Daten sind zum Teilen da

von Tobias Hänni

Sie misst den menschlichen Gang, die Aktivität von Muskeln oder die Kräfte, die auf ein Gelenk wirken. Die Bewegungsanalyse, bei der Daten zu Abläufen aber auch zu Störungen des menschlichen Bewegungsapparats erhoben werden, kommt in verschiedenen Bereichen zum Einsatz: bei der Entwicklung neuer Medizinprodukte, beispielsweise Orthesen oder Schuhe, in der Rehabilitation oder für die klinische Entscheidungsfindung. Die Erhebung von Bewegungsdaten ist dabei meistens aufwendig und ressourcenintensiv. So müssen passende Proband:innen rekrutiert, deren Bewegungen in speziellen Laboren mithilfe von High-End-Kameras und Markern erfasst und mit leistungsfähigen Computern aufbereitet und analysiert werden – eine Datenerhebung also, die mit viel Vor- und Nachbereitung verbunden ist und einiges an Ressourcen benötigt.

Deshalb wäre es eigentlich sinnvoll, wenn Daten aus einzelnen Projekten veröffentlicht würden und so wiederverwendet werden könnten. Bloss: Solche Open Research Data (ORD) sind in der Bewegungsanalyse rar gesät. «Der Anteil an öffentlich zugänglichen Daten aus Bewegungslaboren ist klein», sagt Michelle Haas. Die Bewegungswissenschaftlerin gehört zum Team von «MoveD – Open Research Data in Swiss Movement Laboratories». Das von Swissuniversities finanzierte Projekt des ZHAW-Instituts für Physiotherapie möchte die Bereitstellung von ORD aus der Bewegungsanalyse fördern. Dafür haben die Wissenschaftler:innen in Zusammenarbeit mit Schweizer Bewegungslaboren Guidelines erarbeitet, mit der die Datenbereitstellung vereinfacht und unterstützt werden soll.

Grosser Aufwand, kleiner Stellenwert

Eines der grössten Hindernisse, das der Publikation von Bewegungsdaten im Weg steht: Der Prozess bindet Ressourcen. «Für ORD müssen beispielsweise zusätzliche Metadaten und Informationen zur Datenerhebung und zu den Proband:innen erfasst werden. Oder die erhobenen Daten müssen in ein offenes Format umgewandelt und so strukturiert werden, dass sie mit anderen Softwares und Datenstrukturen kompatibel sind», schildert Michelle Haas ein paar der Aufgaben. Viele Forschende scheuten diesen Zusatzaufwand. Das habe wohl auch mit dem geringen Stellenwert von Datenpublikationen zu tun, vermutet Haas. «Wir Forschende werden an unseren Publikationen gemessen – Datenpublikationen gehören im Moment aber noch nicht dazu.»

Werden Daten trotzdem veröffentlicht, genügen sie häufig nicht den internationalen FAIR-Prinzipien für ORD. «Sie werden beispielsweise als Anhang zu Publikationen veröffentlicht und sind deshalb schwer zu finden», sagt Michelle Haas. Gemäss FAIR sollen Daten auffindbar (findable), zugänglich (accessible), interoperabel (interoperable) und wiederverwendbar (reusable) sein. Die MoveD-Guidelines zeigen auf, wie Daten so aufbereitet werden können, dass sie den FAIR-Prinzipen entsprechen. Die Guidelines decken dabei den gesamten Lebenszyklus der Daten ab – von der anfänglichen Planung, über die Erhebung, Verarbeitung und Analyse bis zur Veröffentlichung. Eine entsprechende Mustervorlage hilft ausserdem dabei, Metadaten mit einem geringeren Aufwand zu erfassen.

Bedenken wegen Datenschutz

Die Richtlinien beleuchten auch ethische und rechtliche Aspekte. Bedenken hätten die Bewegungslabore vor allem wegen des Datenschutzes, so Haas. «Bei der Bewegungsanalyse werden sensible persönliche Daten erhoben.» Deren Schutz kann mit einer Veröffentlichung geschwächt werden. «Auch bei vermeintlich anonymisierten Daten besteht ein gewisses Risiko, dass sie in Kombination mit weiteren Angaben Rückschlüsse zur Person zulassen, von der sie stammen.» Die Guidelines unterstützen Bewegungswissenschaftler:innen dabei, Bewegungsdaten ausreichend zu anonymisieren oder zu verschlüsseln.

Derzeit werden die Richtlinien von mehreren Bewegungslaboren getestet und validiert – aber auch vom Projektteam selbst. «Die Aufbereitung von Daten aus einem Projekt soll zeigen, ob die Guidelines ausreichend sind.» //

Vitamin G, S. 14

Magazin «Vitamin G – für Health Professionals mit Weitblick»


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