FLEX-Studiengang – erste Befunde der wissenschaftlichen Begleitforschung

Beitrag von Claude Müller

Flexibler studieren im Bachelor Banking and Finance. Bild: ZHAW

Die School of Management and Law (SML) der ZHAW flexibilisiert derzeit ihren ersten Studiengang, den Bachelor Betriebsökonomie in der Vertiefungsrichtung Banking and Finance (BSc B&F). Der BSc B&F ist ein erfolgreicher, etablierter Studiengang, zu dem es aufgrund seiner speziellen Vertiefung ausserhalb der ZHAW kaum Alternativen gibt. Er wird bereits jetzt als Vollzeitstudiengang (VZ), Teilzeitstudiengang (TZ) und in Englisch (ebenfalls TZ) durchgeführt. Das FLEX-Format ist demnach das vierte Studienformat dieses Studiengangs.

Bei FLEX wird der Präsenzunterricht vor Ort im Vergleich zum Teilzeitstudium um die Hälfte reduziert und durch mehrere dreiwöchige Online-Phasen ersetzt. Wie dies eine Studentin umschreibt, bietet das neue Format die Möglichkeit flexibler, d.h. orts- und zeitunabhängiger zu studieren.

BSc Betriebsökonomie Flex-Studienmodell

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Beleuchtung aus zwei Blickwinkeln

Bei der Entwicklung eines solchen Studienformats müssen zwei Perspektiven im Blick behalten werden: Die institutionelle Perspektive stellt die Frage, wie die Lernorganisation und die didaktische Ausgestaltung aussehen müssen, um beispielsweise den zeitlich und räumlich unabhängigen Zugriff auf studienrelevante Inhalte zu gewährleisten. Darüber hinaus betont die institutionelle Perspektive, dass die Flexibilisierung eines ganzen Studiengangs auch weitreichende Veränderungen in der gesamten Organisation erfordert, welche von entsprechenden Massnahmen begleitet werden.

Aus studentischer Perspektive muss beachtet werden, dass flexibles Lernen Studierenden gleichzeitig ermöglicht und abverlangt, einen selbstbestimmten Lernweg zu wählen und das Lernen entsprechend selbst zu regulieren. Studierende sind so stärker als zuvor für den eigenen Lernprozess verantwortlich. Die Verlagerung der Verantwortung für den eigenen Lernprozess stellt höhere Anforderungen an das persönliche Zeitmanagement und die eigene Motivation.

Step by step: Die Flexibilisierung der Module

Nachdem die Rahmenbedingungen für den neuen Studiengang festgelegt wurden, erfolgte die Flexibilisierung auf Modulebene. In sogenannten Scripting-Workshops wurden die Module nach einem festgelegten Prozess mit Hilfe einer eigens entwickelten Visualisierungssprache umgestaltet. Verantwortlich für die Umgestaltung waren die Dozierenden des Moduls selbst, die Durchführung bzw. die Moderation des Workshops übernahmen Mitarbeiter des Zentrums für innovative Didaktik der SML (ZID).

Scripting-Workshop mit Dozierenden der SML. Bild: ZHAW

Die didaktische Umgestaltung der Module in das Online-Format bedeutet einen nicht unerheblichen Aufwand: Die Erfahrungen bei der Transformation zeigen, dass für eine Veranstaltung von 3 ECTS mit einem Initialaufwand von über 100 Stunden zu rechnen ist. Bei der Durchführung der Veranstaltung wird den Dozierenden der gleiche Stundenaufwand wie beim klassischen Studienformat angerechnet, da zwar die Präsenzzeit, nicht aber der Betreuungsaufwand in der Selbstlernphase reduziert ist.

Neue Lernressourcen für Online-Phasen im FLEX-Format

Die im Scripting festgelegten Modulinhalte werden auf der Hochschul-Lernplattform Moodle abgebildet und für die Studierenden bereitgestellt. Die verfügbaren E-Learning-Möglichkeiten werden besser ausgeschöpft und speziell für den Studiengang FLEX erzeugte Inhalte produziert: Für die Wissensvermittlung bzw. -erarbeitung werden in FLEX neben Lerntexten hauptsächlich kurze Lernvideos eingesetzt. Dazu wurde ein neues Studio für die Produktion von hochwertigen Lernvideos eingerichtet. Um die Studierenden mit der Fülle des Materials nicht alleine zu lassen, wird ihnen in der frühen Studienphase jeweils ein Task-Plan für die virtuellen Selbststudienphasen zur Verfügung gestellt. Im Verlaufe des Studiums wird dieser im Sinne eines «Fadings» reduziert, während die Studierenden entsprechend dem Konzept des selbstgesteuerten Lernens schrittweise mehr Verantwortung für die Planung ihres Lernprozesses übernehmen müssen.

Neben den Inhalten stehen auf Moodle auch Foren zur Verfügung, mit denen die Studierenden mit ihren Dozierenden kommunizieren können. Obwohl die Dozierenden in selbigen häufig präsent waren, wurde dieses Angebot seitens der Studierenden kaum genutzt.

Evaluation: Welche Bilanz zieht der Zwischenreport?

Der neue Studiengang FLEX wird im Rahmen einer Begleitstudie wissenschaftlich evaluiert. Der Ende 2017 publizierte Zwischenreport umfasst die Ergebnisse der drei ersten Semester, der sogenannte Assessment-Stufe des Studienganges.

Neben den studentischen Leistungen ist im FLEX-Modell auch die Zufriedenheit bei den Studierenden und Dozierenden hoch. So kann zusammenfassend gefolgert werden, dass es bei der Implementation des FLEX-Studienganges gelungen ist, eine effektive Lernumgebung und eine zufriedenstellende Lernorganisation zu schaffen. Dazu hat sicherlich der relativ hohe Aufwand beigetragen, welcher betrieben wurde, um die Anforderungen an erfolgreiche Change-Prozesse zu erfüllen: Namentlich die Formulierung einer Strategie und einer Vision, die materielle und fachliche Unterstützung der Transformation und die Investitionen in die technische Infrastruktur. Die didaktischen Charakteristika der Module finden sich auch im Design ihrer FLEX-Pendants wieder, so dass die Besonderheiten des jeweiligen Faches erhalten bleiben.

FLEX-Studierende: Wer sind sie, wie lernen sie?

Die meisten Studierenden des FLEX-Studiengangs stammen aus dem Grossraum Zürich, wobei der Anteil der Studierenden von ausserhalb dieser Region im FLEX-Studiengang höher ist als in den anderen Studienformaten. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die FLEX-Studierenden mit fast 80% Stellenanteil generell eine deutlich höhere Arbeitsbelastung neben dem Studium haben als die Teilzeitstudierenden. Hinsichtlich Vorbildung zeigt sich, dass im FLEX-Studiengang ein grösserer Anteil von Studierenden eine gymnasiale Maturität vorzuweisen hat; eine Person hat gar bereits einen Master-Abschluss erworben. FLEX-Studierende weisen zudem eine höhere ICT-Affinität als Teilzeitstudierende auf und sind weniger affin für Teamarbeit.

Die Befragung der Studierenden hat gezeigt, dass sich die Investition in die Einrichtung eines eigenen Videostudios zur Produktion von kurzen Lernvideos gelohnt hat: «Lernvideos schauen» wird von allen Studierenden in allen FLEX-Kohorten als die lernförderlichste Aktivität bezeichnet. Die an der SML standardmässig am Ende des Semesters durchgeführten studentischen Evaluationen auf Modulebene zeigen keine Unterschiede zwischen den Teilzeitstudierenden und den FLEX-Studierenden.

Im Video-Studio des Zentrums für innovative Didaktik. Bild: ZHAW

Notenleistungen FLEX und Teilzeit im Vergleich

Bei den Klausurresultaten zeigt sich, dass sich die Mittelwerte jeweils nur sehr wenig unterscheiden, wobei in 11 der 16 Module die Mittelwerte der FLEX-Kohorte höher liegen als bei den Teilzeit-Studierenden. Durch eine Kombination aus t-Test und Äquivalenztest konnte nachgewiesen werden, dass

  • in acht Modulen die Klausurergebnisse statistisch äquivalent sind (d.h. es gibt keinen Unterschied zwischen FLEX-Studierenden und Teilzeitstudierenden)
  • sich bei sechs Modulen hierüber keine statistische Aussage machen lässt
  • FLEX-Studierende in zwei Modulen statistisch signifikant bessere Ergebnisse ausweisen.

Zusammenfassend kann aufgrund der Ergebnisse gefolgert werden, dass Studierende des FLEX-Studiengangs zumindest gleichwertige Leistungen erzielen.

Den vollständigen Zwischenreport finden Sie hier.

Beitrag von Claude Müller


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