Kommunikation ist ein Schlüsselfaktor für das Gelingen der digitalen Transformation von Organisationen. Doch das kommunikative Begleiten von Veränderungsprozessen stellt Kommunikationsverantwortliche immer wieder vor die Herausforderung, den digitalen Wandel nebst dem Alltagsgeschäft erfolgreich zu meistern. Der IAM Digital Transformation Navigator (DTN) setzt genau hier an, bietet Orientierung und liefert konkrete Lösungsansätze.
Ein schriftliches Interview der «Language matters»-Redaktion mit Nicole Rosenberger, Professorin und Leiterin des Forschungs- und Arbeitsbereichs «Organisationskommunikation und Management» am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW.
Die Corona-Pandemie brachte einen Digitalisierungsschub in Bezug auf Remote-Arbeit, Homeoffice und digitale Dialog- und Kollaborationsformate mit sich. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die Unternehmenskommunikation?
Nicole Rosenberger: Die Unternehmenskommunikation hat in den meisten Organisationen an strategischer Relevanz und an Nähe zum C-Level gewonnen. Denn gerade in Krisenzeiten ist eine regelmässige und transparente interne und externe CEO-Kommunikation besonders wichtig. In diesem Feld hat die Unternehmenskommunikation denn auch seit Beginn der Krise neue Formate wie beispielsweise Videotalkrunden in Live-Settings oder Videobotschaften entwickelt und damit die digitale Unternehmenskommunikation erweitert.
Die Corona-Pandemie hat die digitale Transformation der Kommunikationsabteilungen generell vorangetrieben: Neben neuen digitalen Formaten, Kanälen und Technologien sind auch neue Kommunikationsmanagement-Tools eingeführt worden, Prozesse vereinfacht und Kompetenzen erweitert worden. Zudem hat die Einführung digitaler Dialog- und Kollaborationsformate im Idealfall die Zusammenarbeit zwischen Kommunikation, IT und HR intensiviert und damit eine wichtige Basis für die weitere Transformation geschaffen.
Die vielen neuen Erfahrungen mit virtuellen Formaten müssen von den Kommunikationsabteilungen nun sorgfältig evaluiert werden. Es geht darum zu lernen, was bei welchen Zielgruppen gut funktioniert hat, das heisst einen echten Mehrwert gegenüber traditionellen Formen wie beispielsweise Mitarbeitendenevents vor Ort oder Newslettern gebracht hat. Nur so hat die Unternehmenskommunikation nach dem Abklingen der Pandemie eine zuverlässige Grundlage für die weitere Ausrichtung und Gestaltung der virtuellen, analogen und hybriden Kommunikation.
Wie lassen sich Mitarbeitende im Homeoffice kommunikativ einbinden, damit sie den Kontakt zum Unternehmen nicht verlieren?
Im Homeoffice fällt der informelle Austausch weg, über den sich Mitarbeitende in den Organisationen nicht nur für sie relevante Informationen holen, sondern der auch ein Gefühl des Dazugehörens ermöglicht. Die interne Kommunikation hat hier grundsätzlich drei Hebel: Neben der kontinuierlichen und transparenten Information sollte sie Formate anbieten, die auch in Zeiten von Remote-Work Nähe und Zugehörigkeit zum Unternehmen vermitteln. Hier sind digitale Austauschformate wie informelle Kaffeetreffen, thematische Veranstaltungen oder virtuelle Townhall-Meetings ebenso wichtig wie Podcasts oder Video-Interviews mit Mitarbeitenden. Schliesslich kann sie das mittlere Management über gezielte Führungskräftekommunikation bei ihrer digitalen Führungskommunikation unterstützen.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit sich hybride Formate in einem Unternehmen auch etablieren?
Hybride Formate sind gerade bei grösseren Veranstaltungen bereits gut erprobt und werden ihren Platz auch nach der Pandemie behalten. Allerdings gibt es meiner Ansicht nach technische und soziale Vorbehalte. Die Akzeptanz für hybride Settings steigt sicher, wenn die technische Einrichtung eine hohe Bild- und Tonqualität garantiert. Entscheidender ist aber die «soziale Frage»: Wollen wir beispielsweise Teamsitzungen abhalten, an welchen sich die einen immer nur remote zuschalten, während die anderen vor Ort sind? Da gilt es, ohne Vorbehalte eine neue Praxis zu erproben, aber auch mögliche Nachteile klar zu benennen.
Inwiefern unterstützt der IAM Digital Transformation Navigator Unternehmen hierbei?
Der IAM Digital Transformation Navigator erfasst mit einem fragebogengestützten Assessment den Stand der digitalen Transformation sowie das Wirkungspotenzial der Kommunikationsabteilung. Sichtbar werden dabei unterschiedliche Einschätzungen und Erwartungen im Kommunikationsteam oder zwischen Kommunikations- und Geschäftsleitung. Auf der Basis eines gemeinsamen Verständnisses kann die Weiterentwicklung der Unternehmenskommunikation vorangetrieben werden. Darüber hinaus unterstützen wir Kommunikationsabteilungen bei der Entwicklung von Kommunikationsstrategien für Handlungsfelder, welche für die digitale Transformation des Unternehmens besonders relevant sind oder begleiten die Umsetzung eines Transformationsprojekts im Rahmen einer Prozessberatung.
Wie wurde der IAM Digital Transformation Navigator entwickelt?
Der IAM Digital Transformation Navigator basiert auf den Ergebnissen unseres Forschungsprojekts zur Rolle der Unternehmenskommunikation in der digitalen Transformation. Darin sind die Aufgaben der Kommunikation und notwendige Kompetenzen für die Transformation erforscht worden. Darauf aufbauend haben wir ein Assessment-Tool zur Bestimmung des digitalen Reifegrads der Unternehmenskommunikation entwickelt, den CAS Digitale Transformation und Kommunikation erfolgreich lanciert, und bereits zahlreiche Organisationen in spezifischen Fragestellungen rund um die Kommunikation in der digitalen Transformation unterstützt und begleitet.
Warum trägt Kommunikation massgeblich zum Gelingen der digitalen Transformation von Organisationen bei?
Die Unternehmenskommunikation ermöglicht die digitale Transformation der Organisation, indem sie digitale Kanäle für die Kommunikation mit internen und externen Stakeholdern lanciert und bewirtschaftet und die Kommunikationsstrategie auf die Digitalstrategie des Unternehmens ausrichtet. Zudem begleitet sie die digitale Transformation intern über Veränderungskommunikation und stellt so sicher, dass die Mitarbeitenden den Wandel verstehen und mittragen. Drittens gestaltet die Unternehmenskommunikation über die Entwicklung und Moderation von Interaktionsformaten, die Beratung des Topmanagements und die Kommunikationsbefähigung der Mitarbeitenden die digitale Transformation der Organisation mit. Und viertens hat die externe Unternehmenskommunikation für die Transformation des Unternehmens in der Branche, im Markt und in der Gesellschaft Akzeptanz zu schaffen. Etwa indem sie Transformationsthemen proaktiv kommuniziert, den Austausch mit unterschiedlichen Communities pflegt und das Corporate Listening darauf ausrichtet.
Ein Unternehmen kann sich digital nur dann erfolgreich transformieren, wenn digitale Kommunikationskanäle etabliert und den Bedürfnissen der Stakeholder entsprechend laufend weiterentwickelt werden, der Wandel von den Mitarbeitenden aktiv mitgestaltet und von den Stakeholdern akzeptiert wird. Dies kann und muss die Unternehmenskommunikation leisten.
Welche Rolle spielt dabei der Aufbau einer Kommunikationsabteilung?
Die Organisation der Kommunikationsabteilung folgt der strategischen Ausrichtung der Kommunikation und muss diese unterstützen. Wenn die Kommunikation die oben beschriebenen Herausforderungen bewältigen will, muss sie sich rasch auf neue Themen einstellen und die verschiedenen internen und externen Kommunikationskanäle gut abgestimmt bespielen können. In der Praxis hat sich das Organisationsmodell des sogenannten Corporate Newsrooms als gute Antwort auf diese Herausforderungen herausgestellt. Im Newsroom arbeiten Themen- und Kanalverantwortliche Hand in Hand.
Wie und mit welchem Mindset müssen die Mitarbeitenden eines Unternehmens zusammenarbeiten, um sich gemeinsam in einer ständig weiter digitalisierenden Welt erfolgreich behaupten zu können?
Man könnte hier natürlich Schlagwörter wie «digital first» oder auch «Agilität» nennen. Das ist sicher nicht falsch, greift aber für die Frage zu kurz. Erfolgreiche Teams zeichnen sich auch in einer digitalisierten Welt durch Diversität aus. Die Welt aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten ist gerade für die Kommunikation der Mitarbeitenden miteinander fundamental. Und erfolgreiche Zusammenarbeit hat viel mit Sozialkompetenz zu tun. So ist ein noch so kompetentes Team von agilen «digital Natives» noch kein Garant für Erfolg. Ein weiterer Punkt scheint mir hier wichtig: in der «neuen» Welt sind Teams dann besonders erfolgreich, wenn sie sich als Teil eines grossen Unternehmensnetzwerks sehen und damit die Teamgrenzen ein Stück weit auflösen. Silodenken und Abschottung sind in der digitalen Transformation nicht zielführend und definitiv veraltete Einstellungen.
Wie lässt sich der digitale Reifegrad einer Kommunikationsabteilung bestimmen?
Über die Bewertung der vier Dimensionen Strategie, Struktur, Kultur und Technologie, die sich gegenseitig beeinflussen. Im Assessment sind dazu Fragen zur Kommunikations- und Content-Strategie der Abteilung zu beantworten, aber auch zu Aufbau- und Ablauforganisation und zur Pflege von Schnittstellen der Kommunikationsabteilung zu für die digitale Transformation relevanten anderen Unternehmensfunktionen. Auf der Ebene der Kultur geht es um Themen des digitalen Mindsets der Kommunikationsmitarbeitenden, um technologisches Verständnis, agile Methoden und Kollaborationsfähigkeit. In der letzten Dimension geht schliesslich darum zu erfassen, welche Technologien im gesamten Prozess des Kommunikationsmanagements bereits eingesetzt werden.
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Liebes Team der ZHAW
ein sehr lesenswerter Artikel rund um die digitale Transformation und die damit einhergehende Kommunikation. Besonders der Teil, der die Bestimmung des Reifegrades der Kommunikation Abteilung umfasst, war wirklich sehr interessant und lässt sich sicherlich branchenübergreifend “ablesen”.
Danke für diesen besonderen Artikel und grosse Vorfreude auf mehr! 🙂
Herzliche Grüsse