Geschriebene und gesprochene Sprache ist nicht immer für alle Menschen verständlich. Manon Christelle beschäftigte sich im Master Multilingual Communication Management (früher: Fachübersetzen) intensiv mit Barrierefreier Kommunikation. Dabei lernte sie unter anderem, wie komplexe Texte in Leichte Sprache übersetzt, Filme für blinde Menschen mit Audio-Elementen unterstützt, oder Untertitel für Menschen mit einer Hörbehinderung getextet werden.
Autorin: Fabienne Albrecht, Studentin Bachelor Kommunikation, Mitglied der Studi-Redaktion*
«Das Untertiteln macht einen grossen Teil unserer Arbeit aus», erzählt Manon Christelle. Sie studiert im Master Multilingual Communication Management (früher: Fachübersetzen) der ZHAW. Dort hat sie sich auf Barrierefreie Kommunikation spezialisiert. Im Master lernt sie aber nicht nur das. Zum Übersetzen gehört auch das Untertiteln von Filmen und Videos. Untertitel werden heute an allen Ecken und Enden benötigt. Im internationalen Kontext kann es so zum Beispiel nützlich sein, ein Video in einer fremden Sprache durch Untertitel verständlich zu machen. Aber auch in den sozialen Netzwerken werden Untertitel immer wichtiger. «Gerade unterwegs im Bus oder Zug schauen sich viele User:innen die Videos ohne Ton an. Dann sind Untertitel notwendig, damit sie überhaupt wissen, um was es inhaltlich geht», sagt Manon. Aber auch für gehörlose Personen sind Untertitel unerlässlich.
Mit Respeaking Live-Shows für gehörlose Menschen zugänglich machen
Auch Live-Shows müssen für gehörlose Personen zugänglich gemacht werden. Das funktioniere ähnlich wie das Untertiteln, nenne sich dann aber Respeaking, erklärt Manon. Dafür nutzt sie ein Programm, welches ihre gesprochenen Worte automatisch in geschriebene Sprache transkribiert. «Das Programm kennt meine Stimme und lässt sich auch trainieren», erzählt sie weiter. Das funktioniere aber nicht immer reibungslos. Das Programm habe beispielsweise teils mit Namen Mühe, so dass «Alain Berset» kurzerhand zu «alles besser» werden kann.
Audiodeskription macht Filme für sehbehinderte Menschen barrierefrei
Aber nicht nur gehörlose Menschen sind für einen Zugang zu Informationen in multimodalen Beiträgen auf unterstützende Elemente angewiesen. Auch blinde oder seheingeschränkte Menschen profitieren von Barrierefreier Kommunikation. Denn Filme, welche stark von den visuellen Inhalten leben, sind für sie rein auditiv nur eingeschränkt zugänglich. Also werden sie durch Audiodeskription zum «Hörfilm» gemacht. Das heisst, was für das Zielpublikum nicht sichtbar ist, wird durch die Audiodeskription hörbar gemacht. Im Master Multilingual Communication Management (früher: Fachübersetzen) lernt Manon, welche Informationen sie zwischen den Dialogen einsprechen muss, damit sehbehinderte Personen einem Film folgen können. «Das ist oft gar nicht so einfach, weil die Pausen zwischen den Dialogen meist sehr kurz sind», erzählt Manon.
Sie erinnert sich an ein spannendes Beispiel aus Praxisübungen, indem die Audiodeskription an ihre Grenzen stösst: «Wir behandelten eine Filmsequenz, in welcher ein Mann zum Coiffeur ging. Der Coiffeur fragte ihn, welchen Haarschnitt er sich wünsche. Als der Mann den Hut zog, begann das sehende Publikum zu lachen, weil der Mann glatzköpfig war.» Die Schwierigkeit bestehe also auch darin, die fehlende Information zur richtigen Zeit an das nicht-sehende Publikum zu bringen, erklärt Manon weiter. Beschreibe man von vornherein, dass der Mann eine Glatze habe, sei der Witz für das sehende Publikum nur noch halb so gut. Folgt die Information hingegen zu spät, verstehe das nicht-sehende Publikum nicht, weshalb gelacht werde. Diese Herausforderungen machen die Audiodeskription für Manon zu einem der spannendsten Felder der Barrierefreien Kommunikation. Aufgrund der Praxisübungen, die sie in diesem Bereich bereits durchführen konnte, zählt es auch zu ihren liebsten Fächern im Masterstudiengang.
Mit Leichter Sprache Barrieren innerhalb einer Sprache abbauen
Manon ist zum ersten Mal durch eine Person aus ihrem Umfeld mit der Barrierefreien Kommunikation – also eigentlich zuerst mit den Barrieren in der Kommunikation – in Berührung gekommen: «Ich habe jemandem beim Ausfüllen eines IV-Antrages geholfen und habe gemerkt, wie schwierig es ist, mit der Behördensprache klarzukommen.» Um genau diesen Zugang zur Sprache zu erleichtern, lernt Manon heute im Masterstudiengang den Umgang mit der Leichten Sprache. Dabei übersetzt sie nicht von einer Sprache in eine andere, sondern übersetzt als intralinguale Übersetzerin innerhalb einer Sprache. Leichte Sprache verzichtet im Deutschen beispielsweise auf Genitiv-Konstruktionen, vermeidet Schachtelsätze oder transportiert jeweils nur eine Information pro Satz.
Aber auch in ihrer Freizeit begleitet Manon die Barrierefreien Kommunikation. Für ihren eigenen feministischen Onlineshop textet sie Blogbeiträge in Leichter Sprache, damit auch Personen mit einer kognitiven Behinderung, einer Lese- oder Lernschwäche oder mit geringen Deutschkenntnissen den Texten folgen können.
Berufswunsch Barrierefreie Kommunikation und Übersetzen
Manons Flair für Sprache kommt nicht von ungefähr. Die 25-jährige Zürcherin ist zweisprachig aufgewachsen und spricht seit Kindertagen fliessend Französisch und Deutsch. Ihre Mehrsprachigkeit hat sie an die ZHAW geführt, wo sie am IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen den Bachelor Mehrsprachige Kommunikation absolviert hat. Ihr Interesse an der Barrierefreien Kommunikation hat sie bereits damals dazu bewogen, ihre Bachelorarbeit der Leichten Sprache zu widmen.
So ist der Master Language and Communication mit Vertiefung Multilingual Communication Management (früher: Master Angewandte Linguistik mit Vertiefung Fachübersetzen) für Manon genau die richtige Wahl. Denn neben der Barrierefreien Kommunikation lernt sie im Masterstudiengang natürlich auch das interlinguale Übersetzen. Dafür hat sie die Sprachkombination Französisch-Deutsch gewählt.
Nach ihrem Masterabschluss wünscht sich Manon, in ihrem zukünftigen Beruf als Übersetzerin ebenfalls mit der Leichten Sprache arbeiten zu können. «Am liebsten in der Behördenkommunikation, damit ich Sprache eben wirklich für alle zugänglich machen kann.»
*Die Studi-Redaktion
In der Studi-Redaktion produzieren Studierende im Bachelorstudiengang Kommunikation multimediale Beiträge für die Kommunikationskanäle des Departements Angewandte Linguistik der ZHAW. Sie sind in dieser Rolle Teil des departementalen Kommunikationsteams, bringen erworbene Kompetenzen aus dem Studium ein und lernen dabei die Redaktionsabläufe in einem Coporate Newsroom kennen.
Das ist eine ganz tolle Erweiterung des Studiengangs. Ich selbst hab den M.A. Fachübersetzen in Deutschland absolviert – der hier vorgestellte Zweig war damals leider noch nicht einmal ansatzweise Bestandteil des Übersetzer-Studiums.
Und das Ziel der im Artikel vorgestellten Studierenden wäre wirklich ausgesprochen richtig und wichtig. Selbst Muttersprachler haben doch erhebliche Probleme, die oftmals unverständlichen Mitteilungen von Ämtern und Behörden zu verstehen. Ich mache mittlerweile vorwiegend beglaubigte Übersetzungen für z.B. die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, und es ist mitunter ungeheuerlich, welch unverständliche, ellenlange und verschachtelte, mit befremdlicher Terminologie gespickte Anschreiben unsere Kunden von den hiesigen Behörden bekommen.
Einfache Sprache würde so viele Probleme gar nicht erst entstehen lassen!
Es freut uns zu hören, dass Sie die Barrierefreie Kommunikation aus Ihrem Übersetzungsalltag heraus als Schwerpunkt im Master Fachübersetzen als positiv einschätzen. Ihre persönliche Erfahrung in Ihrem M.A. Fachübersetzen illustriert, dass sich Studiengänge im Laufe der Zeit weiterentwickeln müssen und das haben wir mit dem Schwerpunkt Barrierefreie Kommunikation versucht.
Ihre Arbeit im Bereich der beglaubigten Übersetzungen ausländischer Berufsabschlüsse zeigt, dass die Ansätze der Barrierefreien Kommunikation für Übersetzer:innen grundsätzlich relevant und von Nutzen sind, da selbst Muttersprachler:innen oft Schwierigkeiten mit (über)komplexen behördlichen Texten haben. Einfache Sprache kann in der Tat viele Probleme im Umgang mit Behördendokumenten vermeiden. Vielen Dank für Ihre wertvollen Einblicke!