«Digital Health ist gekommen, um zu bleiben»

Von Clemens Moll

Der Fachbereich «Management im Gesundheitswesen» des WIG hat Mitte November 2017 einen Report mit dem Titel «Digital Health – Die Zukunft des Schweizer Gesundheitswesens» veröffentlicht. Darin wird ein einheitliches Verständnis für die Begrifflichkeiten rund um die Digitalisierung des Gesundheitswesens geschaffen, der aktuelle Stand aus einer Managementperspektive beschrieben und auf zukünftige Entwicklungen eingegangen.

Ordnungsmodell Digital Health

Digital Health ist in aller Munde und der Digitalisierungstrend ist auch im Schweizer Gesundheitswesen angekommen. Die Prognosen sind auf Wachstum eingestellt, egal ob in Übersee oder hierzulande. Auf lange Sicht erhofft man sich von Digital Health eine Effizienzsteigerung und Qualitätsverbesserung in der Versorgung der Patientinnen und Patienten. Dieses Bestreben wird in der Schweiz jedoch durch den «Kantönligeist» erschwert, da er zu einer starken Fragmentierung in der Umsetzung von Digital Health führt. Die 26 Kantone machen häufig sehr unterschiedliche Vorgaben. Für die Leistungserbringer, die Versicherer und die anderen Anbieter wirft das nicht selten Fragen auf und lässt einen grossen Handlungsspielraum (BAG, 2007). Eine zentrale Regelung wurde jedoch im April 2017 mit dem Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) verabschiedet. Darin werden zum Beispiel Spitäler zur flächendeckenden Eröffnung eines EPD bis 2020 verpflichtet und der Zugriff auf die Daten geregelt. Mit diesem Gesetz wurde der Weg zur Einführung des EPD in der Schweiz geebnet. Eine der bisher grössten Digital Health-Lösungen wird also in naher Zukunft Realität. Wichtig hierbei und für die gesamte Digitalisierung sind die allgemeinen Regelungen bezüglich des Datenschutzes und der Datensicherheit. Es wird immer einfacher Daten in grossen Mengen zu sammeln, zu speichern und weiterzuleiten. Diese Datenpools sind beliebte Angriffsziele von Hackern. Eine Befragung des gfs.bern (2017a) zeigt, dass das Vertrauen in den Datenschutz in den Augen der Bevölkerung eine Voraussetzung ist, damit Digital Health flächendeckend angewendet wird. Aus diesen Gründen ist der Datenschutz im Digital Health-Markt so wichtig und die Herausforderungen für den Gesetzgeber entsprechend hoch.

Ohne Vertrauen in den Datenschutz kann Digital Health in der Schweiz nur schwer akzeptiert werden. Eine gewisse Grundskepsis ist vielfach noch vorhanden. Jedoch kann generell festgehalten werden, dass die Leistungserbringer und die Schweizer Bevölkerung bereit sind, den bevorstehenden Wandel mitzumachen. Die Bereitschaft zur Umsetzung unter den Ärzten ist sehr unterschiedlich. So weisen die Ärzte in den Spitälern im Vergleich zu den Kollegen in den Praxen eine deutlich höhere Bereitschaft auf. Niedergelassene Ärzte halten die Umsetzung vermutlich meist für zu zeit- und kostenintensiv. Die allgemeine Bereitschaft zur Nutzung von Digital Health-Anwendungen unter den Privatpersonen ist durchaus vorhanden. Je nach Anwendung (EPD, Online Patientenverfügung, e-Impfausweis, Allergie-App etc.) können sich 50 bis 75 Prozent der Schweizer deren Nutzung vorstellen (gfs.bern, 2017b). Aufgrund einer Befragung von Ernst & Young (Gröninger & Lacher, 2017) ist davon auszugehen, dass die deutliche Mehrheit der Befürworter auch dazu bereit ist, diese Daten mit ihrer Krankenversicherung zu teilen, vorausgesetzt es werden attraktive Anreize geboten. Dabei kommt es aber auf die Art der Daten an. Die Bereitschaft zur Weitergabe von Schritt- und Fitnessdaten an den Krankenversicherer ist recht gross. Vor allem, weil diese Daten ohnehin schon aufgezeichnet werden. Andere medizinisch relevante Daten wie Blutdruck, Blutzucker oder Essgewohnheiten würden nur wenige Versicherte mit dem Krankenversicherer teilen (Gröninger & Lacher, 2017). Vermutlich gelten diese Daten als zu intim oder die Aufzeichnung noch als zu aufwändig.

Digital Health ist noch in einer frühen Entwicklungsphase, wenn auch in einer stetig wachsenden. Erste gute Ansätze sind in der Schweiz bereits vorhanden, jedoch muss vor allem in der praktischen Anwendung noch viel getan werden. Das Expertenteam von digital.swiss schätzt den Stand der Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens im Juni 2017 auf 39 Prozent (Dümmler, 2017). Dieser Wert ergibt sich aus Umfragen und verschiedenen Kennzahlen, darunter die Umsatzentwicklung von Digital Health-Unternehmen, der Anteil elektronischer Überweisungen bei Ärzten oder Kennzahlen zum EPD.

Die interne und externe Vernetzung im Gesundheitswesen entwickelt sich ungleichmässig. Innerhalb der einzelnen Organisationen ist die Digitalisierung bereits relativ weit vorangeschritten und breitet sich zudem schneller aus als im externen Bereich. Dies zeigt sich vor allem in Schweizer Spitälern. Besonders die elektronische Vernetzung und die Kommunikation zwischen den Leistungserbringern des Gesundheitswesens ist noch nicht weit verbreitet (gfs.bern, 2017b). Dies deckt einen deutlichen Handlungsbedarf auf.

Dass der anfangs angesprochene Digitalisierungstrend nur ein Hype ist, den die Schweiz bald schon wieder vergessen haben wird, ist eher unwahrscheinlich. Denn Digital Health ist gekommen, um zu bleiben. Gesundheitsfachpersonen und Patienten schenken dem Thema gleichermassen immer mehr Aufmerksamkeit. Die Branche hat den Handlungsbedarf und das Potential erkannt und versucht in Bezug auf die Digitalisierung aufzuholen. Momentan werden noch viele Ressourcen in die Schaffung von Grundlagen investiert, um Unklarheiten des jungen Marktes aus dem Weg zu räumen. Sorgen um die Datensicherheit sind allgegenwärtig und werden vermutlich auch nicht allzu schnell verschwinden. Diese Grundskepsis gegenüber der Digitalisierung ist kein singuläres Phänomen des Gesundheitswesens und muss nichts desto trotz ernst genommen und aktiv angegangen werden. Ob Digital Health das Gesundheitswesen aber wirklich revolutionieren wird, was manch ein optimistischer Befürworter voraussagt, wird sich zeigen. Fest steht jedenfalls, dass Digital Health viele Chancen und Möglichkeiten bietet, die unsere heutige Art das Gut Gesundheit zu produzieren tatsächlich auf den Kopf stellen könnten.

Quellen:

BAG. (2007). Strategie „eHealth” Schweiz. Bern: Bundesamt für Gesundheit. Abgerufen von https://www.bag.admin.ch/dam/bag/de/dokumente/nat-gesundheitspolitik/ehealth-ch/bericht-ehealth-strategie-ch.pdf.download.pdf/ehealth-strategie-schweiz.pdf

Dümmler, P. (2017). Digitale Innovation in der Schweiz. Abgerufen 19. Juni 2017, von https://digital.swiss/de/themen/gesundheit

gfs.bern. (2017a). Apps als mögliche Treiber für eHealth – Vertrauen in Datenschutz bleibt Achillesverse (Studie) (S. 66). Bern: gfs.bern.

gfs.bern. (2017b). Momentum in der Patientennachfrage nicht verpassen (Studie) (S. 60). Bern: gfs.bern.

Gröninger, Y., & Lacher, A. (2017). Kasse für Kranke? Oder Partner für Gesundheit? (S. 48). Basel: Ernst & Young.

Clemens Moll ist Praktikant der Fachstelle Management im Gesundheitswesen am WIG.


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