Interne Kommunikationsberatung gewinnt zunehmend an Bedeutung. Warum das so ist, über welche Kompetenzen Kommunikationsberater:innen verfügen müssen und wie die Balance zwischen strategischer Beratung und operativer Umsetzung erfolgreich gemeistert werden kann, erklärt Dr. Pia Krisch im Interview. Sie leitet die Gruppenkommunikation von Raiffeisen Schweiz und doziert im CAS Kommunikationsberatung.
Pia Krisch, die interne Kommunikationsberatung – also die Beratung von Fachspezialist:innen und Führungspersonen von Raiffeisen durch Mitarbeitende der Gruppenkommunikation – gewinnt bei euch zunehmend an Bedeutung. Woran liegt das?
Umfang und Komplexität von kommunikativen Aufgaben haben zugenommen. Bei Entscheidungen gibt es selten ein klares «Richtig» oder «Falsch», vielmehr sind Chancen und Risiken abzuwägen – oft unter Zeitdruck. Es gibt mehr Stakeholder, die Öffentlichkeit ist fragmentierter, die Aufmerksamkeitsspanne kleiner. Unternehmerische Entscheide müssen gut erklärt werden und in ein Gesamtbild eingeordnet werden können. Eine Kommunikationsabteilung kann hier einen Mehrwert leisten. Wir sind wirkungsvoller, wenn wir mit am Tisch sitzen, bevor unternehmerische Entscheide mit kommunikativer Tragweite getroffen werden, als wenn wir versuchen, Entscheide und ihre Konsequenzen im Nachhinein kommunikativ abzubilden.
Wie versteht ihr eure Rolle als Kommunikationsberater:innen bei Raiffeisen?
Wir verstehen uns als Sparringspartnerin, aber auch als Dienstleisterin. Der Fokus lag lange Zeit auf der Umsetzung von Kommunikationsmassnahmen, also im Kommunikationsmanagement. Mit der zunehmenden Komplexität des Geschäfts vertrauen immer mehr interne Stakeholder der Expertise der Gruppenkommunikation. Als Berater:innen treffen wir keine inhaltlichen Entscheidungen, sondern wirken unterstützend. Dazu müssen wir die richtigen Fragen stellen können. Problemlösungsfähigkeit, ständige Bereitschaft zum Lernen und Integrität sind wichtig für uns. Wir müssen Teamplayer sein.
Als Berater:innen trefft ihr keine inhaltlichen Entscheidungen, trotzdem müsst ihr als Kommunikationsspezialist:innen die Reputation des Unternehmens sicherstellen. Wie gelingt euch dieser Balanceakt?
Meiner Erfahrung nach ist eine prinzipienorientierte Vorgehensweise entscheidend für den Erfolg der Beratung. Für Standardfälle in der Kommunikation gibt es Regeln, die wir vorgeben. Bei Situationen und Themen, die spezifisch sind, beraten wir.
Dazu müssen wir objektiv und sachlich die Situation definieren – gemeinsam mit der ratsuchenden Person. Alle Aspekte müssen beleuchtet werden: Wo liegen Chancen, wo Risiken? Wie können wir Anschlussfähigkeit gewährleisten? Ich muss als Beraterin in der Lage sein, das Thema zu erfassen, es darzustellen und gleichzeitig dem Gegenüber aufzuzeigen, welche Einflussfaktoren es sonst noch gibt. Wenn ich diese Faktoren klar – und wo notwendig, auch mit Beharrlichkeit – aufzeigen kann, gelingt der Balanceakt in der Regel gut.
Welche Herausforderungen bringt der Wechsel von der operativen Umsetzung hin zur internen Beratung bei euch mit sich?
Es ist kein vollständiger Wechsel, wir setzen immer noch um. Die Beratung nimmt aber einen grösseren Stellenwert ein. Und damit hat sich auch das Arbeiten in der Gruppenkommunikation verändert. Denn als beratende Person ist es meine Aufgabe, gemeinsam mit den am Thema beteiligten Personen die Situation zu analysieren und Lösungswege aufzuzeigen. Aber ich muss meinem Gegenüber auch vermitteln, dass ich im Rahmen eines Beratungsprozesses gewisse Dinge nicht mehr tue, sondern der Fachbereich zum Beispiel für die Umsetzung einer internen News verantwortlich ist. Hier braucht es Selbstvertrauen. Dieser Prozess ist auch ein persönlicher Entwicklungsprozess und passiert nicht von heute auf morgen.
Wie können Kommunikationsleitende ihre Abteilung bzw. Mitarbeitenden stärker als Berater:innen positionieren und weniger auf die reine Umsetzung fokussieren?
Zentral ist das Selbstverständnis der Mitarbeitenden. Sie müssen Beratung – ihre neue Rolle und den Beratungsprozess bzw. die Systematik – verstehen. Wichtig dabei sind klare Grenzen. Wir haben keine unbegrenzten Kapazitäten; umsetzungsorientierte Aufgaben werden grösstenteils durch beratende Tätigkeiten ersetzt. Über die Zeit etabliert sich so eine neue Form der Zusammenarbeit.
Welche Kompetenzen braucht es für eine erfolgreiche interne Kommunikationsberatung?
Es braucht eine gesamtheitliche Denkweise und analytische Fähigkeiten. Kommunikationsberatende bei Raiffeisen müssen in der Lage sein, Komplexitäten zu reduzieren respektive Dinge einzuordnen. Das kommunikative Handwerk wie zum Beispiel Schreibkompetenz setzen wir voraus.
Und wie entwickelt ihr die Mitarbeitenden der Gruppenkommunikation gezielt weiter, damit sie diese Beratungsrolle optimal ausfüllen können?
Wir haben die Mitarbeitenden in die Erarbeitung des Zielbilds einer «beratungsorientierten Kommunikation» eingebunden. Damit wir uns schnell weiterentwickeln, wird der Ansatz in Junior-Senior-Tandems an konkreten Beispielen fortlaufend diskutiert.
Nebst deiner Tätigkeit bei Raiffeisen dozierst du bei uns im CAS Kommunikationsberatung. Was fasziniert und begeistert dich persönlich an Beratung?
Ich mag den konstruktiv-kritischen Diskurs mit Menschen und durchdringe gerne neue Themen. Eine möglichst gesamtheitliche und strategische Beratung geben zu können, ist mein Ziel.
Vielen Dank für das Gespräch.
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