Und ewig lockt das Smartphone

Möchten Sie Ihren Medienkonsum besser in den Griff bekommen? Christian Ingold, Experte für Verhaltenssüchte, weiss Rat.

VON LUCIE MACHAC

Wer kennt es nicht: Beim Anstehen an der Kasse wird noch schnell die Push­-Nachricht gelesen. Im Tram werden Whatsapp und Mails gecheckt. Auf dem Sofa klickt man sich durch gefühlte 120 Katzenvideos. Und nach dem Abendessen zieht man sich noch vier Folgen einer Netflix­-Serie rein, die angeblich alle gesehen haben müssen.
Die mediale Dauerberieselung ist in unserem Leben omnipräsent. Fast genauso allgegenwärtig ist denn auch der damit verbundene Stress und natürlich das schlechte Gewissen, lieber am Smartphone zu hängen statt durch den Wald zu joggen. Doch wie lässt sich ein exzessiver Medienkonsum sinnvoll steuern? «Lieblings-­Apps zu löschen, ist lediglich die Ultima Ratio und punkto Verhaltensänderung nicht geschickt», sagt Christian Ingold, Experte für Verhaltenssüchte am ZHAW Institut für Public Health.
Will man sich vom Smartphone losreissen, gibt es schonendere Wege der Ablösung. «Man sollte sich nicht nur auf die Reduktion des Medienkonsums, sondern auch auf eine attraktive Alternative konzentrieren», so Ingold. Das kann tatsächlich eine Joggingrunde im Wald sein, allerdings warnt Ingold vor zu viel Ehrgeiz am Anfang. «Kaum jemand kann von heute auf morgen statt am Handy zu hängen, Sport treiben. Das ist eine Überforderung und das Risiko gross, dass das Vorhaben scheitert.»
Ingold rät, mit einer einfachen, naheliegenden Alternative zu starten. Zum Beispiel mit einer alternativen Aktivität auf dem Sofa. Ein Buch lesen, eine News-Sendung schauen oder einen Film, der im Gegensatz zum Social-­Media­-Feed irgendwann ein Ende hat. «Manchmal hilft es bereits, eine andere App auf dem Smartphone auszuwählen, oder übers Handy Musik zu hören, damit man die Verhaltensroutine unterbricht.»
Gleichzeitig kann man in einem ersten Schritt auch die Zugänglichkeit zum Medienkonsum erschweren – und zwar ganz pragmatisch: «Man kann die Instagram-App weit hinten auf dem Smartphone­-Bildschirm verstecken. Oder deren Nutzungszeit beschränken, indem man unter ‹Einstellungen› bei der ‹Bildschirmzeit› ein App­-Limit setzt. Oder das Handy nicht gleich neben dem Sofa aufladen, sondern an einen weit entfernten Stecker hängen», so Ingold.
Damit die Handykontrolle längerfristig klappt, braucht es allerdings mehr. «Die Personen sollten sich mit den eigenen Bedürfnissen auseinandersetzen, um herauszufinden, bei welchen Aktivitäten sie sich gut fühlen und welche als valable Alternative zum Smartphone taugen», fasst Ingold zusammen. Danach gelte es, die alternative Tätigkeit Schritt für Schritt auszubauen, sie im Alltag fix einzuplanen und ihr dadurch immer mehr Platz einzuräumen.
Übrigens: Nicht alle, die ständig aufs Handy starren, sind Smartphone-Junkies. Ab wann dieses Verhalten «ungesund» wird, ist laut Christian Ingold sehr individuell. «Wenn jemand das Gefühl hat, die Kontrolle zu verlieren, ist das ein guter Indikator. Dies ist dann der Fall, wenn der Medienkonsum trotz negativer Begleiterscheinungen fortgesetzt wird, also wenn eine Person täglich Katzenvideos schaut, obwohl sie sich danach schlecht fühlt.» //

Vitamin G, S. 38

Magazin «Vitamin G – für Health Professionals mit Weitblick»


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