Kommunikator:innen müssen für die Anliegen ihrer Organisation brennen – das ist gemäss Carola Etter-Gick, Leiterin Fachbereich Kommunikation und Mediensprecherin beim SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, einer der Erfolgsfaktoren für eine gelungene politische Kommunikation. In unserem CAS Politische Kommunikation beleuchtet sie das Thema Verbandskommunikation. Im Interview erläutert sie, weshalb Intermediäre wie Verbände für das politische System der Schweiz eine tragende Rolle spielen, inwiefern gute strategische Kommunikation hilft, politische Anliegen durchzusetzen und wie intermediäre Organisationen aktuelle Herausforderungen meistern können.
Autorin: Lara Attinger
Du beschäftigst dich seit 15 Jahren in der einen oder anderen Form mit politischer Kommunikation. Was an diesem Thema fasziniert dich?
Carola Etter-Gick: Die Arbeit an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist super spannend. Diese drei Systeme funktionieren unterschiedlich und bedingen einander zugleich. Deshalb muss man alle drei Systeme verstehen, Zugang zu ihnen finden und die Akteure mit den geeigneten Themen und Botschaften erreichen. Genau das ist es, was mir Spass macht: Ich versetze mich gerne in diese Systeme und deren Akteure hinein und überlege mir, was ihre Ziele sind und wie wir sie für unsere Anliegen gewinnen können. Dass ich selbst schon verschiedene Rollen in der politischen Arena innehatte, hilft mir sicher. Als ehemalige Kantons- und Stadtparlamentarierin, aber auch als politische Sekretärin, habe ich mich mit den Parteien als Sturmspitze befasst. Beruflich war ich bei economiesuisse und aktuell beim SIA, kenne also die Rolle der Intermediäre auch als Mittelfeldspieler. Ausserdem würde ich mich als aktive Bürgerin bezeichnen, und vor meiner Tätigkeit in der Organisationskommunikation war ich als Journalistin für verschiedene Printmedien unterwegs.
Im CAS Politische Kommunikation vertiefst du das Thema Verbandskommunikation. Weshalb spielen Verbände zusammen mit anderen intermediären Organisationen wie Parteien oder Vereinen im politischen System der Schweiz eine tragende Rolle?
Die Intermediäre bündeln die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger oder einer besonderen Gruppe. In meinem Fall, dem SIA, vertreten wir die Planerinnen und Planer, die gemeinsam wirkungsvoll sind für einen nachhaltig gestalteten Lebensraum. Diese Vision betrifft uns alle und schneidet verschiedene aktuelle Vorlagen wie das Raumplanungsgesetz, den Mantelerlass oder Themen zum öffentlichen Beschaffungswesen an. Unser Milizsystem und die Konkordanzdemokratie geben den Intermediären eine starke Rolle. Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind auf das Expertenwissen der Verbandsfunktionäre angewiesen. Und da viele Verbände zudem ressourcenstärker sind als die Parteien, können und müssen sie sich mit ihrem Hintergrundwissen massgeblich an der Suche nach einer Einigung, der schliesslich eine Mehrheit des Parlaments zustimmt, beteiligen. Ich sage müssen, weil eine tragfähige Lösung auf Fakten basiert, die durch Expertinnen und Experten ins System getragen werden. Ankündigungspolitik bringt keine Maximierung des Gemeinwohls – die Suche nach Lösungen ist echte Knochenbüez.
Welche Bedeutung hat politische Kommunikation für Intermediäre, damit diese ihrer Rolle gerecht werden können?
Nur mittels geschickter Kommunikation können sich Intermediäre in die Suche nach Lösungen einbringen. Interessensvertretung will gelernt sein, und jede Lobbyistin oder jeder Lobbyist muss sie sich erarbeiten. Für mich ist Lobbying übrigens vor dem Hintergrund der vorherigen Antwort kein Schimpfwort – im Gegenteil. In jeder Sachvorlage müssen sich die Verbände überlegen, mit wem sie eine Allianz eingehen, von wem sie sich abgrenzen, und wie sie ihre Zielgruppen erreichen. Das ist reines Kommunikationshandwerk.
Verbände und andere intermediäre Organisationen haben aktuell grosse Herausforderungen zu überwinden. Unter anderem differenziert sich die Gesellschaft immer weiter aus. Das führt dazu, dass sich immer weniger Personen bereit sind, Verbänden, Vereinen oder Parteien beizutreten. Inwiefern kann politische Kommunikation einen Beitrag leisten, um diese Herausforderungen zu überwinden?
Mit der Mitgliederzahl steigt der Organisationsgrad, und ein Verband hat mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung. Deshalb ist es wichtig, dass die Intermediäre in die Mitgliederkommunikation investieren. Ich erläutere das gerne am Beispiel meines Arbeitgebers: Ein einzelner Architekt oder ein Ingenieurbüro entscheidet sich für eine SIA-Mitgliedschaft, wenn der Mehrwert ersichtlich ist. Dieser kann insbesondere im Netzwerk innerhalb der Branche, im Zugang zu Informationen oder zu Weiterbildungen, in der Interessensvertretung oder in konkreten Benefits liegen. In all diesen Disziplinen müssen wir top sein – und Kommunikation kann eben zu all dem einen Beitrag leisten.
Aus deiner Erfahrung, was sind die häufigsten Fehler, die Verbände oder andere intermediäre Organisationen in der Praxis in ihrer Kommunikation machen?
Die Welt dreht sich nicht um die eigene Organisation oder die Branche der Mitglieder. Innen- und Aussensicht in die Kommunikationsstrategie einzubeziehen und daraus die Massnahmen abzuleiten, ist fundamental wichtig. Deshalb kann ein Corporate Newsroom die Organisationskommunikation von Intermediären effizienter und effektiver machen. Ich bin überzeugt davon und darf dieses Modell zurzeit im SIA einführen – das ist definitiv mehr als eine Modeerscheinung.
Was sind deine wichtigsten Tipps für eine erfolgreiche politische Kommunikation von Intermediären? Und weshalb lohnt es sich, das Thema im Rahmen des CAS Politische Kommunikation zu vertiefen?
Seit ich den CAS Politische Kommunikation 2010 selbst absolvierte, hat sich die politische Kommunikation stark professionalisiert. Veränderungen hielten Einzug, teilweise mit rasantem Tempo. Ich denke etwa an die sozialen Medien, die anfänglich Wahlkämpfe und Abstimmungskampagnen beschleunigten, rasch aber die Kommunikation zu einzelnen Sachvorlagen und teilweise sogar die privaten Momente der Politikerinnen und Politiker prägten. Wer in diesem raschen und hochkomplexen Umfeld erfolgreich kommunizieren möchte, braucht gute Strategien und bestechende Massnahmen. Erfolgreiche Kommunikatorinnen und Kommunikatoren im politischen Kontext müssen ihr Handwerk gelernt haben und beherrschen. Am wichtigsten ist aber, dass sie für ihre Organisation und deren Anliegen brennen – und dass sie mit Herzblut für ihre Stakeholder ans Werk gehen.
Zur Person
Carola Etter-Gick ist seit über 15 Jahren in verschiedenen Positionen der Organisationskommunikation tätig. Aktuell leitet Sie die Kommunikation des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA). Gemeinsam mit ihrem zehnköpfigen Team gestaltet sie die Kommunikation des Planungsbranchenverbands auf strategischer und operativer Ebene. Zurzeit befindet sich der Verband auf dem Weg zu einem Corporate Newsroom mit dem Ziel, sich noch rascher in die vielfältigen Diskurse rund ums Planungs- und Bauwesen einzubringen. Diesen Newsroom baut Carola Etter-Gick ab Sommer in ihrer neuen Funktion als Verantwortliche Content und Kommunikation auf – gemeinsam mit den drei Fachbereichen Kommunikation & Public Affairs, Kernthemen sowie Vereinskoordination. Im CAS Politische Kommunikation beleuchtet sie die Verbände als Akteure im politischen System Schweiz und vertieft deren Kommunikationspraxis.
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