Auch PR und Organisationskommunikation sind zur öffentlichen Angelegenheit geworden – wie es der Journalismus schon immer war. Die Schweizer Fachgruppe hat nach den Gründen dafür gefragt. Und diskutierte Herausforderungen in der Netzwerk-Öffentlichkeit und entsprechende Strategien.
von Peter Stücheli-Herlach, Leiter Forschungsbereich «Organisationskommunikation und Öffentlichkeit» am IAM, Sprecher der Fachgruppe PR/OK der SGKM
Medienrevolution und Wertewandel machen es möglich: Auch Organisationskommunikation und PR werden zunehmend zur öffentlichen Angelegenheit – zu dem also, was der Journalismus seit jeher war. Ereignisse und Trends sind dabei Auslöser von Kontroversen, so beim Whistleblowing und beim Influencer-Marketing, bei Regeln für den «Corporate»-spezifischen Sprachgebrauch oder bei Fragen der Börsen-Kommunikation.
Gleichzeitig – und gerade dadurch – verlieren wir die Übersicht. Mal ehrlich: Wem geht es nicht so?
Herkömmliche Genres mischen sich (CorpComms oder MarComms?), das Tempo des Austauschs nimmt zu (siehe Nestlés «Digital Acceleration Team»), Algorithmen steuern die Diskurse mehr und mehr.
Die Fachgruppe PR und Organisationskommunikation (OK) hat an der Jahrestagung der SGKM (Schweiz. Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft) in St. Gallen ein Panel zur Situation veranstaltet. Ein Jahr zuvor hatte sie eine Diskussion über die Agonalität von OK lanciert. Nun vertiefte sie die Perspektive. Leitidee war dabei, die verbreitete Rede von der Netzwerk-Gesellschaft auf den Prüfstand zu stellen. Und die Frage zu diskutieren, was unter diesen Verhältnissen der Wunsch nach «Strategien» bedeuten könnte.
Der «network turn» …
Die Berliner OK-Forscherin Juliana Raupp brachte den vermuteten «network turn» auf den Punkt: Nun sei die Organisation nicht mehr in einem «Zentrum», ihre Anspruchsgruppen nicht mehr – und scheinbar kontrollierbar – in einem «Umfeld» angesiedelt. Vielmehr sei diese Ordnung aufgelöst: Ein Geflecht wechselseitiger Relationen bestimmt über Organisationen. Und dieses bewegt sich permanent und dynamisch. Peter Winkler aus Wien, Pionier für eine «PR der nächsten Gesellschaft» zeichnete souverän nach, durch welche Formbildungen hindurch sich die aktuelle Netzwerk-Öffentlichkeit entwickelt hat.
… betrifft auch die Interne Kommunikation
Zur Fachgruppe zählen Forschende aus der Schweiz, die das Panel gleichermassen inspiriert haben. Fabienne Bünzli aus St. Gallen stellte ihre scharfsinnige Kritik an herkömmlichen Stakeholdermanagement-Ansätzen zur Diskussion. Und Constanze Jecker sowie Matthias Albisser aus Luzern gewährten Einblick in empirische Erkenntnisse zur internen Kommunikation, wo sich formalisierte und informelle Netzwerke der Kommunikation verschränken, aber auch konkurrenzieren.
Danke an alle Kolleginnen und Kollegen für diese Bereicherung der Fachdiskussion! Die Fachgruppe hat entschieden, auch an der nächsten Jahreskonferenz wieder ein Panel auszuschreiben. Dabei sollen Stimmen der Praxis wie auch – in gesondertem Format – Nachwuchsforschende besonders zum Zuge kommen.
#Wortwahl am IAM live 2019
An der ZHAW geht die Auseinandersetzung mit dem Netzwerk-Charakter der Öffentlichkeit weiter. Auf den 26. Juni lädt das Institut für Angewandte Medienwissenschaft zum Branchenevent «IAM live». Dort steht das Netzwerk öffentlicher Diskurse im Zentrum, das durch die technischen Möglichkeiten von Twitter entstanden ist und inzwischen sogar den Wahlkampf in der so «direkt»-demokratischen Schweiz aufmischt.