«Als ZHAW müssen wir uns auf die Klimajugend vorbereiten»

Auslandaufenthalte haben Cathérine Hartmann zur Umweltpsychologie gebracht. Heute lehrt sie in diesem Bereich und forscht an der ZHAW, wie man das «Faultier» Mensch für nachhaltigeres Handeln motiviert. Zudem vertritt sie das Departement Angewandte Psychologie seit letztem Jahr im Sustainable Development Committee, dem Nachhaltigkeitsausschuss der ZHAW.

Was bitte soll denn Umweltpsychologie sein? Wer hat diesen seltsamen Beruf erfunden? Solche Kommentare erntete Cathérine Hartmann, als sie vor einiger Zeit dem Schweizer Fernsehen ein Interview zum Thema Flugscham gab. «Das hat einen kleinen Shitstorm ausgelöst, war schlussendlich aber hilfreich um die Disziplin bekannter zu machen», sagt Hartmann, die seit 2015 an der ZHAW am Departement Psychologie in der Fachgruppe Verkehrs-, Sicherheits-, und Umweltpsychologie arbeitet, forscht und lehrt und sich nebenbei zur Nachhaltigkeitsmanagerin ausbilden lässt. «Das alles unter einen Hut zu bringen ist zwar anspruchsvoll, aber inspirierend und definitiv gut fürs Herzblut.» Zudem sei es ein gelungener Perspektivenwechsel für ihre eigene Lehrtätigkeit. Derzeit unterrichtet die 33-Jährige Bachelor- und Masterstudierende an den Departementen Psychologie sowie Life Sciences und Facility Management in verschiedenen Bereichen der Sozialpsychologie, der Umweltpsychologie und des Nachhaltigkeitsmanagements und betreut Bachelor- und Masterabschlussarbeiten.

Die richtige Spur in Lissabon

Sie selbst gelangte durch Zufall zur Umweltpsychologie. «Als Kind wollte ich etwas mit Menschen machen, unterstützen, verändern.» Internationale und interkulturelle Themen lösten früh Interesse aus: Mit 16 Jahren absolviert sie ein Austauschjahr in Südamerika. «Diese Erfahrung hat mich beflügelt und ich kam zum Schluss, dass ich Psychologie studieren will.» Erst interessiert sie sich für den Bereich Verhaltensänderungen und Werbepsychologie. «Allerdings habe ich gemerkt, dass die Werbepsychologie nicht ganz mit meinen Werten und Überzeugungen von Selbstbestimmung und freien Entscheidungen übereinstimmte. Ich suchte eher nach Möglichkeiten, Menschen positiv zu beeinflussen, auf Freiwilligkeit zu bauen, statt sie zu manipulieren.» Wieder bringt sie ein Auslandaufenthalt auf die richtige Spur: Bei einem Auslandsemester in Lissabon kommt sie zum ersten Mal mit dem Feld Umweltpsychologie in Berührung. «Ich dachte: Wow, das ist die perfekte Kombination aus meiner persönlichen Überzeugung bezüglich Umwelt und Nachhaltigkeit, kombiniert mit einem positiven Zugang, Menschen zu motivieren.» Zurück in Deutschland stösst sie auf einen kleinen, aber potenten Umweltpsychologiebereich in Magdeburg und gehört kurz danach  zur ersten Kohorte in Deutschland, die ein Masterstudium in Umweltpsychologie absolviert. «Das war meine Erfüllung: Endlich hatte ich etwas gefunden, wo ich dahinterstehen kann und auch noch Freude daran habe.» Nach dem Studium stösst sie auf die Ausschreibung der ZHAW für eine wissenschaftliche Mitarbeiterin. «Spontan und ohne Vorahnung bin ich knapp drei Wochen später nach Zürich gezogen.» Sie kannte die Stadt zwar nur vom Durchfahren, aber ihr Bauchgefühl hat sie nicht getäuscht und nach wie vor fühlt sie sich sehr wohl in Zürich.

“Unser tägliches Handeln zu jeder Zeit an jedem Ort hat ökologische, ökonomische und soziale Konsequenzen. Und es liegt alleinig an uns, darauf Einfluss zu nehmen und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.”

Cathérine Hartmann, Umweltpsychologin an der ZHAW

Geduld und Spucke

Ebenso wie an der ZHAW: Hier forscht Cathérine Hartmann in den Bereichen nachhaltige Mobilität, Ernährung, Konsum, Energienutzung und weiteren Themen, die sich um das Verhalten im Bereich der Nachhaltigkeit drehen. «Dabei leiten mich folgende Fragen: Wie und wodurch können Menschen ihr Verhalten ändern, welche Tools und Bedingungen braucht es, um einen nachhaltigen Lebensstil zu entwickeln und aufrecht zu erhalten? Wie müssen Interventionen und Kampagnen aussehen, wenn sie umweltpsychologische Erkenntnisse mitaufnehmen? Wie sieht das im internationalen Vergleich aus?» Für sie ist dabei eines klargeworden: Damit das «Faultier» Mensch seine Gewohnheiten ändert, braucht es Zeit und meist mehrere Versuche. «Wer erwartet, dass eine Massnahme sofort einschlägt, liegt falsch. Es braucht Geduld, Spucke, einen langen Atem und etwas Hoffnung, dass sich neue Gewohnheiten einpendeln. Ausserdem muss besser vermittelt werden, dass unser tägliches Handeln zu jeder Zeit an jedem Ort ökologische, ökonomische und soziale Konsequenzen hat und es alleinig an uns liegt darauf Einfluss zu nehmen und einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung zu leisten.» Eine Erkenntnis, die auch für ihre Tätigkeit im Nachhaltigkeitsausschuss hilfreich ist. Als Umweltpsychologin will sie ein Verständnis von Interaktion zwischen der gebauten, der natürlichen und der sozialen Umwelt und dem Menschen in den Nachhaltigkeitsausschuss einbringen. «Umweltpsychologie spielt für jegliche Arbeit, für jeglichen Umgang im gesellschaftlichen Leben eine Rolle.» Nur Zahlen und Bilanzen zu lesen und nur neue Techniken zu entwickeln, sei nicht genug, um zu verstehen, wie menschliches Verhalten funktioniere und wie man es fördern könne.

Cathérine Hartmann, Umweltpsychologin

«Hartnäckig, smart, weiblich»

Die Arbeit im Sustainable Development Committee erlebt sie als motivierend und inspirierend. «Nicht zuletzt, weil Urs Hilber und Francesco Bortoluzzi Herzblut reinbringen und einen Nachhaltigkeitsausschuss aus motivierten und relevanten Personen zusammengestellt haben.» Ihr Anspruch an die ZHAW ist, dass das Thema Nachhaltigkeit Eingang in alle Leistungsbereiche findet. «Die Sustainable Development Goals liefern dazu einen guten Ansatz», sagt Hartmann. Diese würden zwar in der Lehre aufgegriffen, aber auch umfassende Weiterbildungsangebote im Bereich Nachhaltige Entwicklung seien unheimlich wichtig.

Auch die Schaffung von nachhaltigen Standorten und von nachhaltigen Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden der ZHAW sei wichtiger denn je. «Ausserdem müssen wir uns als ZHAW auf die Klimajugend vorbereiten.» Eine Bewegung, der sich Hartmann vor 15 Jahren bestimmt ebenfalls angeschlossen hätte. Heute achtet sie auf eine nachhaltige Lebensweise, unterstützt Umweltschutzorganisationen und hält sich in Nachhaltigkeitsthemen «up to date». Und in ihrer Freizeit steckt sie gerne die Hände in die Erde, lüftet den Kopf in der Natur durch oder liest. In ihrem Bücherregal befindet sich auch ein Werk von Greta Thunberg. «Greta ist ein super Vorbild. Sie ist hartnäckig, smart, inspirierend, jung, weiblich.» Für Cathérine Hartmann ist Greta die personifizierte Langatmigkeit. «Nur einmal Schule schwänzen nützt nicht. Veränderung braucht Zeit. Aber es braucht die Veränderung.»

Zwei Beispiele von Cathérines Projekten:

https://www.zhaw.ch/de/forschung/forschungsdatenbank/projektdetail/projektid/2702/
https://www.zhaw.ch/de/forschung/forschungsdatenbank/projektdetail/projektid/1353/


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert