbundenen Kosten. Unserer Meinung greift diese Definition jedoch zu kurz. Denn Value wird auf verschiedenen Ebenen eines Leistungserbringers mit und für verschiedene Anspruchsgruppen generiert, um den Unternehmenserfolg zu generieren. Eine reine Fokussierung auf den Patienten-Value kann dazu führen, dass man wichtige andere Anspruchsgruppen vernachlässigt.  

Beim Value-Based Healthcare Management geht es um ein multidimensionales Value-Verständnis

Value-based Healthcare Management bedeutet daher, in strukturierter Form der verschiedenen Value-Dimensionen gerecht zu werden, in dem man zu einem multidimensionalen Value-Verständnis kommt.  

Das multidimensionale Value-Verständnis umfasst dabei folgende Dimensionen:

Kunden-bezogener Value

  • Value für Patienten: Der Nutzen für Patienten steht im Vordergrund der Leistungserbringung als Kernleistung eines Leistungserbringers
  • Value für das soziale Umfeld: Patienten sind immer in einem sozialen Gefüge (Arbeitgeber, Angehörige) eingebunden. Ihnen gegenüber wird auch ein Value generiert.
  • Value für die Gesellschaft: Die Leistungserbringung hat Konsequenzen für den Zugang zu Gesundheitsversorgung sowie der Funktionsweise des Gesundheitssystems

Fachkräfte-bezogener Value

  • Value für Gesundheitsfachpersonen: Für bestehende und potenzielle Mitarbeitende müssen attraktive Arbeitsumgebungen geschaffen werden.

Netzwerkbezogener Value

  • Value für andere Leistungserbringer: Als Leistungserbringer kann man im Gesundheitssystem ohne Partner, mit denen man kooperiert, nicht überleben. Daher ist es auch wichtig, entsprechenden Value für diese Anspruchsgruppen zu generieren. 
  • Value für Zuweiser: Die Attraktivität gegenüber Zuweisern als zentrale Absatzmittler ist ein entscheidender Baustein im Value-based Healthcare Management.
  • Value für Zulieferer: Statt in klassischen Lieferanten-Kunden-Beziehungen zu denken, sollten Ansätze der Co-Creation angewendet werden, um Win-Win-Situationen zu schaffen.

Eigentümerbezogener Value

  • Value für Eigentümer: Leistungserbringer sind Unternehmen, die einen Value für die Eigentümer erbringen. Daher ist der wirtschaftliche Erfolg essentiell für das wirtschaftliche Überleben eines Leistungserbringers.
  • Value für Investoren: Andere Finanzierungsgeber benötigen Sicherheiten und Erfolgsaussichten bei ihren Investitionen.
Abbildung 1: Das multidimensionale Value-Verständnis im Rahmen des Value-based Healthcare Managements

Viele Leserinnen und Leser werden jetzt denken – Value, auch in den verschiedenen Dimensionen – das ist doch nichts Neues. Wir sind schon längst Value-based unterwegs. Dem muss man mit einem klaren Ja und auch Nein zustimmen. Ja, es wird sich bisher bereits in zahlreichen einzelnen Gefässen und mit verschiedenen Instrumenten mit Value-Themen befasst. Jedoch muss man gleichzeitig widersprechen: Hierbei handelt es sich noch nicht um ein Value-based Healthcare Management, sondern um Value-Denken in Silos. Warum das so ist, macht dieses Beispiel deutlich.

Value-Based Denken in Silos:
Die HR-Abteilung eines Spitals kümmert sich um die Attraktivität des Spitals für bestehende und künftige Mitarbeitende. Das Qualitätsmanagement fokussiert die Qualitäts-Outcomes für die Patienten und das Zuweisermanagement die Bedürfnisse der Zuweiser. Dies passiert, ohne die Interdependenzen dieser drei Stakeholdergruppen in einer übergeordneten Strategie zu berücksichtigen, einen ausgewogenen Mix an Massnahmen zur Befriedigung aller Interessen zu schaffen und entsprechende Leitlinien vorzugeben. So kann eine Massnahme für die Mitarbeitenden Value stiftend sein, jedoch nicht den Patientenerwartungen entsprechen.

Daher geht es darum, von einem Sammelsurium von Einzelmassnahmen und Initiativen zu einem über alle Ebenen und Dimensionen hinweg strukturierten und abgestimmten Value-based Management zu kommen (siehe Abbildung 2). Das multidimensionale Value-Verständnis, richtig umgesetzt, bedeutet also, dass eine Zielkongruenz über alle Value-Dimensionen angestrebt und auf allen Organisationsebenen verankert werden muss. Eine reine Fokussierung auf den kundenbezogenen Value für Patienten würde zu kurz greifen.

Abbildung 2: Vom Value im klassischen Healthcare Management zum Value-based Management

Dabei sind drei entscheidende Grundprinzipien zu nennen, die diesen Ansatz prägen.

  1. Erfassung von Value Expectations: Von relevanten Stake- und Shareholdern müssen die Erwartungen und Präferenzen abgeholt werden, aus denen sich die Nutzenerwartungen ergeben, die es zu erfüllen gibt. Beispiele: Was ist einem Zuweiser bei einem Spital wichtig, um eine reibungslose Zusammenarbeit zu gewährleisten? Welche Erwartungen hat ein Patient an das Behandlungsergebnis?
  2. Festlegung der Value Co-Creation: Alle Stakeholder sind in einer Form der Co-Creation an der Value Creation beteiligt, so dass die Art und das Ausmass der Beteiligung definiert werden muss. Beispiele: Bringen Patienten ihr Essenstablett selbstständig zum Servierwagen? Liefert ein Medtech-Unternehmen bereits ein gesamtes OP-Set oder nur das einzelne Produkt?
  3. Value Outcomes als Indikator: Als Value Outcomes versteht man die Ergebnisse des Management-Handelns, die sich in Indikatoren, wie patient-reported Outcomes, Zufriedenheitsgraden und vertieften Kooperation äussern können und darüber gemessen werden müssen. Beispiele: Wie ist das subjektive Wohlbefinden des Patienten nach der Behandlung? Wie hoch ist die Fluktuation bei Gesundheitsfachpersonen?
Abbildung 3: Das Grundprinzip des Value-based Managements

Auf folgenden Ebenen besteht Handlungsbedarf nach dem Value-based Healthcare Management-Ansatz:

Ebene 1: Value-based Strategy: Auf strategischer Ebene sind grundlegende Entscheidungen zu treffen, welche Values mit welchen Geschäftsmodellen generiert und nach Aussen kommuniziert werden.  

Ebene 2: Value-based Organisation: Auf Organisationsebene müssen Potentiale geschaffen werden, um das multidimensionale Value-Verständnis umsetzen zu können.

Ebene 3: Value-based Healthcare Provision: Die Leistungserbringung muss als wertschöpfender Prozess die Value Expectations aufgreifen, ein geeignetes Niveau an Co-Creation beinhalten sowie gute Value Outcomes generieren.

Auf allen drei Ebenen beinhaltet das Value-based Healthcare Management-Konzept wichtige Bausteine, welche die genannten Handlungsfelder weiter konkretisieren. Mehr Informationen dazu lesen Sie gerne in unserem nächsten Blogbeitrag Teil 2: Die zentralen Bausteine des Value-based Healthcare Managements.

Sie möchten das Value-based Healthcare Management-Konzept auch bei Ihnen in der Organisation einführen oder ihren Status Quo analysiert haben? Anfragen an Dr. Florian Liberatore, Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie unter: Florian.liberatore@zhaw.ch

PD Dr. Florian Liberatore, stellvertretender Leiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen und Experte für Value-Based Management.


1 Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechteridentitäten.
2 Porter ME, Teisberg EO (2006) Redefining health care: creating value-based competition on results. Harvard Business School Press, Boston



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