Was wäre, wenn? Eine Bachelorarbeit hat untersucht, wie sich die Kosten für verschiedene Beispielhaushalte entwickelt hätten, wäre das CO2-Gesetz im Juni 2021 angenommen worden. Die Ergebnisse machen deutlich, wie wenig das Stimmvolk zu befürchten gehabt hätte.
Ein Gastbeitrag von Benjamin Lütolf, Dr. Johanna Cludius und Prof. Dr. Regina Betz
Mit der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2017 hat sich die Schweiz verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 50 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 zu reduzieren.[1] Das revidierte CO2-Gesetz, welches die gesetzliche Grundlage für die Erreichung dieser Verpflichtung gewesen wäre, wurde jedoch am 13. Juni 2021 von der Schweizer Stimmbevölkerung abgelehnt.[2] Der im September 2022 veröffentlichte neue Vorschlag beinhaltet vor allem die Subventionierung von Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, synthetischen Treibstoffen sowie der grenzüberschreitenden Zuginfrastruktur. Der ursprüngliche Vorschlag sah Preisinstrumente vor, die die CO2-Emissionen nach dem Verursacherprinzip teurer gemacht hätten – beispielsweise durch die Erhöhung der CO2-Abgabe oder einer Flugticketabgabe. Da die Verteilungseffekte bei der Ablehnung des Gesetzes eine grosse Rolle gespielt haben, wollen wir transparent machen, was die Effekte wirklich gewesen wären. Die vor der Abstimmung publizierten Verteilungseffekte von verschiedenen Parteien wichen zum Teil um fast CHF 1’000 voneinander ab und die Berechnungsgrundlagen wurden nicht in allen Fällen veröffentlicht.
Schätzungen für repräsentative Beispielhaushalte
Wie wären verschiedene Beispielshaushalte von den Massnahmen des geplanten CO2-Gesetzes betroffen gewesen? Diese Frage ist Gegenstand einer Bachelorarbeit[3] gewesen, die am Centre for Energy and the Environment der ZHAW betreut wurde. Im Rahmen der Arbeit werden die gesamten Kosten für die Periode 2021 bis 2030 geschätzt, die durch die CO2-Bepreisung für repräsentative Schweizer Beispielhaushalte entstanden wären. Das bedeutet, dass die jetzigen Kosten des bestehenden CO2-Gesetzes auch berücksichtigt sind. Unterschieden wird nach Haushaltstypen (z.B. pensioniert, erwerbstätig, Anzahl Personen im Haushalt), nach Wohnort (städtische und ländliche Region) und nach Einkommen. Um die durch das CO2-Gesetz verursachten Kosten zu berechnen, sind den Beispielhaushalten anhand verfügbarer Quellen durchschnittliche Verbräuche für Brennstoffe für die Heizung, Treibstoffe für die Mobilität und eine Anzahl an Flügen zugeordnet worden. Die Berechnung berücksichtigt ausserdem die Entlastungswirkung durch die im Gesetzesentwurf beinhaltete Rückverteilung der CO2-Preiseinnahmen an die Haushalte. In einem letzten Schritt wird schliesslich aufgezeigt, welche Entlastungswirkungen die Haushalte durch Anpassungsreaktionen hätten erreichen können.
Hauptverursacher hätten mehr bezahlt
Die Berechnungen zeigen, dass Mehrkosten besonders für diejenigen Haushalte entstanden wären, die auf grossen, fossil beheizten Wohnflächen wohnen, eine hohe Fahrleistung mit Verbrenner-Pkws haben und eine grosse Anzahl an Flügen pro Jahr aufweisen. Wie die Grafik zeigt (mittlere/grüne Säule), beträgt die maximale Nettobelastung der Beispielhaushalte nach Rückverteilung im betrachteten Zeitraum maximal ein Prozent des verfügbaren Einkommens[4]. Welchen Anteil seines Einkommens ein Haushalt zusätzlich aufbringen muss, ist dabei einerseits abhängig von der absoluten Höhe der geleisteten Abgaben in CHF und andererseits von der Höhe des verfügbaren Einkommens. Je niedriger das verfügbare Einkommen, desto stärker fallen zusätzliche Belastungen ins Gewicht.
Flugreisen als grosser Hebel
Ziel der CO2-Bepreisung ist es, CO2-Emissionen zu verringern. Durch eine Reduktion der beheizten Wohnfläche, der Fahrleistung mit Verbrennermotor und der Flüge können Haushalte ihre finanzielle Belastung effektiv senken. Insbesondere durch weniger Flugreisen könnten Haushalte recht schnell ihre Gesamtkostenbelastung reduzieren. Beim Umstieg auf klimafreundliche Mobilität kommt es auf das Vorhandensein geeigneter Infrastruktur, sowie ggf. Mittel zum Umstieg auf ein E-Auto an. Energetische Sanierung und Heizungstausch im Gebäudebereich sind die wohl aufwändigsten Massnahmen, aber zum Erreichen der Klimaziele unerlässlich. Wie die Ergebnisse der Bachelorarbeit zeigen, wird die Belastung durch das CO2-Gesetz durch erwartbare Anpassungsreaktionen deutlich verringert (dritte/orange Säule).
Umstieg auf klimafreundliche Alternativen muss zügig erfolgen
Aus diesen Untersuchungen ergeben sich konkrete Handlungsempfehlungen: Insbesondere muss für die langfristige Klimapolitik transparent kommuniziert werden, wie die Kosten der Massnahmen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen verteilt werden, indem beispielsweise auf unterschiedliche Haushaltskonstellationen und geografische Regionen eingegangen wird. Die Zahl der Haushalte, in denen durch Rückverteilung eine Nettoersparnis erreicht wird, muss der Bevölkerung bekannt sein. Gleichzeitig ist es unabdingbar, dass die Menschen zügig auf klimafreundliche Alternativen umsteigen. Die Politik sollte in Kampagnen den Nutzen solcher Anpassungsmassnahmen herausstellen und finanzielle Unterstützung für Haushalten mit geringem Einkommen anbieten.
Die Bachelorarbeit von Benjamin Lütolf ist auf der Website des CEE zu finden:
Abgelehntes CO2-Gesetz: Auf der Suche nach Verteilungswirkungen
[1] Bundesamt für Umwelt (BAFU) (2021). Schweizer Klimapolitik im internationalen Kontext. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/dossiers/klimaschutz-und-co2-gesetz/schweizer-klimapolitik-im-internationalen-kontext.html.
[2] Bundesamt für Umwelt (BAFU) (2021). CO2-Gesetz und Klimaschutz. https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/dossiers/klimaschutz-und-co2-gesetz.html
[3] Lütolf, B. (2022). Abgelehntes CO2-Gesetz: Auf der Suche nach Verteilungswirkungen [Unveröffentlichte Bachelorarbeit]. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ZHAW.
[4] Lütolf, B. (2022). Abgelehntes CO2-Gesetz: Auf der Suche nach Verteilungswirkungen [Unveröffentlichte Bachelorarbeit]. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ZHAW.