Komplizierte Texte einfach zusammenfassen, eine Textaufgabe in wenigen Minuten lösen und selbst ganze Webseiten programmieren: Das sind nur einige Beispiele, die das KI-Tool ChatGPT lösen kann. Solche generative KI-Systeme haben das Potenzial, in Gesellschaft und Wirtschaft massive Veränderungen auszulösen, insbesondere auch in Lehre und Weiterbildung. Deshalb hat die ZHAW ein neues Weiterbildungsangebot für Lehrpersonen und Dozierende aller Fachbereiche und Stufen lanciert.
Autorin: Stefanie Krüsi
Cerstin Mahlow, Professorin für Digitale Linguistik und Schreibprozessforschung, und Frank-Peter Schilling, Physiker und Experte in KI und maschinellem Lernen, dozieren im neuen Weiterbildungskurs der ZHAW. Im Interview reden sie über Inhalte, Relevanz, Zielgruppe sowie über ihre Einschätzung zur Weiterentwicklung von KI in Lehre und Weiterbildung.
Die School of Engineering und das Departement Angewandte Linguistik haben zusammen den Weiterbildungskurs «Generative KI in der Lehre und Weiterbildung» lanciert. Warum ergänzen sich die Fachgebiete dieser beiden ZHAW-Departemente ideal für dieses Angebot?
Cerstin Mahlow: Die Kolleg:innen von der School of Engineering sind die Expert:innen, zu verstehen und zu erklären, wie generative KI technisch funktioniert. Sie wissen, was jetzt schon möglich ist und wohin die Entwicklung führen kann. Wenn es um die Produktion von Texten geht, sind wir Angewandte Linguist:innen die Expert:innen, um Qualität zu beurteilen. Wir haben die fachliche Expertise und die Begriffe, um auf sprachlicher Ebene zu erklären, wie das Generieren von Texten funktioniert. Die Angewandte Linguistik beschäftigt sich mit Kommunikation – mit Menschen und mit Maschinen. Und die Bedienung dieser neuen KI-Tools erfolgt ja über Sprache: Wir chatten mit ChatGPT, damit der gewünschte Text produziert wird. Und ganz persönlich: Ich bin seit vielen Jahren im Bereich digital-unterstütztes Lehren und Lernen unterwegs, als E-Didaktikerin und im Instructional Design.
Frank-Peter Schilling: Für den Weiterbildungskurs ist das Bündeln der Informatik- und Linguistik-Perspektive ein grosser Mehrwert. So kann das komplexe Thema Generative KI aus beiden Sichtweisen beleuchtet werden. Als Kursteilnehmer:in müssen allerdings keine besonderen Informatik-Vorkenntnisse mitgebracht werden. Neben KI-basierter Erzeugung von Texten – wie mit ChatGPT – wollen wir auch die Möglichkeiten von Tools die Bilder, Videos oder Programmcode in beeindruckender Qualität erzeugen, aufzeigen. Wir wollen uns also nicht auf rein textbasierte Tools beschränken.
Wen möchtet ihr mit diesem Kurs ansprechen und welchem Bedürfnis wollt ihr nachgehen?
Cerstin Mahlow: Wir möchten Lehrpersonen auf verschiedenen Stufen aus verschiedenen Fachbereichen ansprechen. Das sind Lehrpersonen an weiterführenden Schulen, Gymnasien, Berufsfachschulen, aber auch Fachhochschulen und Höheren Fachschulen. Es wäre toll, wenn in diesem Kurs Lehrpersonen für Musik oder Deutsch auf Lehrpersonen für Informatik oder Physik treffen würden.
Frank-Peter Schilling: Ein Schwerpunkt besteht in den textbasierten Anwendungen wie ChatGPT. Tools wie Midjourney, Stable Diffusion oder DALL-E eröffnen aber beispielsweise völlig neue Möglichkeiten im Kunstunterricht. Der «Github Copilot» schliesslich ist für den Informatikunterricht von Interesse. Wir wollen versuchen, die Schwerpunkte an den Interessen und Fachrichtungen der Teilnehmer:innen auszurichten.
Was können Lehrpersonen und Dozierende, die euren Weiterbildungskurs besuchen, lernen und für ihren Berufsalltag mitnehmen?
Cerstin Mahlow: Viele haben sicher schon ein wenig mit diesen neuen KI-Tools herumgepröbelt, Texte, Bilder, vielleicht auch Musik produzieren lassen. Wir möchten einerseits die Möglichkeit zum gezielten Experimentieren geben: Was ist alles möglich und wie funktioniert das eigentlich? Der Schwerpunkt liegt dann auf Fragen, wie KI konkret in den eigenen Unterricht, in die Planung für das nächste Schuljahr oder Semester einfliessen kann. Viele Schüler:innen, viele Studierende haben ebenfalls schon solche Programme benutzt. Als Lehrperson geht es also darum, zu unterstützen, die produzierten Bilder und Texte beurteilen zu können. Das Feld der «digital skills» wird sehr kreativ, technisch verändert sich Vieles fast wöchentlich. Es geht für Schulen und Hochschulen deshalb auch darum, herauszufinden, welche Rolle solche Tools in Curricula und Modulen spielen. Dabei wollen wir Lehrpersonen unterstützen und mit ihnen Entscheidungs- und Beurteilungsgrundlagen erarbeiten.
Frank-Peter Schilling: Ein anderer wichtiger Aspekt, den wir diskutieren wollen, sind mögliche Auswirkungen auf die Durchführung und Bewertung von Leistungsnachweisen. Unter welchen Bedingungen könnte die Benutzung von KI-basierten Tools zulässig sein? Wie muss man gegebenenfalls die Überprüfung von Lernzielen anhand von Prüfungen und Hausarbeiten umgestalten? Das sind Fragen, worüber wir diskutieren werden. Andere relevante Aspekte sind Quellenangaben, Copyright und Datenschutz.
Wohin entwickelt sich eurer Meinung nach das Thema KI in der Lehre und Weiterbildung in den kommenden Jahren?
Frank-Peter Schilling: Es ist heute schon klar, dass es sich bei der KI um eine disruptive Technologie handelt, die alle Bereiche des Berufslebens, aber auch der Gesellschaft stark verändern wird. Es ist wichtig, die Anwendung und Funktionsweise von KI-Systemen zumindest grundlegend zu verstehen. Damit können deren Möglichkeiten, Chancen und Risiken realistisch eingeschätzt werden. Vielleicht braucht es bald ein Pflichtfach «KI», wo dieses vermittelt werden. Bereits heute besteht die Gefahr, dass nicht mehr erkennbar ist, ob ein Text, Bild oder Video «echt» ist oder von einer KI erzeugt wurde.
Cerstin Mahlow: Und darum sollten Schüler:innen möglichst früh den reflektierten Umgang damit erlernen. Lehrpersonen müssen sich somit natürlich gut auskennen und sich selbst sicher fühlen, um auf Grenzen und Gefahren aufmerksam machen zu können. Höchstwahrscheinlich wird diese Entwicklung auch dazu führen, dass Schulen und Hochschulen ganz generell darüber nachdenken, welche Kompetenzen denn für das spätere Berufsleben wichtig sind, wie sie erworben werden und wie man überprüfen kann, wie gut man etwas schon beherrscht. Für solche Diskussionen und Überlegungen wollen wir Lehrpersonen wissenschaftlich fundierte Grundlagen mitgeben.
Details zum Weiterbildungskurs und zur Anmeldung finden Sie hier.
Cerstin Mahlow ist Professorin für Digitale Linguistik und Schreibprozessforschung am Institute of Language Competence des Departements Angewandte Linguistik an der ZHAW. Sie ist promovierte Computerlinguistin, beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der menschlichen Produktion von Texten und wie diese technisch unterstützt werden können. Als Didaktikerin interessiert sie vor allem die digitale Transformation des Lernens und Lehrens auf Hochschulebene.
Frank-Peter Schilling ist Dozent für Informatik und Künstliche Intelligenz am Centre for AI der ZHAW School of Engineering. Er ist promovierter Physiker und vertritt die Bereiche KI und Maschinelles Lernen in Forschung, Lehre und Weiterbildung. Sein Hauptinteresse gilt dem Deep Learning, d.h. KI-Verfahren basierend auf viellagigen künstlichen neuronalen Netzen, wie sie den aktuellen KI-Systemen zugrunde liegen.
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