Wie sollen Health Professionals mit kulturellen Missverständnissen oder fordernden Angehörigen umgehen? Eine neue Weiterbildung vermittelt Praxisausbildner:innen in Gesundheits- und Lehrberufen das Rüstzeug, mit dem sie Studierende darin unterstützen können.
von Tobias Hänni
Gesundheitsfachpersonen begegnen in ihrem Alltag oft herausfordernden zwischenmenschlichen Situationen. Doch wie bereitet man angehende Hebammen, Physio- und Ergotherapeut:innen oder Pflegefachpersonen auf solche Situationen vor? Eine neue Weiterbildung am Departement Gesundheit gibt Ausbildner:innen das didaktische und methodische Werkzeug für diese Aufgabe an die Hand. Der Kurs «Praxisbegleitung in herausfordernden Situationen», der ab Januar 2024 erstmals durchgeführt wird, vermittelt ein Modell, mit dem solche Situationen analysiert werden können, um daraus zu lernen.
Es geht um Beziehungsaufbau
«Das didaktische Modell integriert die Perspektiven der Studierenden, der Klient:innen und deren Angehörigen sowie der Ausbildner:innen», erläutert Anita Manser Bonnard, Kursverantwortliche und Leiterin Weiterbildung am Institut für Public Health. Wichtig ist auch der Kontext der Situation, also etwa, ob sie sich im ambulanten oder im stationären Setting abspielt. «Je nach Kontext und Beziehung der Beteiligten sollte die Situation unterschiedlich angegangen werden.»
Der neue Kurs richtet sich nicht nur an Praxisausbildner:innen im Gesundheitswesen, sondern auch an Praxislehrpersonen an den Volks- und Berufsschulen. Kooperationspartnerin ist die Pädagogische Hochschule (PH) Zürich, die zusammen mit der ZHAW den Kurs verantwortet. Das Modul ist ganz bewusst transdisziplinär aufgebaut. «Der Perspektivenwechsel hilft Teilnehmenden, schwierige Situationen und ihre eigene Rolle darin zu reflektieren», erklärt Manser Bonnard. «Sie erleben, was anders ist – und welche Situationen in den Berufen gleich sind.»
So seien Lehrpersonen häufig mit vergleichbaren Herausforderungen konfrontiert wie Health Professionals – etwa mit anderen kulturellen Normen oder mit den Erwartungen von Eltern respektive von Angehörigen. «Und für beide Berufsgruppen gilt: Man muss einfühlsam sein, aber auch klare Grenzen aufzeigen.» Im Kern gehe es darum, Beziehungen aufzubauen und diese bewusst zu gestalten und zu reflektieren.
Tandem über den ganzen Kurs
Damit sie in andere Berufswelten Einblick gewinnen, bilden die Teilnehmenden Tandems. In Work Shadowings begleiten sie ihr Gspänli in dessen Praxisalltag. «Danach tauschen sie sich aus und reflektieren das Erlebte anhand des didaktischen Modells.» Des Weiteren bringen sie Beispiele von herausfordernden Situationen aus ihrer eigenen Praxis mit in den Kurs. Diese werden eingeübt und reflektiert, teilweise mit professionellen Schauspieler:innen, welche die Rolle der überforderten Studierenden übernehmen, der aufgelösten Eltern oder der sterbenden Patient:innen. Kursteilnehmende begeben sich in die Rolle der Gesundheitsfach- oder Lehrperson.
«Zu den Übungen gehören eine abschliessende Fallanalyse und ein Reflexionsjournal», erklärt Manser Bonnard. Teilnehmende sollen sich die Kompetenzen aneignen, mit denen sie die Reflexionsfähigkeit von Studierenden fördern können. Und sie sollen selbst resilienter werden im Umgang mit herausfordernden Situationen.
Doppeltes Kompetenzprofil
Gesundheitsfachpersonen, die als Praxisausbildner:innen tätig sein möchten, können an der ZHAW schon länger das CAS «Ausbilden in Gesundheitsberufen» absolvieren. Es vermittelt die für die Rolle erforderlichen Kompetenzen in Methodik, Didaktik, Kommunikation und Leadership. «Absolvierende eignen sich die pädagogischen Grundlagen, Hilfsmittel und Konzepte an», so Manser Bonnard. Zwei der drei CAS-Module stellen die individuelle Lernbegleitung in den Vordergrund, das dritte Modul stellt didaktische und methodische Grundlagen ins Zentrum, um Schulungen von Gruppen planen, durchführen und evaluieren zu können.
Vorgesehen sei, dass die neue Weiterbildung als Aufbaumodul an das CAS sowie an konsekutive Masterstudiengänge angerechnet werden könne, sagt Jessica Pehlke-Milde. Die Co-Leiterin des Instituts für Hebammenwissenschaft und reproduktive Gesundheit ist zusammen mit Jeannette Wick von der PH Zürich für das Projekt verantwortlich, in dem die neue Weiterbildung entwickelt wurde. Das Projekt wird von swissuniversities im Rahmen des Programms «Doppeltes Kompetenzprofil 2021 – 2024» finanziell unterstützt. Dieses zielt darauf ab, das Kompetenzprofil «Wissenschaft und Praxis» bei Mitarbeitenden von Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen zu stärken.
Ausbildner:innen stärken
«In unserem Projekt haben wir die Praxisausbildung zum Thema gemacht. Diese hat sowohl in Lehr- wie auch Gesundheitsberufen einen hohen Stellenwert», sagt Pehlke-Milde. In der Zusammenarbeit mit der PH Zürich habe sich schnell gezeigt, dass es zwischen den Berufsgruppen viele Parallelen gebe – im Berufsalltag, aber auch bei den theoretischen Bezügen für die Ausbildung. Pehlke-Milde fügt zudem an: «Sowohl im Gesundheits- wie auch im Bildungswesen herrscht Personalmangel – was sich negativ auf die Arbeit der Ausbildner:innen auswirken kann.» Es sei deshalb wichtig, diese zu stärken.
An der Entwicklung des didaktischen Modells und der Weiterbildung waren Vertreter:innen beider Hochschulen und Praxisfelder beteiligt. «Mit dieser transdisziplinären Arbeitsgruppe konnten wir sicherstellen, dass das Modell nicht an den Bedürfnissen der Praxis vorbeizielt», sagt Pehlke-Milde. Ob das Modell bei der Bewältigung herausfordernder Situationen ausreichend hilfreich ist, soll die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der ersten Durchführung der Weiterbildung zeigen. //