Was genau steht eigentlich im Green Impact Book der ZHAW und welche Pläne verfolgt die Hochschule im Bereich der Nachhaltigen Entwicklung aktuell und in Zukunft? In diesem Gast-Interview fühlt ZHAW-Student und Mitorganisator des 2. Sustainability Day @SML, Jonathan Schuler, dem Leiter ZHAW-Nachhaltigkeitsprogramme, Francesco Bortoluzzi, auf den Zahn.
Jonathan Schuler: Mit der Nachhaltigkeitsstrategie der ZHAW, die im Juli 2019 in Kraft trat, konnten ZHAW-Angehörige erstmals die breitabgestützten Ziele und geplanten Leistungen einsehen. Zwei dieser Leistungen sind das Nachhaltigkeitscockpit und der jährliche Nachhaltigkeitsbericht. Mich hat es erstaunt, dass an der ZHAW vorher weder ein Bericht noch ein Cockpit existierte, zumal die Universität Zürich ihren ersten Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2018 veröffentlicht hat. Wie ging es Ihnen?
Francesco Bortoluzzi: Ich glaube, dass die Voraussetzungen an jeder Hochschule anders sind und, dass die ZHAW Zeit braucht, um acht Departemente, das Rektorat und die Abteilung Finanzen & Services an drei Standorten zu koordinieren. Tatsächlich hat das Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen (IUNR) in Wädenswil bereits 2017 und auch 2019 einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, was die Prozesse beflügelt hat, die uns im 2019 die Nachhaltigkeitsstrategie und das Green Impact Book gebracht haben. Nichtsdestotrotz ist die Erhebung von Nachhaltigkeitsdaten an Hochschulen extrem komplex und erfordert oft Änderungen in internen Prozessen. Bisher wurden solche Daten an der ZHAW nicht für Nachhaltigkeitszwecke erhoben, daher arbeiten wir sehr eng mit der Abteilung Finanzen & Services zusammen, um die Prozesse für die Erhebung der Daten für das Green Impact Book von Grund auf zu etablieren. In diesem Zug möchte ich erwähnen, dass nur ein Drittel der Gebäude der ZHAW kantonale Liegenschaften sind, für die wir die Daten meist direkt erhalten. Die anderen zwei Drittel sind von Privaten gemietet, und die Lieferung von Nachhaltigkeitsdaten ist im Mietvertrag oft nicht vorgesehen. Man kann sich also vorstellen, wie schwierig es ist, den ökologischen Fussabdruck unserer Infrastruktur abzuschätzen.
Schuler: Der Nachhaltigkeitsbericht der Universität Zürich geht auf die Themen Flugreisen, Energieverbrauch in Gebäuden, Pendelverkehr, Ernährung und die Anschaffung von IT-Geräten ein. Über welche Themen werden wir im Nachhaltigkeitsbericht der ZHAW lesen dürfen?
Bortoluzzi: Der Inhalt des ersten ZHAW-Nachhaltigkeitsberichts wird sich auf die im Green Impact Book erwähnten Nachhaltigkeitskennzahlen für den Betrieb konzentrieren, um eine Nachhaltigkeits-Baseline für die ZHAW zu schaffen. Dazu gehören die Mobilität, beginnend mit den Flugdaten, der Energieverbrauch in den kantonalen Gebäuden sowie die Nutzung von Ressourcen, einschliesslich der Ernährung. Obwohl wir uns anstrengen, dass unser Bericht mit denen anderer Universitäten vergleichbar ist, haben wir noch einen langen Weg vor uns, bis wir die gleichen Daten und die gleiche Datenqualität haben. Neben den ökologischen Daten wollen wir auch mehr qualitative Inhalte in unseren Bericht aufnehmen, die sich auch auf die anderen Dimensionen der Nachhaltigen Entwicklung konzentrieren. Hier könnte eine Zusammenarbeit mit der Stabstelle Diversity sinnvoll sein, ebenso wie die Fokussierung auf die ZHAW-Forschung für Nachhaltige Entwicklung und die Menschen, die sie ermöglichen. In diesem Sinne ist der PRME-Report der School of Management and Law (SML) ein tolles Beispiel für einen qualitativen Nachhaltigkeitsbericht an der ZHAW.
Schuler: Für den Bericht werden nun viele Daten zusammengetragen und eruiert. Können Sie den Lesenden bereits verraten, welche der Erkenntnisse, die Ihr Team und Sie bereits zusammengetragen haben, überraschend für Sie waren und bereits zu weiteren Handlungen und Restriktionen geführt haben resp. führen werden?
Bortoluzzi: Obwohl es noch zu früh ist, um ein vollständiges Bild wiederzugeben, kann ich sagen, dass die Daten, die wir mit ZHAW-Finanzen & Services gesammelt haben, zeigen, dass die ZHAW 100% erneuerbaren Strom verwendet und, dass sie das kantonale Ziel von 2% für die effiziente Nutzung ihrer Infrastruktur in den letzten Jahren übertroffen hat. Was weitere Handlungen und Einschränkungen betrifft, müssen wir abwarten, bis wir alle Daten aus dem Green Impact Book haben und sie im Nachhaltigkeitsausschuss diskutieren. Jede Handlung oder Einschränkung muss in enger und Dialog-orientierter Zusammenarbeit mit den Departementen, dem Rektorat, Finanzen & Services sowie den Studierenden entschieden und umgesetzt werden.
«Ich glaube, dass die Studierenden bisher gut in die Prozesse eingebunden wurden und ich hoffe, dass sie das Gefühl haben, dass sie mit ihren Ideen und Projekten zur Verbesserung der Nachhaltigen Entwicklung an der Hochschule immer zu ZHAW sustainable kommen können.»
Francesco Bortoluzzi (unten), ZHAW-Leiter Nachhaltigkeitsprogramme im Gespräch mit SML-Student Jonathan Schuler (oben).
Schuler: In der Nachhaltigkeitsstrategie der ZHAW ist – wie Sie mehrmals erwähnt haben – die Rede von einem Green Impact Book, das gemäss Masterplan bereits veröffentlicht hätte werden sollen. Dieses Paper fokussiert auf die «ökologische Nachhaltigkeit im Betrieb der ZHAW». Wo besteht der Unterschied zwischen dem Green Impact Book und dem Nachhaltigkeitsbericht und wann wird es veröffentlicht?
Bortoluzzi: Das Green Impact Book enthält mehr als nur Hinweise auf Nachhaltigkeitskennzahlen. Es enthält auch eine erste Reihe von allgemeinen Handlungsanweisungen und Reduktionvorgaben, die an der ZHAW umgesetzt werden sollen. Das Green Impact Book ist im Intranet der ZHAW verfügbar, wurde aber noch nicht im Internet veröffentlicht, da wir es erst intern mit den vorliegenden Daten diskutieren müssen.
Schuler: Im sehr aufschlussreichen Interview mit Ihnen und dem ZHAW- Beauftragten für Nachhaltige Entwicklung, Urs Hilber, sprechen Sie vom Nachhaltigkeitsausschuss, in dem auch drei Studierende einen Sitz haben. Sie führen aus, dass Studierende die wichtigsten Stakeholder sind. Denken Sie, dass diese Sichtweise bisher zu wenig in nachhaltige Veränderungen einbezogen wurden?
Bortoluzzi: Die Studierenden sind das Zentrum der Nachhaltigen Entwicklung an der ZHAW. Die Nachhaltigkeitsstrategie und das Green Impact Book wurden gemeinsam mit den Studierenden erstellt, um ihre Sichtweisen und Sensibilitäten zu berücksichtigen. Wie Sie erwähnen, sind sie Mitglieder des Nachhaltigkeitsausschusses sowie anderer Arbeitsgruppen (z.B. für das Sustainable Impact Programm), und wir haben einen Studenten, Nico Frommherz, der auch Mitglied der Alias-Nachhaltigkeitskommission (NaKt) ist, als Assistent im Kernteam von ZHAW sustainable angestellt. Der Aufbau von guten Schnittstellen zu den studentischen Gruppen an der ZHAW gehört auch zu unserer obersten Priorität. Deshalb glaube ich, dass die Studierenden bisher gut in die Prozesse eingebunden wurden und ich hoffe, dass sie das Gefühl haben, dass sie mit ihren Ideen und Projekten zur Verbesserung der Nachhaltigen Entwicklung an der Hochschule immer zu ZHAW sustainable kommen können. Wir brauchen für dieses Unterfangen so viele Leute wie möglich an Bord.
Weshalb eine indigene Kosmologin Einfluss darauf hatte, dass Francesco Bortoluzzi heute an der ZHAW arbeitet, erfährst du im ausführlichen und vollständigen Interview (PDF-Download). Zudem sprechen Francesco Bortoluzzi und Jonathan Schuler über Klimasünden, Sprachbarrieren und, wie das Leben in einer Marskolonie-Siedlung aussehen könnte. Warum es manchmal auch frustrierend sein kann, wenn man sich an der ZHAW für Nachhaltigkeit einsetzt, erzählt hier nächste Woche Nico Frommherz von der ZHAW-Nachhaltigkeitskommission NaKt in einem weiteren Gastinterview mit Jonathan Schuler.