Jessica Stauffer, Absolventin des Bachelors Sprachliche Integration, ist nach dem Studium beruflich durchgestartet. Seit August 2023 leitet sie den Schulbereich in einer Asylunterkunft im Kanton Thurgau. Wie das Studium ihr geholfen hat, Fuss in ihrem Traumjob zu fassen, erfährst du im Blogbeitrag.
Autor: Joshua Bartholdi
Mit 15 Jahren war für Jessica klar, dass sie später einmal Asylsuchenden Deutsch unterrichten möchte. Sie besuchte damals eine Asylunterkunft, in der ihre Tante als Sozialarbeiterin tätig war, und erlebte den Deutschunterricht mit. Dabei sprang der Funken über. Während der Fachmittelschule absolvierte Jessica ihr einjähriges Praktikum in der Asylunterkunft Frauenfeld und unterrichtete erstmals Deutsch. Eine Erfahrung, die ihr bestätigte, dass sie auf dem richtigen Weg war. Doch wie kann man in diesem Berufsfeld Fuss fassen? Welche Ausbildung ist zielführend? Darauf hatte sie keine Antwort; bis sie eine Kollegin auf den brandneuen Studiengang Sprachliche Integration aufmerksam machte. Nach drei Jahren Studium steht sie nun dort, wo sie sein möchte: «Ich arbeite in einer Asylunterkunft, ich unterrichte Deutsch und ich habe das Know-how, wie es richtig geht.» Während ihres Praktikums sei das noch ganz anders gewesen. Als Ankerpunkt diente ihr damals lediglich das Lehrmittel, das sie mit der Klasse durcharbeitete. Von Methodenvielfalt, Binnendifferenzierung und Möglichkeiten der Sprachvermittlung hatte Jessica noch keine Ahnung.
Ein breites Profil ist gefragt
Als die letzten Lehrveranstaltungen und Prüfungen sich am Horizont abzeichneten und sich das Ende des Studiums ankündigte, begegnete Jessica schliesslich einer Stellenanzeige: Deutschlehrperson, in der Asylunterkunft Landschlacht. Sie bewarb sich und wurde zu einem Gespräch eingeladen, bei dem sie auf die vielseitigen Inhalte ihres Studiums einging. Jessica überzeugte als qualifizierte Deutschlehrerin und erhielt gleich das Angebot, als Schulverantwortliche für die Erstintegration ihre Expertise in die Asylunterkunft einzubringen.
In dieser auf sie zugeschnittene Funktion leitet sie heute die Schule mit 120 Schülerinnen und Schüler und darf ein breites Spektrum an Aufgaben zu ihrem Alltag zählen: Bei Neueintritten erkundigt sie sich zuerst, ob die Asylsuchenden bereits Schulerfahrungen haben. Danach lässt sie sie einen Text lesen und, falls das möglich ist, führt sie ein Diktat durch. Mit diesen Informationen teilt Jessica die Asylsuchenden den unterschiedlichen Niveaustufen zu – beispielsweise in einen Alphabetisierungs- oder einen Einstiegskurs. Zusätzlich erarbeitet und koordiniert sie die Stundenpläne und verfasst Lernberichte zuhanden der Integrationsfachstelle. Nebst den Deutschlektionen führt Jessica auch Integrationskurse durch, in denen Themen zum Leben in der Schweiz behandelt werden (beispielsweise Recycling, Kontoeröffnung oder öffentlicher Verkehr). Da die Betreuungspersonen der Asylsuchenden auch die Deutschkurse durchführen und deshalb nicht zwingend vom Fach sind, fördert Jessica diese mit fachlichen Inputs.
Organisieren und Coachen von Lehrpersonen
Die Vielfalt der Aufgaben, das Unterrichten und der Kontakt mit Menschen gefallen Jessica besonders. Auch die Dankbarkeit, die sie für ihre Hilfe spürt, schätzt sie sehr. So erhielt sie kürzlich von einem Schüler einen Brief, in dem er sich bedankte, dass sie sich Zeit nehme, den Unterricht vorbereite und ihn bei der Integration unterstütze. «Es war wirklich ein langer Brief und nicht nur ein Dankeschön, sondern eine ganze Seite lang. In seinem Deutsch, das er bei mir gelernt hat, mit Fehlern natürlich, aber von Herzen.»
Jessica hat aber auch mit Herausforderungen zu kämpfen. In einem Durchgangszentrum sind die Klassen unbeständig, da die Transfers in die Gemeinden oftmals kurzfristig erfolgen. Grundsätzlich bleiben die Geflüchteten fünf bis sechs Monate in einem Durchgangszentrum. Bei den Ukrainerinnen und Ukrainern erfolgt der Transfer in eine Gemeinde aufgrund des Schutzstatus meist schon nach drei Wochen. Die wechselnden Zusammensetzungen in den Klassen durch Neuzugänge und Abgänge zeigen sich im unterschiedlichen Wissensstand, mit dem Jessica umzugehen lernt.
Durch das Studium sieht sie sich gut gerüstet für ihre jetzigen Tätigkeiten. Vor allem für das Modul Alphabetisierung findet sie lobende Worte, aber auch von den Didaktikmodulen kann sie profitieren. Die Skills, die sie im Profilschwerpunkt Sprachberatung und -coaching gelernt hat, nutzt sie, um die anderen Lehrpersonen zu coachen. Als Highlight nennt sie ausserdem Einblicke ins Arabische erhalten zu haben: «Wenn ich jetzt meine drei Sätze sage, die ich gelernt habe und immer noch kann, dann haben die Leute hier eine so grosse Freude!»