Von Renato Mattli
Am vergangenen Sonntag stolperte ich in einem Zeitungsartikel über den Begriff «Bundesamt für Gesundheitskosten». Ich musste zweimal lesen, aber tatsächlich, da stand…
«Bundesamt für Gesundheitskosten». Der Zeitungsartikel handelte vom Wildwest-Wettbewerb zwischen den Krankenversicherern und der Kommunikation der Prämien. Diese müssten nämlich zuerst vom Bundesamt für Gesundheit (gemäss Artikel eben «Bundesamt für Gesundheitskosten») genehmigt werden, bevor sie veröffentlicht werden.
Ich musste schmunzeln. Hat der Autor den Begriff «Bundesamt für Gesundheitskosten» mit Absicht gewählt oder handelte es sich um einen fast schon Freudschen Verschreiber? Denn es vergeht aktuell keine Woche, ja beinahe kein Tag, an dem in den Medien nicht über Gesundheitskosten berichtet wird. Die Gesundheitskosten bestimmen die Prämien, welche vor zwei Tagen durch das Bundesamt für Gesundheit bekannt gegeben wurden. Die bevorstehenden Parlamentswahlen verstärken die Präsenz des Themas in den Medien zusätzlich. Denn die Parteien und Kandidaten haben begriffen, dass neben dem Thema Umwelt die Explosion der Gesundheitskosten ein wichtiges Anliegen der Schweizer Bevölkerung ist.
Die Vielschichtigkeit und Zusammenhänge der Gesundheitsthemen für die Öffentlichkeit verständlich aufzubereiten, ist für die Wissenschaft und für die Medien eine grosse Herausforderung. Unsere kürzlich veröffentlichte Studie zur Krankheitslast des Tabakkonsums in der Schweiz (siehe dazu diesen Blog-Beitrag) zeigte dies exemplarisch. In den Medien wurden aus allen Ergebnissen primär die 5 Milliarden Franken Kosten aufgegriffen. Teilweise wurde noch über die jährlich durch das Rauchen bedingten 9’500 Todesfälle berichtet. Doch der immense Verlust an Lebensqualität und Lebensjahren haben wir in keinem Artikel wiedergefunden.
Es ist nachvollziehbar, dass Beträge in Schweizer Franken für die Bevölkerung einfach zu verstehen sind. Zudem haben die Gesundheitskosten einen Einfluss auf die Prämien und die stellen für viele Haushalte einen relevanten Budgetposten dar. Nichtsdestotrotz bin ich der Überzeugung, dass wir beginnen müssen auch in der breiten Öffentlichkeit eine differenziertere Diskussion über die Gesundheitskosten zu führen. Da spielt eben die «Gesundheit», die wir im Gegenzug zu den entstehenden Kosten erhalten, eine ganz zentrale Rolle. Welches sind die Ziele, die wir im schweizerischen Gesundheitswesen erreichen wollen? Was sind unsere Werte? Möglichst lange leben? Möglichst lange gesund leben? Möglichst tiefe Ausgaben für Gesundheitsleistungen? Das sind wichtige Fragen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.
Die Gesundheit steht nicht nur im Begriff «Gesundheitskosten» vor den Kosten, sondern auch im Begriff «Gesundheitsökonomie» vor der Ökonomie. So wird das auch am WIG gelebt: Zuerst müssen wir die Gesundheit (oder oft Krankheit) verstehen, bevor wir uns mit den Kosten auseinandersetzen können. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, gute Gesundheit und angemessene Prämien.
Renato Mattli ist Teamleiter der Fachstelle HTA und gesundheitsökonomische Evaluationen am WIG.