Die crossmediale Generation-M-Kampagne der Migros wurde letzte Woche an der Swiss-Effie-Award-Verleihung 2014 mit Gold ausgezeichnet. Die Jury würdigte die kreative Qualität und den überdurchschnittlichen Erfolg im hart umkämpften Detailhandel-Markt. Was macht diese Kampagne so besonders? Das weiss Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management am IAM.
von Prof. Dr. Nicole Rosenberger, Professorin für Organisationskommunikation und Management am Institut für Angewandte Medienwissenschaft (IAM) der ZHAW
Bis 2020 eine Milliarde Franken in Freizeit, Bildung und Kultur zu investieren – dies verspricht Migros Manon, einem Mädchen in der Schweiz. Noah verspricht sie, ab Ende 2014 nur noch Pflanzenschutzmittel anzubieten, die für Bienen ungefährlich sind. Die Website von „Generation M“, dem Nachhaltigkeitsprogramm der Migros, hält die Versprechen an die künftige Generation fest. Statusberichte zeigen den Grad ihrer Umsetzung: auf Kurs, nicht auf Kurs, erfüllt, nicht erfüllt.
Diese Versprechen sind Mini-Geschichten, die implizit auf einen aktuellen Mangel hinweisen, den der Grossverteiler beseitigen will. Sie stützen die eigentliche Story, in der sich die Migros als verantwortungsbewusste Gestalterin einer gemeinsamen Zukunft inszeniert. Für mich ein überzeugendes Beispiel für identiätsorientierte und vertrauensbildende Organisationskommunikation:
In der Generationen-Erzählung verbindet die Migros komplexes Nachhaltigkeitsmanagement mit der konkreten Lebenswelt von aktuellen und zukünftigen KonsumentInnen. Mit der direkten Ansprache gibt sie der Community der künftigen Konsumentinnen ein Gesicht. Gleichzeitig führt sie über die komplementären Gesten des Versprechens und Vertrauens vor, wie sehr Vertrauensnehmer und Vertrauensgeber aufeinander angewiesen sind.
Vertrauen – also die begründete Hoffnung auf die Erfüllung von Erwartungen – hat gerade heute eine enorme Bedeutung. Das hängt damit zusammen, dass die Komplexität von Organisationen und ihr globaler Aktionsradius es für Stakeholder praktisch unmöglich machen, eine Organisation zuverlässig zu beurteilen. Eine klare Vorstellung von identitätsstiftenden Werten der Organisation versetzt Stakeholder aber in die Lage, ihr zu vertrauen. Dies wirkt sich direkt auf das Beziehungsnetz aus, das Organisationen mit ihren Stakeholdern verbindet.
Vertrauen ist die Basis aller Beziehungen, denn es wirkt der latenten Unsicherheit entgegen, die durch die Frage entsteht, ob das Gegenüber tatsächlich hält, was es verspricht. Das gilt sowohl für Beziehungen zwischen natürlichen Personen als auch zwischen natürlichen und juristischen Personen. Je grösser das Vertrauen, dass einer Organisation entgegengebracht wird, desto stabiler ist ihr Beziehungsnetz und desto grösser ihr Handlungsspielraum.
Identität und Vertrauen können nicht über abstrakte und isolierte Kernbotschaften vermittelt werden. Identitätskommunikation muss die Organisation und ihre Umwelt verbinden. Ein ideales Mittel zur Schaffung und Darstellung von Gemeinsamkeiten ist Storytelling. Denn in Erzählungen werden Emotionen transportiert und von allen Menschen geteilte Erfahrungen evoziert. Gelingt es Organisationen, ihre Werte und ihre strategische Ausrichtung zu einem Narrativ zu verdichten und ihre Kommunikation im Wesentlichen darauf auszurichten, dann sind sie eindeutig und nachhaltig wahrnehmbar.
Und dies wirkt sich auf die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation aus: Organisationen, die ihre Identität aktiv gestalten und die Kommunikation in diesen Prozess einbeziehen sind nicht nur klarer positioniert, sie können auch ihre Botschaften und Angebote effizienter – sprich ökonomischer – platzieren. Identiätsorientierte und vertrauensbildende Kommunikation ist also eine wichtige Voraussetzung, um sich in einem kompetitiven und kritischen Umfeld erfolgreich zu behaupten.
Toller Beitrag – merci. Schön, dass am IAM (Public) Storytelling als Methode auch für die Organisationskommunikation immer klarere Konturen erhält.
Ja, und die Methode macht Spass! Wir sind schon ganz gespannt, wie sich das Public Storytelling in den Diskussionen weiterentwickelt.