Von Eva Hollenstein
Mit einer auf den ersten Blick kuriosen Warnung hat eine Hebamme aus Deutschland auf ihrer Facebook-Seite für Aufmerksamkeit gesorgt: Sie rät Paaren mit Kinderwunsch dringend davon ab, über die Osterfeiertage ein Kind zu zeugen. So käme das Baby nämlich um Weihnachten und Neujahr zur Welt – eine Zeit, in der viele Hebammen frei haben. Dann kann es durchaus vorkommen, dass Frauen vom Spital abgewiesen werden, weil alle Kreisssäle belegt, und keine Hebammen verfügbar sind.
So prekär wie in Deutschland ist die Situation hierzulande zum Glück nicht. Hochschwangere Frauen werden nur selten in ein anderes Spital geschickt. Trotzdem gestaltet sich die Suche nach einer Hebamme oft sehr schwierig, vor allem über die Sommermonate und um Weihnachten.
Wochenbettversorgung gewinnt an Bedeutung
Gleichzeitig ist die Nachfrage nach einer Betreuung durch eine Hebamme in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Zahl der Schwangeren, die von frei praktizierenden Hebammen betreut werden, hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt (Schweizerischer Hebammenverband, 2017). Hinzu kommt, dass die durchschnittliche Spitalaufenthaltsdauer nach einer Geburt in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken ist (aktuell: 4.4 Tage) (Bundesamt für Statistik, 2017). Dadurch verlagert sich ein wichtiger Teil der Wochenbettbetreuung in den spitalexternen Bereich.
Familystart Zürich hilft bei der Suche nach einer frei praktizierenden Hebamme
Neue Versorgungsmodelle wie der Verein Familystart Zürich sollen helfen, diesen veränderten Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Familystart Zürich ist ein gemeinnütziger Verein, der die Vermittlung der Wochenbettbetreuung durch Hebammen übernimmt. Der Verein tritt zum Beispiel auf den Plan, wenn eine Familie die Hebamme nicht selber organisieren möchte oder keine Hebamme findet. Daneben betreibt der Verein ein 24-Stunden-Beratungstelefon. Für Frauen, die in einem Partnerspital von Familystart Zürich gebären (aktuell: Stadtspital Triemli, Universitätsspital Zürich, Spital Zollikerberg) ist der Vermittlungsdienst kostenlos.
Von diesem Modell profitieren nicht nur die Familien, denen die oft langwierige Suche nach einer Hebamme erspart wird. Auch die freischaffenden Hebammen können ihre Arbeitseinsätze viel besser planen, da sie nicht mehr als «Einzelkämpferinnen» unterwegs sind und sich im Team-Modell untereinander organisieren und ablösen können. Bisher musste eine Hebamme vor der Geburt wochenlang 24 Stunden auf Abruf bereit sein, weil nicht vorhersehbar ist, wann das Baby tatsächlich kommt.
Die Pflegefachfrauen und Hebammen der Partnerspitäler schätzen das Angebot ebenfalls, weil sie nicht mehr lange Listen von freischaffenden Hebammen abtelefonieren müssen, um dann doch nur eine Absage nach der anderen zu erhalten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Hebammensuche wegen Ferienzeiten, vielen Geburten oder dem Wohnort der Mutter erschwert ist. Heute geschieht die Anmeldung der Mütter bei Familystart Zürich über ein Online-Anmeldeformular, oder sogar per «elektronischem Knopfdruck». Weniger Stress und mehr Zeit für die Kernaufgaben der Mitarbeitenden auf der Wochenbettstation sind die Folge.
Ökonomische Evaluation durch das WIG
Dies belegen die Ergebnisse einer Evaluation des Vereins durch das Institut für Hebammen und des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie (WIG). Ziel war es zu untersuchen, inwieweit der Verein Familystart Zürich die an ihn gestellten Ansprüche erfüllt, und welche Entwicklungspotentiale bestehen.
In einem Teilmodul untersuchten Eva Hollenstein und Alfred Angerer vom WIG den ökonomischen Mehrwert der Dienstleistungen von Familystart Zürich. Dabei verwendeten sie quantitative und qualitative Erhebungs- und Auswertungsmethoden. Die gesundheitsökonomische Beurteilung zeigte einen substantiellen Mehrwert für die Spitäler in folgenden Bereichen: Zeitersparnis, Zufriedenheit des Pflegepersonals und der Klientinnen, Transparenz und Standardisierung, Stressreduktion sowie Vernetzung und Kooperation. Im Bereich „Zeitersparnis“ wurde ein um 85% reduzierter Aufwand des Vermittlungsprozesses bei schwierigen Fällen festgestellt. Den Projektbericht finden Sie hier: https://digitalcollection.zhaw.ch/handle/11475/5860
Eva Hollenstein ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am WIG.