Was bewegt einen Journalisten von der Redaktion in die Kommunikationsabteilung eines Unternehmens oder einer Organisation oder gar zu einer Agentur zu wechseln? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Ehemaligenverein des IAM, Columni & Columni Executive, am 22. März im geschichtsträchtigen Kulturhaus Helferei im Zürcher Niederdorf. Eingeladen zur Gesprächsrunde waren mit Lisa Meyerhans, Karin Baltisberger und Pascal Ihle drei, die aus der Praxis sprechen konnten. Letzterer eröffnete den Abend mit einem Kurzreferat über seinen persönlichen Seitenwechsel im letzten September von der Redaktion der Handelszeitung zur Kommunikationsagentur Furrerhugi, bei der er strategische Kundenmandate und den Influence Blog betreut. Obwohl er von Journalistenkollegen mitunter als „Verräter“ tituliert wurde und nicht selten auf die Meinung stösst, er hätte „von der guten auf die böse Seite“ gewechselt, hat er den Schritt bis jetzt noch nicht bereut.
Zwar sieht der ehemalige stellvertretende Chefredaktor im Journalismus nach wie vor einen Traumberuf, doch sei es für Leute, die etwas bewegen, gestalten wollen, auf Redaktionen schwieriger geworden. „Es geht inzwischen vor allem um Werbeinhalte und Anzeigenkunden“, bedauert er.
von Majka Mitzel, IAM-Absolventin und Redakteurin für das ZHAW Impact Magazin
Insbesondere fehlende Entwicklungsmöglichkeiten waren es, die Karin Baltisberger im letzten Jahr zum „Seitenwechsel“ bewegten. Als Leiterin des Nachrichtenressorts mit 40 Mitarbeitenden der BLICK-Gruppe sah sie in naher Zukunft keine Karriereoptionen auf Redaktions- oder Verlagsseite – „Der nächste Schritt wäre die Chefredaktion gewesen, aber das war leider nicht in Reichweite mit Anfang 30 in der Schweiz“. Seit einem halben Jahr leitet sie nun die Unternehmenskommunikation der Mobiliar und ist überzeugt, dass es in der Kommunikation von Unternehmen oder Organisationen mehr Entwicklungschancen gibt. Auch Lisa Meyerhans, Kommunikations- und Wirtschaftsberaterin, bemängelt die Weiterentwicklungsperspektiven bei Verlagen und auf Redaktionen: „Verlagshäuser können keine Talente fördern“, sagt sie. Bei ihr ist der Seitenwechsel bereits 15 Jahre her. Von der Wirtschaftsredaktion der NZZ wechselte sie im Jahr 2000 zur Bank Vontobel, wo sie als Leiterin Corporate Communications tätig war bevor sie sich 2011 selbständig machte. Ab und an vermisst sie an ihrer jetzigen Tätigkeit, dass sie abends kein fertiges Produkt hat: „Da hat man seine Zeitung in der Hand gehalten und gesehen, was man gemacht hatte am Tag“.
Für Pascal Ihle waren andere Dinge in seiner neuen Tätigkeit sehr gewöhnungsbedürftig: „Der grösste Kulturschock für mich war die Stundenerfassung bei meinem neuen Arbeitgeber, überhaupt die ganzen Planungstools, das kann alles auch kreativitätshemmend wirken, wenn es überhandnimmt“, bilanziert er.
Ganz ähnliche Erfahrungen hat Karin Baltisberger bei der Mobiliar gemacht: „Ich war schockiert von den regelrechten Sitzungsmarathons und habe als erstes das Protokollschreiben abgeschafft“, schmunzelt sie. Zwar sei man viel besser vorbereitet, schaue voraus, aber dadurch sei man auch sehr statisch, „ich sage manchmal, jetzt machen wir einfach“, das habe ich von meinem Redaktionsalltag mitgenommen, wo wir ja wirklich immer ganz kurzfristig vieles auf die Beine gestellt haben“. Im Grunde genommen können beide Seiten voneinander profitieren. Überhaupt war man sich an diesem Abend einig, dass die Fähigkeiten, die man sich im Journalismus aneignet, auch bestens in der Kommunikation anwendbar sind.
Columni ist die Ehemaligenorganisation der Absolventinnen und Absolventen des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Gegründet von den ersten IAM-Abgängerinnen und Abgängern im Jahr 2003 bildet sie das Netzwerk der Kommunikationsfachleute der ZHAW. Mit verschiedenen Dienstleistungen bietet der Verein seinen Mitgliedern ein vielseitiges und attraktives Programm. Ziel von Columni ist es, den Ehemaligen einen Mehrwert für ihren beruflichen Alltag zu verschaffen. Im sechsten Semester offeriert Columni den Studierenden eine einjährige Gratis-Mitgliedschaft. Der Verein pflegt einen intensiven Dialog mit der ZHAW und den Studierenden und wirkt als Basismitglied der Alumni ZHAW und FHSchweiz, dem Dachverband der Schweizer Fachhochschulabsolventen. |
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Danke für interessanten und nützlichen Beitrag! Ich habe ihn mit Vergnügen gelesen und etwas Neue erfahren. Ich möchte auch für so ein schönes und bedienfreundliches Webdesign bedanken.
Was heisst im Bereich Journalismus Karriere genau? Müssen ambitionierte SchreiberInnen wirklich in Unternehmen wechseln, weil es im Journalismus zu wenige Perspektiven gibt? Es ist ja tatsächlich ein Seitenwechsel vom kritischen “neutralen” Beobachter zum Mitarbeiter eines Unternehmens (wobei die Journalistin/der Journalist das ja bereits vor dem Wechsel auch schon ist).
Guten Tag Herr Mauch, danke für die Rückmeldung. Im Gespräch mit den drei Seitenwechslern gab die fehlende Perspektive den Ausschlag. Sprich: Was kommt nach Ressortleitung oder Chefredaktion? Natürlich ist “Karriere” aber auch immer Ansichtssache.