Kürzlich hat die Gesundheitsdirektoren-Konferenz (GDK) die Krankenversicherer aufgeschreckt. Sie stellt die Forderung, die Langzeitpflege in die Diskussion um eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (EFAS) miteinzubeziehen. Worum geht es bei der EFAS und was wären die Vor- und die Nachteile einer solchen Ausweitung der EFAS?
Was ist die EFAS?
Die EFAS möchte Fehlanreize im Gesundheitswesen abbauen und ambulant vor stationär sowie die integrierte Versorgung fördern. Dies soll wie folgt geschehen: Zurzeit finanziert die obligatorische Kranken- und Pflegeversicherung (OKP) bei ambulanten Leistungen 100% der anfallenden Kosten, in der stationären Versorgung nur 45%. Die restlichen 55% der stationären Kosten finanzieren die Kantone. Es gibt Situationen, in denen die Kosten für die Krankenversicherer bei einer ambulanten Behandlung höher sind als bei einer stationären. In diesen Fällen hat der Krankenversicherer den Anreiz, die aus Sicht des gesamten Systems schlechtere (da teurere) stationäre Behandlung zu bevorzugen.
Mit der neuen EFAS sollen die Steuerbeiträge der Kantone und die Prämien der Bevölkerung bei den Versicherern zusammenlaufen. Die Versicherer würden mit diesem Geld 100% der Kosten aller Leistungen begleichen, egal ob diese ambulant oder stationär anfallen. Hier finden Sie ein Video, welches die EFAS beschreibt: https://www.pro-efas.ch/de/
Die EFAS wird von sehr vielen Interessensvertretern unterstützt. Sie schliesst die Langzeitpflege – also Alters- und Pflegeheime sowie die Spitex – jedoch bisher aus. In der Langzeitpflege werden die Kosten ebenfalls von der OKP und den Kantonen (in gewissen Kantonen auch von den Gemeinden) getragen. Den grössten Teil der Kosten übernehmen allerdings die Patienten selbst.
Die Kantone haben recht…
Diesen Ausschluss der Langzeitpflege aus der EFAS haben die Kantone nun in Frage gestellt. Damit haben die Kantone recht: die Langzeitpflege sollte in die EFAS aufgenommen werden. Denn die Kosten für chronisch Kranke und Multimorbide fallen zu einem grossen Teil in der Langzeitpflege an. Zudem macht der Trend von stationär zu ambulant nicht vor der Langzeitpflege halt. Die EFAS würde somit erst mit dem Einbezug der Langzeitpflege ihr volles Potential ausschöpfen. Dies gilt insbesondere für die Förderung der integrierten Versorgung.
Die Kantone haben am 08.08.2019 eine Studie von INFRAS (Link zur Medienmitteilung der GDK und zur Studie: veröffentlicht, in welcher sie eine kostenneutrale Übernahme der Langzeitpflege in die EFAS postulieren. Unter diesen Voraussetzungen berechnet INFRAS, dass die Kosten der gesamten EFAS ungefähr zu 75% von den Krankenversicherern und zu 25% von den Kantonen übernommen werden müssten.
… aber, die Versicherer haben auch recht
Auf diese Publikation haben die Versicherer reagiert. Sie befürchten, dass der Einbezug der Langzeitpflege in die EFAS zu einer Erhöhung der Prämien führen würde. Dies würde in erster Linie den (unteren) Mittelstand belasten. Damit haben die Versicherer ebenfalls recht. Die Pflegekosten steigen nämlich stärker als die restlichen Kosten im Gesundheitswesen. Der Beitrag der Versicherer an die Langzeitpflegekosten ist zurzeit aber gedeckelt. Damit geht das gesamte Kostenwachstum bei den Pflegekosten heute zu Lasten der Kantone (respektive der Gemeinden). Die von der GDK veranlasste Studie von INFRAS geht davon aus, dass sich im aktuellen Finanzierungsmodell die Gesamtkosten im Gesundheitswesen für die Kantone bis 2030 um 34% erhöhen würden. Mit der EFAS (ohne Langzeitpflege) käme es im selben Zeitraum für die Kantone zu einer Kostensteigerung von 49%. Der Status Quo ist für die Kantone also günstiger als ein Wechsel zur EFAS (mit oder ohne Langzeitpflege, siehe Tabelle).
Ausblick
Es gilt zu hoffen, dass der Vorschlag eines Einbezugs der Langzeitpflege in die EFAS nicht zu einer Blockierung der Reform führt. Denn im Gesundheitswesen ist es selten, dass ein (fast) ungetrübter Konsens für eine Vorlage besteht, welche potentiell Kosten senkt. Und von tieferen Gesundheitskosten würden wir alle profitieren – auch die Kantone.
Flurina Meier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Fachstelle Versorgungsforschung am WIG.