Christina Mäder Gschwend ist seit August 2018 Leiterin der Master-Vertiefung Konferenzdolmetschen. Sie ist eine Frau, die schon auf der ganzen Welt gedolmetscht hat und über 30 Jahre Unterrichtserfahrung mitbringt – und sie ist überzeugt: Als Dolmetscherin ist man der perfekte Partygast.
von Olivia Meier, Assistentin im Forschungs- und Arbeitsbereich Angewandte Text- und Gesprächslinguistik am IUED Institut für Übersetzen und Dolmetschen
In der schalldichten Kabine ist es vollkommen still. Aus den Kopfhörern einer jungen Frau dringen die Ausführungen eines wild gestikulierenden Redners. Diesen Redeschwall soll die Dolmetscherin übersetzen. Am liebsten wortgetreu, schnell und richtig. Gar nicht so einfach, selbst ohne den starken Akzent des Redners.
Konferenzdolmetscherin mit einem riesigen Netzwerk
Eine Situation wie die eben beschriebene hat Christina Mäder Gschwend in ihrer Karriere schon tausende Male durchlebt. Neben ihrer Tätigkeit als Dozentin an der ZHAW ist sie seit ihrem Abschluss der Dolmetscherschule Zürich 1987 als Konferenzdolmetscherin tätig; zurzeit vorwiegend für die Europäische Union, bei der sie auch als Key Trainer engagiert ist. Ausserdem arbeitet sie auf dem freien Markt bei medizinischen Konferenzen, in der Politik, der Wirtschaft oder im Sport.
Das Beziehungsnetzwerk, das sie sich über die Jahrzehnte aufgebaut hat, ist für ihre neue Position als Leiterin der Vertiefung Konferenzdolmetschen im Master Angewandte Linguistik unerlässlich. Ihre guten Beziehungen zu internationalen Institutionen, Dolmetschagenturen und den Personen, die dort an den Schlüsselstellen sitzen, müssen gepflegt werden: «Schliesslich kommt von dort die Arbeit für unsere Studierenden».
Praxiserfahrung für den Unterricht
An ihren Erfahrungen aus dem Berufsalltag lässt Mäder die Studierenden auch im Dolmetschunterricht gern teilhaben. Dies aber in Massen: «Beginnt man Anekdoten zu erzählen, z.B. von Hustenanfällen in der Kabine, muss man aufpassen, dass nicht gleich die Hälfte der Unterrichtszeit weg ist.» Trotzdem kann sie besorgte Studierende beruhigen. Sie kann ihnen glaubhaft versichern, dass auch ihr als Profi gewisse Dinge misslingen: «Dolmetschen ist die Kunst des Machbaren».
Christina Mäder ist wichtig, dass das Konferenzdolmetsch-Studium möglichst realitätsnah verläuft. «Die Verflechtung von Unterricht und Praxis ist schliesslich eine Stärke der Fachhochschule.» Die praktischen Fächer im Studiengang unterrichten ausschliesslich Dozierende, die selbst als Dolmetschende tätig sind. Und die Studierenden arbeiten fast ausschliesslich mit originalen Bild- und Tonaufnahmen. «Zu meiner Zeit war eine Kassettenaufnahme das Höchste der Gefühle.» Ausserdem profitieren sie von einer hervorragenden Infrastruktur, mit der sie ideal auf den Berufseinstieg vorbereitet werden.
«Kalter» Einstieg in den Traumberuf
Christina Mäders Übertritt vom Studium in den Berufsalltag war ein Sprung ins kalte Wasser. «Die vom Dozenten in angenehmen Tempo vorgetragenen Texte waren doch etwas einfacher zu dolmetschen als die rasanten Reden eines Politikers mit starkem Akzent», erinnert sie sich.
Solchen Herausforderungen begegnet sie heute routiniert. Sie werden durch zahlreiche Vorteile aufgewogen: «Die vielen Reisen, all die unbekannten Länder und Orte, die ich sonst nie zu Gesicht bekommen hätte…». Sie machen das Konferenzdolmetschen für Mäder zu ihrem Traumberuf. «Und das breite Wissen, das man sich in den unterschiedlichsten Gebieten über die Jahre aneignet, hat einen angenehmen Nebeneffekt: Als Dolmetscherin bin ich der ideale Partygast. Ich kann zu allem etwas erzählen.»
Ein Beruf mit Zukunft
In die Zukunft blickt Mäder entspannt. Zwar bringen veränderte Bedingungen wie das «Remote Interpreting», also eine Verdolmetschung, die übertragen wird und bei der die Dolmetscherin nicht vor Ort ist, neue Herausforderungen mit sich.
Aber Entwicklungen wie die vollautomatische Verdolmetschung sieht sie noch lange nicht als Bedrohung. Eine ernst zu nehmende Konkurrenz werden die «Dolmetsch-Roboter» ihrer Meinung nach in der näheren Zukunft nicht. Christina Mäder vertraut auch dabei auf den menschlichen Mehrwert. «Unsere Kunden wollen auch in Zukunft lieber eine menschliche als eine Roboterstimme», ist sie überzeugt.