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Game-Lokalisierung ist kein Kinderspiel

Wie beeinflusst Game-Lokalisierung das Spielerlebnis und warum ist sie entscheidend für den Erfolg von Videospielen? In ihrer Masterarbeit hat sich die passionierte Gamerin Christina Capizzi mit der Lokalisierung von Videospielen befasst. Im Beitrag teilt sie Insights aus beiden Welten: Übersetzen und Gaming.

Autorin: Christina Capizzi, Absolventin Master Language and Communication, Vertiefung Multilingual Communication Management (bisher: Master Angewandte Linguistik, Vertiefung Fachübersetzen)

Meine ersten Erfahrungen mit Videospielen machte ich schon als Kind mit der Spielkonsole meines Vaters, einem SEGA Megadrive II. Es sind über 20 Jahre vergangen, und moderne Videospiele sehen heute nicht mehr so aus wie früher. Technologische Fortschritte, leistungsstärkere Spielkonsolen und die Erhöhung der Speicherkapazität haben die Entwicklung von Videospielen stark beeinflusst: In den 1960er und 1970er Jahren basierten die meisten Spiele auf einer klaren und einfachen Spielmechanik mit sehr wenig Text. Heute übernehmen die Sprache und die Lokalisierung eine immer wichtigere Funktion für das Verständnis und die Immersion in die Spielwelt.

Christina Capizzi hat in ihrer Masterarbeit die Lokalisierung von Games untersucht.

Was ist Lokalisierung und warum ist sie wichtig?

Die Praxis der Softwarelokalisierung entstand in den 1980er Jahren als Folge der Globalisierung der IT-Industrie. Die Lokalisierung ist ein Prozess der Anpassung eines Produkts an die Bedürfnisse eines bestimmten Marktes. Dabei werden nicht nur die Sprache, sondern auch die Kultur, die Erwartungen, die lokalen Normen und Vorschriften berücksichtigt.

Bei der Lokalisierung unterscheiden sich Videospiele  massiv von anderen Softwarearten: Während sich die Softwarelokalisierung im Allgemeinen darauf konzentriert, die Funktionalität des Produkts zu erhalten, geht es bei der Lokalisierung von Videospielen besonders um das Erlebnis, die Immersion in der Spielwelt und die emotionale Bindung zwischen Benutzer:innen und Videospiel.

Ein wesentlicher Teil der Interaktion zwischen Benutzer:innen und Videospiel erfolgt über Kommunikation und Sprache: Spieler:innen müssen aufgrund der vom Spiel stammenden Informationen aktiv Entscheidungen treffen. Angesichts des interaktiven Charakters von Videospielen liegt also auf der Hand, dass Mängel bei der Lokalisierung sich negativ auf die Spielbarkeit und das Spielerlebnis auswirken können.

Wie funktioniert Lokalisierung?

Beim Lokalisierungsprozess wird die Software in einzelne Komponenten, so genannte assets, aufgeteilt, mit welchen Spieler:innen interagieren: Textuelle, grafische, akustische und filmische Komponenten aus dem Spielcode müssen übersetzt oder angepasst werden.

Klassifizierung von übersetzbaren Komponenten in Spielen (eigene, angepasste Darstellung nach O’Hagan & Mangiron 2013: 155ff.)

Der Vielfalt der in der Software enthaltenen Textarten und die verschiedenen Einschränkungen, denen sie unterliegen, machen unterschiedliche Übersetzungsstrategien innerhalb eines einzigen Spiels notwendig:

  • Die Übersetzung von Erzähltexten, Dialogen und Liedern ist oft eher mit der Übersetzung von literarischen Texten vergleichbar,
  • während Systemmeldungen und Tutorials eine informativere Funktion aufweisen.
  • Bei der Anpassung der Benutzeroberfläche muss unter anderem die Länge und Richtung des Textes berücksichtigt werden.
  • Und auch Bilder, Symbole und kulturelle Referenzen müssen für die Zielkultur angepasst werden.

Das Forschungsziel: Kein Kinderspiel

Als Spielerin habe ich während des Studiums angefangen, mich zunehmend mit Fragen zur Lokalisierung von Videospielen zu beschäftigen. Aus diesem Grund war es für mich sehr spannend, dieses Thema in meiner Masterarbeit vertieft erforschen zu dürfen.

Obwohl die Lokalisierung als eine der Voraussetzungen für die erhöhte Spielbarkeit und ein immersives Spielerlebnis angesehen wird, gibt es noch relativ wenige Rezeptionsstudien, welche die Wahrnehmung und Akzeptanz lokalisierter Videospiele bei den Spieler:innen untersuchen.

Ich wollte in meiner Masterarbeit deshalb zum einen untersuchen, wie und wie gut die textuellen, grafischen und akustischen Komponenten von Videospielen für den italienischen Markt lokalisiert sind. Zum anderen wollte ich die Wahrnehmungen und Erwartungen von italienischsprachigen Gamer:innen – in Italien und der Schweiz – in Bezug auf die Lokalisierung von Videospielen untersuchen.

Für den ersten Teil der Untersuchung analysierte ich 82 Videospiele, wovon ich 48 selbst gespielte und die Spielsessionen aufzeichnete. Insgesamt analysierte ich über 40 Stunden Spielsessionen. Das Verfahren erwies sich als sehr zeitaufwändig, doch für das Ergebnis hat es sich auf jeden Fall gelohnt! Für den zweiten Teil entwarf ich einen Fragebogen.

Was ist bei der Analyse der Spielsessionen herausgekommen?

Es gäbe viel zu berichten über die analysierten Spielsessionen. Hier meine zwei wichtigsten Ergebnisse:

Grafische Komponenten werden in der Regel nicht übersetzt, sondern in der Originalsprache belassen, obwohl auch sie übersetzbar wären. Dies gilt

  • sowohl für Spiele, die erfundene Spielwelten darstellen (z.B. Borderlands 3),
  • als auch für diejenige, die sich an realen Orten inspirieren und diese ganz oder teilweise wiedergeben (z.B. Watch Dogs: Legion),
  • unabhängig davon, ob diese nur teilweise (italienisch untertitelt, z.B. Grand Theft Auto V) oder vollständig (italienisch synchronisiert) lokalisiert sind.
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Watch Dogs: Legion spielt in einem futuristischen, fiktiven London. Die grafischen Komponenten auf Englisch erhöhen dabei die Immersion.

Zudem konnte ich bestätigen, was bereits in anderen Studien beschrieben wurde: Die Untertitel sind

  • in vielen Fällen länger als zwei Zeilen, und
  • die Zeilenumbrüche halten sich in den meisten Spielen nicht an die Syntax und Logik des Satzes.
  • Zudem sind die Untertitel oft schwer lesbar, weil die Hintergrundfarbe hell ist. Natürlich gibt es auch Spiele, die die Möglichkeit bieten, die Untertitel mit einem schwarzen Farbfeld zu hinterlegen und die Schriftgrösse der Untertitel anzupassen. Bei den analysierten Spielen waren diese jedoch in der Unterzahl.
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Die Untertitel sind auf dem hellen Hintergrund kaum zu sehen und schwer lesbar.
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Die Untertitel sind in der Grösse und durch die schwarze Farbfläche gut lesbar.

Welche Rolle spielt die Lokalisierung für italienischsprachige Gamer:innen?

Wenn es darum geht, ein Spiel zu kaufen, scheinen das Vorhandensein der italienischen Lokalisierung sowie die Qualität der Übersetzung wenig Einfluss zu haben:

  • Dreiviertel der 141 befragten Spieler:innen würden ein nicht auf Italienisch lokalisiertes Spiel trotzdem kaufen.
  • Als Gründe gaben sie an, das Produkt aufgrund des Genres, der Spielgeschichte und des bereits bekannten Entwicklerstudio oder Publishers zu kaufen. Darüber hinaus verlassen sie sich auf Rezensionen anderer Spieler:innen.

Die Qualität der Übersetzung gewinnt erst an Bedeutung, wenn es um die Beurteilung des Spielerlebnisses geht:

  • Etwa die Hälfte der Befragten sieht eine gelungene Übersetzung als Schlüssel für ein immersives Spielerlebnis, für die Kommunikation mit anderen Spieler:innen und für das Verständnis der Spielmechanik.
  • Auch auf die Qualität der Synchronisation legen die Teilnehmenden grossen Wert, und sie entscheiden sich bewusst für andere Sprachen (z.B. Englisch), wenn sie die italienische Lokalisierung nicht überzeugt.

Eine erfolgreiche Lokalisierung erfordert aber nicht unbedingt eine vollständige Anpassung an die Zielkultur – jedenfalls nicht für alle Spieler:innen:

  • Für manche Spieler:innen ist eine vollständige Lokalisierung für die Immersion in die Spielwelt ausschlaggebend.
  • Für andere wird ein authentischeres und realistischeres Spielerlebnis hingegen gerade dadurch erreicht, dass die Sprache beibehalten wird, die den Spielkontext widerspiegelt.

Spieler:innen ziehen es im Allgemeinen vor, wenn in lokalisierten Videospielen das ursprüngliche Spielgefühl erhalten bleibt:

  • Eigennamen und kulturelle Bezüge sollten also nicht übersetzt werden.

Und nebenbei: Die Befragten lehnen fast einstimmig ab, wenn anstössige Inhalte zensuriert werden.

Gedanken für die Zukunft – für die Videospielindustrie und die Wissenschaft

Die Videospielindustrie gewinnt immer mehr an Bedeutung und die Spieler:innen sind sich ihrer Wahlmöglichkeiten sehr bewusst. Deshalb könnte die Mitwirkung von Gamer:innen am Lokalisierungsprozess sowohl für die Industrie als auch für die Wissenschaft von Vorteil sein. Denn sie können Mängeln und kulturelle Unterschiede leicht identifizieren. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen könnten sich zudem mit Spielen befassen, die von den Nutzer:innen als besonders gelungene Beispiele für eine erfolgreiche Lokalisierung empfunden werden, um bessere Lokalisierungspraktiken zu entwickeln. 

Was sind deine Erfahrungen mit Videospielen? Spielst du in deiner Muttersprache und bist du mit der Lokalisierung zufrieden? Oder spielst du sie lieber in der Originalsprache? Schreib deine Erfahrung in den Kommentaren. Deine Meinung interessiert mich!



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