Fast 24/7 sind wir von Informationen umgeben: Nachrichten, Meinungen, Geschichten und Unterhaltungen prasseln im Sekundentakt auf uns ein. Das macht die Unterscheidung zwischen Relevanz, Wahrheit und Täuschung nicht immer einfach. Dies haben auch unsere Studierenden im Bachelor Kommunikation & Medien im Modul «Kritisches Denken» anhand eines Experimentes erfahren. Scheinbar simple Fragen führten zu überraschenden Ergebnissen und enthüllten den Einfluss von unbewussten Denkmustern.
Autorin: Kyra Jetzer
Es ist 14 Uhr und die Studierenden im Studiengang «Kommunikation & Medien» sitzen verteilt im Hörsaal. Die Laptops sind aufgeklappt, die Getränke stehen daneben und Marcel Montanari richtet noch kurz das Mikrofon, bevor er die dreistündige Vorlesung des Moduls «Kritisches Denken» eröffnet. Das Thema des Tages: Kognitive Verzerrung.
Unbewusst beeinflusst
Die Vorlesung startet gleich mit einem Experiment: Die Studierenden loggen sich in der Lernplattform Moodle ein und beantworten intuitiv Fragen zu verschiedenen Situationen. Beispielsweise:
- Beträgt die Höhe des grössten Küstenmammutbaums mehr oder weniger als 366 Meter?
- Wie hoch ist Ihrer Meinung nach der grösste Küstenmammutbaum?
Was die Student:innen dabei nicht wissen ist, dass bei der Hälfte der Teilnehmenden in der ersten Frage 55 Meter anstatt 366 Meter stand. Ein kleiner Unterschied mit grosser Wirkung: Die Gruppe, welche die Frage mit 366 Meter beantwortete, schätzte den grössten Küstenmammutbaum im Durchschnitt auf 277 Meter. Die Studierenden der anderen Gruppe gaben eine Durchschnittsgrösse von 65 Meter an.
Eine Erklärung dafür liefert der Ankereffekt. Er beschreibt, dass Menschen Umgebungsinformationen in ihre Entscheidungen miteinfliessen lassen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Die aufgenommenen Informationen dienen demnach als Anker für die Antwort, was die grosse Differenz der Antworten der Studierenden beweist.
Neben dem Ankereffekt geht Montanari in seiner Vorlesung auch auf weitere Bereiche der kognitiven Verzerrung ein. Unternehmen verwenden beispielsweise gerne und oft den Halo-Effekt. Dieser beschreibt die Tendenz, faktisch unabhängige oder nur mässig korrelierende Eigenschaften von Personen oder Sachen fälschlicherweise als zusammenhängend wahrzunehmen. Zum Beispiel wird eine attraktive Person für sympathisch oder eine Person mit Brille für schlau gehalten.
Das Experiment und die Beispiele von Montanari zeigen gut, wie wir uns unbewusst von Denkmustern, Vorurteilen und Umgebungsinformationen beeinflussen lassen. Ebenso verdeutlichen sie die Wichtigkeit von kritischem Denken.
Richtig verstanden werden
Laut ChatGPT ist kritisches Denken eine Fähigkeit, um Informationen objektiv analysieren, bewerten und interpretieren zu können, sodass fundierte Entscheidungen getroffen werden können. Montanari beschreibt es als wissenschaftliche Disziplin, die dazu befähigt, Argumentationslinien betreffend ihrer Logik und ihrem Inhalt zu prüfen.
«Wir zeigen den Studierenden, wie man Fake News entlarven und mit kognitiven Verzerrungen umgehen kann. Wenn sie in der Kommunikation und im Journalismus tätig sein wollen, müssen sie sich bewusst sein, dass wir als Menschen Dinge unterschiedlich und vor allem nicht vorurteilsfrei wahrnehmen», erklärt Montanari. Es ist zudem wichtig zu verstehen, dass die gewählte Formulierung einen direkten Einfluss auf die getroffene Aussage hat und dadurch diverse Wahrnehmungen hervorrufen kann. «Wenn man richtig verstanden werden will, muss man sich zuerst richtig ausdrücken können», ergänzt Marcel Montanari.
Das bewusste Formulieren, kritisches Hinterfragen oder das Erkennen von Fake News kann trainiert werden, betont Montanari: «Am besten setzt man sich aktiv mit Beispielen kognitiver Verzerrungen, Fehlschlüssen in Argumentationen und Manipulationen auseinander. Eigentlich genau so, wie wir es im Kurs machen.»