Für Eltern, die Fragen zur Gesundheit ihres Kindes haben, ist das Internet eine wichtige Informationsquelle. Bisher ist das Verhalten von Schweizer Müttern und Vätern in der digitalen Welt jedoch kaum erforscht. Das Projekt «Digitale Elternratgeber» der ZHAW-Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften will Licht ins Dunkel bringen.
VON JULIA DRATVA
Bei einem Kratzen im Hals, einer geröteten Stelle am Oberarm oder einem Zwicken im Rücken ist er nur ein Handgriff entfernt: Doktor Google. Unzählige Websites, Apps und soziale Netzwerke bieten Rat bei Gesundheitsfragen. Sie können für Erleichterung sorgen – oder aber das Gefühl erwecken, an einer ganzen Reihe schwerwiegender Krankheiten zu leiden.
Eine Vielzahl an digitalen Ratgebern gibt es auch für Eltern, die sich über die Gesundheit und Entwicklung ihres Kindes informieren wollen. Die bisherige Forschung zeigt, dass das Internet als Informationsquelle für Eltern enorm an Bedeutung gewonnen hat. Zusammen mit deren Nutzung ist auch das Angebot an digitalen Ratgebern, insbesondere an Onlineportalen, rasant gewachsen.
Die Informationsflut im Netz kann die Eltern verunsichern
Diese Entwicklung hat einerseits das Potenzial, im Sinne eines «Empowerment» die Gesundheitskompetenz der Eltern zu steigern und ihnen eine aktive Rolle in der Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Dies könnte letztlich auch das Gesundheitswesen entlasten. Anderseits kann die Informationsflut in der digitalen Welt Eltern verunsichern. Ausserdem erfordert es eine hohe Gesundheits- und Medienkompetenz, um die Zuverlässigkeit der Inhalte korrekt einzuschätzen.
Welche digitalen Informationsquellen Eltern nutzen und zu welchen Themen sie diese konsultieren, ist bislang kaum erforscht. Auch weiss man wenig darüber, wie sich dies auf die Beziehung zwischen Eltern und Arzt auswirkt. Zwar gibt es vereinzelte Studien aus angelsächsischen Ländern, den Niederlanden und Norwegen. Aufgrund kultureller Unterschiede ist jedoch fraglich, ob sich deren Ergebnisse auf den deutschsprachigen Raum respektive auf die Schweiz übertragen lassen.
Um mehr über das Informationsbedürfnis und -verhalten von Eltern herauszufinden, hat die ZHAW Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften das Projekt «Digitale Elternratgeber» durchgeführt, finanziert durch den Käthe-Zingg-Schwichtenberg-Fonds der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften. Rund 750 deutschsprachige Eltern von Kindern im Alter zwischen 0 und 24 Monaten im Raum Zürich haben dazu einen Onlinefragebogen ausgefüllt. Zudem wurden Eltern und Ärzte interviewt.
Eltern vertrauen digitalen Ratgebern nicht blind
Das Projekt hat gezeigt, dass bei den befragten Eltern der direkte Kontakt, beispielsweise das Gespräch mit Hausarzt oder mit Bekannten, nach wie vor die wichtigste Informationsquelle darstellt (siehe Grafik). Vermehrt werden aber auch digitale Medien konsultiert, insbesondere Onlineportale. Die Eltern nutzen digitale Ratgeber zudem eher, wenn es um allgemeine Gesundheits- und Entwicklungsfragen, etwa zur Hygiene oder Ernährung ihres kleinen Kindes geht. Wird beim Kind hingegen ein gesundheitliches Problem vermutet, informieren sie sich deutlich weniger über digitale Kanäle. Ein Grossteil der Teilnehmenden äusserte zudem eine gesunde Portion Skepsis im Umgang mit digitalen Quellen.
Einen wesentlichen Einfluss der Nutzung digitaler Informationen auf die Beziehung zwischen Eltern und Arzt konnte die Studie nicht feststellen. Allerdings wünschen sich viele der befragten Eltern mehr ärztliche Orientierungshilfe im digitalen Informationsdschungel – etwa in Form von Hinweisen, welche Websites vertrauenswürdig sind. Hier gibt es bei der Ärzteschaft jedoch grosse Unterschiede, was den Wissensstand über und die Nutzung von digitalen Ratgebern angeht. Die einen verweisen auf Ratgeber oder setzen diese sogar direkt im Gespräch mit den Eltern ein, andere verzichten gänzlich auf «digitale Laieninformationen» und informieren sich selbst ausschliesslich auf Kanälen für ein medizinisches Fachpublikum.
Aufgrund der vorliegenden Forschungsergebnisse sind nun weitere Projekte geplant. So ist unter anderem vorgesehen, die Ergebnisse in verschiedenen Sprachregionen und Kulturen zu überprüfen und das Potenzial digitaler Medien zur Stärkung der Gesundheitskompetenz von Müttern und Vätern weiter zu untersuchen. Als Folge des von den Eltern geäusserten Wunsches nach mehr Orientierungshilfe wird zudem mit der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie ein Konzept erarbeitet, um Eltern verlässliche digitale Informationen zur Verfügung zu stellen und ihre Gesundheitskompetenz zu fördern. //
DIGITALE ELTERNRATGEBER
Nutzung und Einfluss auf die Arzt-Eltern-Interaktion in der pädiatrischen Vorsorge
- Leitung
Julia Dratva - Team
Sibylle Juvalta, Isabel Baumann, Dominik Robin und Susanne Stronski Huwiler - Projektdauer
1.Oktober 2017–30. Juni 2018 - Finanzierung
Käthe-Zingg-Schwichtenberg-Fonds/ Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW)
«Vitamin G», Seite 28-29
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