Von Tim Brand und Dr. Florian Liberatore
Es ist eine typische Situation in Schweizer Spitälern. Kurzfristig meldet sich eine Pflegekraft krank. Das, was folgt, sieht nun häufig so aus: Die Pflegeleitung greift zum Telefon und versucht einen Ersatz für die unterbesetzte Schicht zu finden. Selbst wenn das nach einiger Zeit gelingt, besteht das Problem, dass dadurch Überstunden beim übrigen Personal anfallen und dieses entsprechend zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung steht. Das Problem wird so allenfalls verschoben, jedoch nicht gelöst.
Inzwischen nutzen immer mehr Leistungserbringer die Möglichkeit, die entstehenden Lücken durch Temporärkräfte zu füllen, die kurzfristig (24 Stunden vorher) geordert werden können. Das kostet natürlich etwas. Unter vielen Spitäler besteht die Annahme, dass diese im Vergleich zu Festangestellten bis zu 30 % Mehrkosten verursachen. Doch stimmt das? Die Fachstelle Management im Gesundheitswesen des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie hat im Auftrag von Careanesth, einem Anbieter von Temporärkräften in der Pflege, einen Kostenvergleich vorgenommen. Dazu wurden personalbezogene Kostendaten aus Spitälern, Pflegeheimen und Spitexorganisationen zusammengetragen, die in einer Vollkostenrechnung analysiert wurden. Dabei wurden nicht nur direkte Lohnkosten der Pflegekräfte berücksichtigt, sondern auch Kosten für Schichtplanung, die Kompensation kurzfristiger Ausfälle, Personaladministration, Ausfallzeiten etc. herangezogen.
Die Ergebnisse zeigen zunächst nichts Überraschendes. Eine Temporärkraft in der Pflege kostet auch unter eine Vollkostenbetrachtung mehr als eine vergleichbare festangestellte Pflegekraft. Der Kostenunterschied hat aber auch die Autoren der Studie überrascht. Mit durchschnittlich 11.31% fällt dieser deutlich geringer aus als bisher weitläufig angenommen.
Aber was sind die Kostenfaktoren, die in der Praxis bei einem Kostenvergleich häufig nicht berücksichtigt werden? Es sind vor allem die indirekten Kosten sowie realistische Schätzungen zur effektiven Jahresarbeitszeit von Festangestellten, die den Kostenunterschied verkleinern. Dazu gehören:
- Personaladministrative Aufgaben (z.B. Rekrutierung, Einstellung, Lohnadministration)
- Aufwand von leitenden Personen bei der Suche nach geeigneten Ersatzkräften
- Ausfallzeiten (Krankheit, Mutterschaft etc.) bei Festangestellten
Die Studie zeigt damit, dass Kostenargumente bei Überlegungen zum Einsatz von Temporärkräften eher von geringerer Bedeutung sein sollten. Vielmehr sollte jede Einrichtung kritisch hinterfragen, ob und wie man Temporärkräfte ohne grosse Qualitätseinbussen und potentiell negative Effekte auf die Teamkultur als flexible Personalressource integrieren kann. Diese Aspekte, die als potentielle Nachteile von Temporärkräften in der Literatur diskutiert werden, waren nicht Bestandteil der beschriebenen Studie (Bae, Mark, & Fried, 2010; Bloom, Alexander, & Nuchols, 1997).
Basierend auf den in der Studie vorliegenden Kostendaten hat das WIG in einem zweiten Schritt ein Einsparungsrechner entwickelt, mit dem man die potentiellen Einsparungen für eine Station errechnen kann, die sich ergeben, wenn man statt eines starren Personaleinsatzplans bedarfsabhängig die Personaldecke pro Schicht plant. Dieses Modell wird in einem kommenden Blog-Beitrag erläutert werden.
Tim Brand ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dr. Florian Liberatore Dozent & Projektleiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen am WIG.
Literatur:
Bae, S.-H., Mark, B., & Fried, B. (2010). Use of temporary nurses and nurse and patient safety outcomes in acute care hospital units. Health Care Management Review, 35(4), 333–344. https://doi.org/10.1097/HMR.0b013e3181dac01c
Bloom, J. R., Alexander, J. A., & Nuchols, B. A. (1997). Nurse staffing patterns and hospital efficiency in the United States. Social Science & Medicine (1982), 44(2), 147–155.
Das ist etwas was auch wir in unserem Unternehmen verfolgen. Wichtig ist dabei, die fachliche Qualifikation der externen Mitarbeitenden, ansonsten ist die Belastung des eigenen Pflegepersonals hoch und vor allem der Output für die Patienten schlechter. Neben den Kostenvorteilen (?) darf die Qualität der Betreuung nicht leiden und diese ist bis jetzt mit eigenem Personal besser zu sichern. Es gibt trotzdem Wege, die Einführung (insofern zeitlich möglich) und Begleitung vom externen Personal zu optimieren.
Vielen Dank für Ihren Kommentar zu unserem Beitrag. Wir sind gerne bereit für einen fachlichen Austausch über diese Thematik. Wie bereits in unserem Blogbeitrag erwähnt, waren die von Ihnen erwähnten möglichen Nachteile des Einsatzes von Temporärkräften in der Pflege nicht Bestandteil der Studie. Dazu gehören auch die möglichen Auswirkungen auf die Qualität der Pflege und eventuelle Mehrbelastungen für das bestehende Personal. Zu diesen Aspekten befragen wir gerade Pflegekräfte zu ihren Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Temporärkräften im Rahmen eines laufenden Forschungsprojekts. Sobald dazu Ergebnisse vorliegen, werden wir auch diese in unserem Blog veröffentlichen.
Grundsätzlich lässt sich aus unseren Erfahrungen sagen, dass sich einige negative Effekte des Einsatzes von Temporärpersonal durch eine Standardisierung von Prozessen im Sinne des Lean Management verringern lassen. So kann hierdurch die Einarbeitungszeiten verringert, Qualitätsrisiken gesenkt und die interne Kommunikation verbessert werden. Auf unserer Expertenplattform http://www.leanhealth.ch finden Sie weitere Anregungen zu diesem Thema. PD Dr. Florian Liberatore