Wann übernehmen Maschinen in Journalismus und Organisationskommunikation? Die provokante Frage am COLUMNI-Jubiläumsevent lockte zahlreiche Ehemalige in den Saal des Mehrspur-Clubs in Zürich.
von Andreas Engel, Redaktor Alumni ZHAW
Vor mehr als 30 Jahren zeichnete der Film «Terminator» mit dem noch jungen Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle ein düsteres Bild der Zukunft. Das von Menschen entwickelte System Skynet, gespeist aus künstlicher Intelligenz, erobert in einem Atomkrieg die Herrschaft über die Erde. Ein unwirklich erscheinendes Szenario, keine Frage. Doch längst hat die künstliche Intelligenz tatsächlich Einzug in unseren Alltag gehalten – die Gesichtserkennung auf unserem Smartphone lässt grüssen. Die COLUMNI-Veranstaltung «Künstliche Intelligenz – Wann übernehmen Maschinen in Journalismus und Organisationskommunikation?» lockte mit diesem spannenden Thema – und trotz Temperaturen von mehr als 30 Grad – über 100 Ehemalige des IAM in den Saal des Mehrspur-Clubs auf dem Zürcher Toni-Areal.
Erst das Internet, jetzt KI
Es war nicht irgendein COLUMNI-Event. Der Abend stand im Zeichen des 15-Jahr-Jubiläums der Ehemaligenorganisation. COLUMNI-Präsidentin Claudia Sedioli erinnerte sich zurück: «In unserer Anfangszeit kamen die ersten Gratiszeitungen in der Schweiz auf. Und schon damals hat sich die Medienbranche gefragt: Ist dies das Ende des Qualitäts-Journalismus?» Es war erst schwer abzusehen, dass das Internet und die mit ihm aufkommenden Newsportale und sozialen Medien die Zeitungen und Verlage vor noch weit grössere Herausforderungen stellen sollten und bis heute stellen. Doch nun steht bereits die nächste Revolution bevor: der Aufstieg der künstlichen Intelligenz, kurz KI.
KI sinnvoll einsetzen
Reinhard Karger, Unternehmenssprecher des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), versuchte bereits am Anfang seines Referats, die Bedenken gegenüber der Technologie zu relativieren: «Die Menschen sollen sich durch KI nicht so bedroht fühlen. Sie ist nicht das Ende menschlicher Arbeit.» Karger ist Profi auf seinem Gebiet und bereits seit 1993 am DFKI in Saarbrücken (D) tätig. «KI wird in den Medien meist als etwas Negatives dargestellt», meint der 57-Jährige. «Dabei bietet sie viele Chancen und ganz neue Möglichkeiten.» Unter dem Schlagwort Roboterjournalismus würden heute Ängste geschürt, wonach Maschinen dank KI Texte ohne das Zutun eines Menschen erstellen und JournalistInnen somit ihre Tätigkeit streitig machen könnten. «Zum Erstellen von Reportagen, Recherche-Geschichten – Herzstücke des qualitativen Journalismus – ist KI gar nicht imstande», so Karger. Doch es gäbe Anwendungsbereiche im Journalismus, in denen KI durchaus sinnvoll sei und keinem Journalisten etwas wegnehmen würde.
Monotone Arbeiten an Maschinen abgeben
Als Beispiel nannte Karger die Website retresco.de: Anhand von vorhandenen Datenbanken erstellt dort der sogenannte Text-Engine Berichte von Fussballspielen in Echtzeit – von Spielen der Champions League bis zur Amateurliga. Auch Börsennews oder Wetterberichte für Hotels, für JournalistInnen monotone und für Redaktionen kostspielige Beiträge, könnten so mittels KI simpel generiert werden. Transkriptionen von aufgezeichneten Interviews oder die Bilderauswahl von FotografInnen könnten ebenfalls sinnvolle Anwendungsgebiete von KI sein.
Neue Möglichkeiten in der Kommunikation
In der anschliessenden Podiumsdiskussion hob auch Peter Metzinger, Pionier beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Kommunikation die positiven Eigenschaften der neuen Technologie hervor: «In Abstimmungskampagnen konnten wir dank KI effizient untersuchen, welche Botschaften bei den Rezipienten besser wirken», erklärte Metzinger. «Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten und neue Methoden in der Kommunikation.»
KI selber erleben
Laut Daniel Perrin, Direktor des Departements Angewandte Linguistik der ZHAW, muss sich die Ausbildung im Journalismus und in der Kommunikation auf die neuen Technologien einstellen. In Zukunft werde es mehr Kommunikation denn je geben. «Wir müssen den menschlichen Mehrwert identifizieren», sagte Perrin. «Dieser verändert und verlagert sich ständig.» Zum Abschluss der Diskussion machte Thilo Stadelmann, Stv. Schwerpunktleiter in Information Engineering an der ZHAW und Leiter des ZHAW Datalab, den teilnehmenden Columni Mut, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz nicht nur zu beobachten: «Überlasst nicht nur uns Forschern diese neuen Technologien. Probiert es selber aus, besucht Weiterbildungen. Es ist nicht so wahnsinnig kompliziert, wie es auf den ersten Blick aussieht.»
Dass künstliche Intelligenz die Kommunikations- und Medienbranche in Zukunft verändern wird, darüber waren sich die Experten an diesem Abend einig. Wie genau, können aber auch sie nur versuchen abzuschätzen. Für spannende Diskussionen beim anschliessenden BBQ-Apéro war so allerdings gesorgt.