Von Tim Brand
Wer schon einmal operiert wurde, musste vielleicht feststellen, dass der vorher bestimmte Termin nicht eingehalten werden konnte. Besonders, wenn die geplante OP nicht die erste des Tages war. Häufig kommt es im OP zu Verzögerungen, die sich über den Tag summieren und den geplanten Zeitplan durcheinanderbringen. Das ist besonders aufgrund der ökonomischen Bedeutung des OPs im Spital relevant. In den USA bspw. liegt der Kostenanteil des OPs an den Gesamtkosten bei 30-40%, beim Umsatz ist der Anteil mit 60-70% sogar noch höher [1;2]. Von ähnlichen Anteilen ist in der Schweiz auszugehen. Somit birgt die Optimierung von OP-Sälen ein hohes ökonomisches Potenzial. Durch optimierte Prozesse können Ressourcen eingespart und ggf. mehr Operationen in der verfügbaren Zeit durchgeführt werden.
Immer mehr Gesundheitsorganisationen entdecken das Prozessoptimierungspotenzial der Lean-Philosophie. Der Begriff «Lean Management» bedeutet «schlankes» Management und ist ein Ansatz, der seinen Ursprung beim japanischen Automobilhersteller Toyota hat. Das Ziel von Lean Management ist, alle Prozesse harmonisch aufeinander abzustimmen und dabei überflüssige Schritte, die keinen Mehrwert schaffen, zu eliminieren. Dieses Vorgehen wurde in den letzten Jahren besonders vor dem Hintergrund des steigenden Kostendrucks für Spitäler interessant. Bisher wurde Lean Management vor allem in einzelnen Kliniken und auf Bettenstationen umgesetzt und konnte hier bereits spürbare Verbesserungen bewirken.
Der OP ist jedoch speziellen Rahmenbedingungen im Spital unterworfen, wodurch eine einfache Übertragung der Lean Philosophie auf den OP Bereich nicht möglich ist. Operationssäle sind komplexe Organisationseinheiten, die das abgestimmte Zusammenspiel zahlreicher Elemente voraussetzen. Sie sind eigene „Produktionsstätten“ innerhalb eines Spitals und unterscheiden sich allein durch ihre Prozesse vom Rest des Spitals, wie z.B. den Bettenstationen. Besondere bauliche und technische Voraussetzungen sowie ein deutlich höherer Anspruch an Hygiene und Patientensicherheit sowie hochspezialisierte Prozesse erfordern neue Konzepte und Management-Tools zur ganzheitlichen Optimierung. In der Praxis existieren bisher nur fragmentierte, nicht evidenzbasierte Optimierungsansätze. Dadurch wird der OP-Saal als komplexes System bisher nur unzureichend optimiert.
Das Projekt „Lean Exzellenz im OP-Management“ des Winterthurer Instituts für Gesundheitsökonomie ist unter der Leitung von Prof. Dr. Alfred Angerer im Januar dieses Jahres gestartet und auf 1 ½ Jahre angelegt. Es wird erstmals ein evidenzbasiertes Managementkonzept für OPs als praxisnahe „Werkzeugkiste“ entwickelt, welches eine Optimierung des OPs im Kontext vor- und nachgelagerter Spitalbereiche ermöglicht. So wird der gesamte Behandlungspfad eines Patienten berücksichtigt. Ziel ist die dauerhafte Optimierung der Effizienz von OPs bei gleichzeitiger Verbesserung der Behandlungsqualität.
Das Projektergebnis wird aus vier Teilen bestehen, die die Vorbereitung, Umsetzung und Verankerung der Optimierung abdecken:
- Ein strukturiertes Assessmenttool, welches als Erhebungstool für die Erfassung der Ist-Situation bezüglich der OP-Effizienz in Spitälern genutzt werden kann und vorhandenen Optimierungsbedarf quantifiziert.
- Ein Betriebskonzept als strukturiertes Wissenskompendium zur Optimierung von OP-Sälen mit angepassten und neuen Konzepten und Tools des Lean Managements.
- Ein Trainingsprogramm zur Befähigung und Motivation der Mitarbeitenden im Kontext der OP Optimierung. Dieses beinhaltet insbesondere innovative physische Simulationen zum didaktischen Aufbau der notwendigen Kompetenzen der Mitarbeitenden.
- Ein anwenderfreundliches Controlling-Cockpit zum Monitoring der OP-Effizienz sowie dem visuellen Management im Spital.
Die Herausforderung des Projektes besteht darin, bestehende Methoden und Konzepte des Lean Managements auf den spezifischen Kontext des Operationssaals anzupassen und bestehende Lücken durch neue Inhalte zu füllen. Hierbei kann das WIG auf das frühere Projekt „Lean Hospital Transformationskonzept” aufbauen, welches durch die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) gefördert wurde und mit der Publikation des „Lean Hospital Transformation – Body of Knowledge” (www.leanhealth.ch) erfolgreich zum Abschluss kam.
Auch das neue Forschungsprojekt wird durch die Innosuisse gefördert. Eine enge Zusammenarbeit des WIG mit Partnern aus Industrie (Zimmer Biomet GmbH und Leancom GmbH) und Praxis (Schulthess Klinik) sowie anderen Vertretern des Schweizer Gesundheitswesens gewährleistet die Praxisrelevanz sowie die wissenschaftliche Fundierung der entwickelten Inhalte. Zudem bietet die Zusammenarbeit die Möglichkeit, neue Methoden direkt in der Praxis zu testen, deren Erfolg zu messen und sie entsprechend an den bestehenden Bedarf anzupassen.
Mit dem Projekt leistet das WIG einen weiteren Beitrag, um Spitalprozesse zu optimieren. Dadurch können Ressourcen eingespart, die Behandlungsqualität verbessert und die finanzielle Handlungsfähigkeit der Schweizer Spitäler erhöht werden.
Tim Brand ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fachstelle Management im Gesundheitswesen am WIG.
Literaturverweise:
[1] Healey, T., El-Othmani, M. M., Healey, J., Peterson, T. C., & Saleh, K. J. (2015). Improving Operating Room Efficiency, Part 1: General Managerial and Preoperative Strategies. JBJS Reviews, 3(10).
[2] Healey, T., Peterson, T. C., Healey, J., El-Othmani, M. M., & Saleh, K. J. (2015). Improving Operating Room Efficiency, Part 2: Intraoperative and Postoperative Strategies. JBJS Reviews, 3(10).