Frauen in Führungspositionen stehen oft im Spannungsfeld widersprüchlicher Erwartungen: Sie sollen empathisch, aber durchsetzungsstark sein, klar kommunizieren, ohne dabei arrogant zu wirken und sich im männerdominierten Umfeld behaupten, ohne ein typisch „männliches“ Dominanzverhalten zu übernehmen. Aline Baumann, Absolventin des MAS Communication Management and Leadership, hat in ihrer Abschlussarbeit untersucht, wie Auftrittskompetenz Frauen dabei helfen kann, authentisch und erfolgreich zu führen.
Autorin: Lara Attinger
Sie sollen weiblich sein – aber nicht zu «girly». Sie sollen selbstbewusst sein – aber nicht arrogant. Sie sollen klar sein – aber nicht zu herrisch. Und sie sollen mitfühlen – aber sich dennoch durchsetzen. Frauen in Führungspositionen müssen manchmal nahezu unmögliche Anforderungen erfüllen.
Rollenkonflikt Frau vs. Führungsperson
Diese Widersprüchlichkeit kommt daher, dass die Gesellschaft gegensätzliche Erwartungen an die weibliche Geschlechterrolle hat als an eine Führungsperson: Eine Frau soll nachgiebig und empathisch sein, eine Führungsperson durchsetzungsstark und bestimmt. Bei den Anforderungen an die weibliche Geschlechterrolle handelt es sich zwar um stereotype Vorstellungen, trotzdem prägen sie die gesellschaftlichen Erwartungen bis heute. Das bringt einen Rollenkonflikt mit sich.
«Gerade Frauen, die neu eine Führungsposition übernehmen, sind oft verunsichert, wie mit diesem Rollenkonflikt umgehen sollen», sagt Aline Baumann, Absolventin des MAS Communication Management and Leadership. Ein entscheidender Faktor, ob dieser Balance-Akt gelingt, sei die Art und Weise, wie jemand auftritt. Deshalb hat die langjährige Fernsehmoderatorin in ihrer Masterarbeit die Erfolgsfaktoren für die Auftrittskompetenz von Frauen in Führungspositionen untersucht. Ihre Arbeit wurde als die beste ihres Jahrgangs ausgezeichnet.
«Die Frau muss entscheiden, ob sie das männliche Dominanzverhalten übernimmt»
«Mich hat das Thema von Anfang an sehr interessiert, wie relevant es aber tatsächlich ist, wurde mir erst im Laufe der Arbeit bewusst.», erinnert sich Aline Baumann. Ihre Untersuchung hat gezeigt, dass es sehr viele Frauen in Führungspositionen beschäftigt. Denn je höher eine Frau in der Hierarchie aufsteigt, desto unausgeglichener das Geschlechterverhältnis. In einem männerdominierten Umfeld gelten eigene Spielregeln, das zeigt Wissenschaft und Praxis. «Die Frau muss dann entscheiden, ob sie diese Spielchen mitspielt und das männliche Dominanzverhalten übernehmen will und wenn nicht, wie sie sich dennoch behaupten kann.»
Die MAS-Absolventin betont, dass es sich hier um Tendenzen handelt. «Ich möchte nichts pauschalisieren, es gibt genauso Frauen in Führungspositionen, die keine Rollenkonflikte erleben, wie es Männer gibt, die sich als Führungsperson nicht an dem stereotypischen Dominanzverhalten beteiligen.»
Auftrittskompetenz als Werkzeug
Auftrittskompetenz sei ein mächtiges Werkzeug, um sich in diesem Spannungsfeld sicher zu bewegen und wohlzufühlen. Denn wenn jemand sicher auftritt, entscheidet das schnell darüber, ob die Person akzeptiert wird. Um herauszufinden, welches die Faktoren sind, die einen gelungenen Auftritt für Frauen in Führungspositionen ausmachen, hat Aline Baumann im Rahmen ihrer Masterarbeit eine qualitative Befragung von langjährigen Auftrittstrainer:innen durchgeführt. Die Ergebnisse lassen sich in zwei Kategorien unterteilen.
1. Erfolgsfaktoren Auftrittskompetenz
Das sind die nicht geschlechtsspezifischen Faktoren für einen gelungenen Auftritt. Hier geht es um ein harmonisches Zusammenspiel des Inhalts, der Körpersprache und der Stimme. «Im Zentrum steht, die inhaltliche Klarheit», so Baumann. «Die Person muss wissen, was sie sagen will und inhaltlich klar sein, auf den Punkt kommen.» Stimme und Körpersprache wirken dabei unterstützend. Sie sind entscheidende Faktoren, ob die inhaltliche Botschaft bei den Empfänger:innen richtig ankommt.
2. Geschlechtsspezifische Faktoren
Diese Faktoren beschreiben generell, was Frauen in Führungspositionen erfolgreich macht – sie sind nicht bezogen auf die Auftrittskompetenz. «Das Wichtigste ist, dass Frauen nicht in einen Machtkampf gehen und kein männliches Dominanzverhalten übernehmen.» Stattdessen empfehle sich eine freundliche Hartnäckigkeit, Angebote zur Kooperation vorlegen und Fragen zu stellen. Ausserdem sollen Frauen ihrem Typ entsprechend weiblich auftreten. Als unterstützende Basis helfen Frauennetzwerke zur gegenseitigen Ermutigung.
4 Tipps für mehr Sicherheit im Führungsalltag
Aline Baumann hat dann geschaut, wie diese beiden Faktoren, die Erfolgsfaktoren für Auftrittskompetenz und die Erfolgsfaktoren für Führungspersonen, zusammenhängen. Daraus abgeleitet ergaben sich Tipps, wie sich Frauen in einem männerdominierten Umfeld durchsetzen und erfolgreich kommunizieren können.
- Selbstwert stärken
Frauen lassen sich tendenziell schneller verunsichern als Männer. Dies zeigt sich beispielsweise, wenn sie in eine höhere Position aufsteigen und eine neue Rolle übernehmen. Der Weg zum Kommunikationserfolg liegt für Frauen in der Stärkung des Selbstwertgefühls und im Vertrauen auf die eigenen Kompetenzen. - Durchsetzungsstrategien einüben
Wenn Frauen das männliche Dominanzverhalten nicht übernehmen sollen, brauchen sie Handlungsalternativen. Durchsetzungsstarkes Argumentieren und Schlagfertigkeit lassen sich trainieren. Im Grundsatz geht es darum, klar und souverän aufzutreten, die eigene Position diplomatisch zu vertreten, das nötige Einschätzungsvermögen für den Gesprächspartner zu haben und auf manipulatives Verhalten angemessen, sachlich zu reagieren. Auch Ansätze aus der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) können für Frauen in Führungspositionen in diesem Zusammenhang hilfreich sein. Denn bei Durchsetzungsstrategien geht es nicht darum, sich auf Kosten eines Schwächeren durchzusetzen. - Den eigenen authentischen Stil finden
Die Durchsetzungskraft einer Person ist eng an die Authentizität in der Kommunikation gebunden. Hier geht es um Persönlichkeitsentwicklung. - Auftrittstraining
All das kann in einem Auftrittstraining angegangen werden. Frauen sollen reflektieren, wer sie – ganz individuell als Person – sind. Mit einer ganzheitlichen Begleitung können der eigene, individuelle Kommunikationsstil und passende Durchsetzungsstrategien trainiert werden.
«Man muss keine Rampensau sein»
Gut führen gehe auch ohne perfekte Auftrittskompetenzen, betont Aline Baumann. «Man muss keine Rampensau sein, um als Führungskraft gut zu kommunizieren. Es braucht Fachkompetenz, Menschlichkeit und Authentizität – dann hat man schon viel.»
Ein ganzheitliches Auftrittstraining, das stark auf die individuelle Persönlichkeit eingeht und diese nicht verändert, sondern weiterentwickelt, ist ein Werkzeug, um sich im Führungsumfeld sicher zu bewegen – dies gilt sowohl für Frauen als auch für Männer. Denn männliches Dominanzverhalten komme nie gut an – nur werde es bei Frauen tendenziell noch schlechter gewertet als bei Männern.
So geht es schlussendlich immer um Authentizität und darum den Rollenkonflikt Frau vs. Führungsperson aufzulösen. Darum, in diesem Spannungsfeld gut zu agieren, ohne sich zu verbiegen, zu bleiben, wer man – oder eben frau – ist. Aline Baumann zitiert Tinu Niederhäuser, Auftrittstrainer und einer ihrer Interviewpartner: «Führung ist leider noch immer eine Männerwelt, je höher man kommt, desto männerdominierter wird es. Ich glaube, für Frauen ist es wichtig, dass sie sich in dieser Männerwelt nicht anpassen.»
Über Aline Baumann:
Die langjährige Moderatorin und Journalistin arbeitet heute als Kommunikatorin in der F/E Agentur. Daneben ist sie Dozentin für Auftrittskompetenz an der TDS Aarau. Sie liebt Kommunikation und sie liebt Menschen. Auftrittstraining ist für sie die Kombination – und damit eine Herzensangelegenheit. 2024 hat sie den MAS Communication Management and Leadership abgeschlossen. Ihre Abschlussarbeit «Erfolgsfaktoren für die Auftrittskompetenz von Frauen in Führungspositionen» wurde als die beste ihres Jahrgangs ausgezeichnet.
CAS Leadership
Im CAS Leadership festigen Kommunikationsprofis Ihre Führungskompetenzen. Sie bereiten sich darauf vor, die Leitung einer Kommunikationsabteilung oder eine Führungsposition in einer Agentur oder einer Redaktion zu übernehmen. Sie reflektieren die Ziele, Aufgaben und Erwartungen im Kontext der Organisation und lernen, Ihre Rolle aktiv zu gestalten.
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