In ihrem Gastbeitrag berichtet ZHAW-Forscherin Regina Betz von der jährlichen Energiekonferenz im Kloster Disentis – und mit welcher Vielfalt an Fachbeiträgen die ZHAW dabei vertreten war.
Schon zum siebten Mal trafen sich Forschende im 1400 Jahre alten Kloster in Disentis, um über die Transformation der Energiesysteme und damit verbundene Herausforderungen zu diskutieren. Mit insgesamt zehn Beiträgen stellte die ZHAW in diesem Jahr die deutlich stärkste Fraktion auf der hybrid abgehaltenen Konferenz, die jährlich von Alpenforce gemeinsam mit der Fachhochschule Graubünden organisiert wird.
Die Konferenz umfasst technische über sozial- bis hin zu wirtschaftswissenschaftlichen Beiträgen im Energiebereich. Die Veranstaltung schafft ein Forum für einen interdisziplinären, aber auch transdisziplinären Austausch, was einzigartig in der Schweizer Konferenzlandschaft ist. Für das ZHAW Center for Energy and the Environment (CEE) sind die Tage in Disentis eine bereits lieb gewonnene Tradition. Sie bieten die einmalige Gelegenheit, unsere Forschungsergebnisse mit Schweizer Fokus einem interessierten Publikum aus dem deutschen Sprachraum vorzustellen, das neben Akademiker:innen auch Fachleute aus der Praxis umfasst.
Speicherreserve und Ammoniak
Doch worum ging es konkret? Die Themen lassen sich grob in drei Blöcke unterteilen. Im ersten Block wurden die Herausforderungen des «heutigen» Energiesystems präsentiert, das zum Grossteil noch auf fossilen Energien basiert und eher von passiven Energiekonsument:innen ausgeht. Die Themen reichten dabei von der Angst vor einer Strom-Winterlücke in der Schweiz, über die Analyse von Gas- und Ölpreiskorrelationen bis hin zu einer geopolitischen Einordnung der russischen Gas- und Ölstrategie im Licht von Nord-Stream 2, dem politischen Ukraine-Konflikt und den derzeit exorbitanten Gaspreisen. Ingmar Schlecht des CEE stellte die Erkenntnisse zur Speicherreserve vor, die das BFE plant, um eine potenzielle Strom-Winterlücke zu schliessen. Dabei zeigte er, dass eine Knappheit wohl äusserst unwahrscheinlich ist. Bei der Ausgestaltung der Reserve sollte es vor allem darum gehen, die Kapazitäten auf mehrere Speicherkraftwerke zu verteilen, damit im Notfall in verschiedenen Kraftwerken Strom produziert werden könnte. Peter Flohr von der School of Engineering der ZHAW zeigte ausserdem auf, wie CO2-intensiv die Produktion von Ammoniak derzeit ist, da sie vor allem in China mit Kohlestrom produziert wird. Die Schweiz importiert diesen und wendet ihn in Form von Dünger in der Landwirtschaft an. Peter Flohr forderte, dass diese indirekten Emissionen erst angegangen werden müssen, bevor über grössere Produktionen von Wasserstoff für andere Zwecke nachgedacht wird.
Lokale Stromproduktion und Energiegenossenschaften
Der Fokus des zweiten Blocks lag auf der regenerativen Stromproduktion und den Strommarktanforderungen mit einem besonderen Augenmerk darauf, welche Rolle der Alpenraum spielt bzw. in Zukunft spielen kann. Dort wurden die neuen aktiven Energieakteur:innen sichtbar, die in der Zukunft als Genossenschaften, Aggregateuren oder Kommunen stärker die dezentralen und lokale Stromproduktion aufbauen. Beispielsweise wird das Skipistenpersonal im Sommer zu Stromproduzenten und in Disentis wird bereits Stromproduktion in die Trinkwasserversorgung integriert. Christian Winzer und Patrick Ludwig (CEE) stellten die Ergebnisse des vom BFE geförderten Projekts NETFLEX vor. Gemäss einer schweizweiten Umfrage wären Tarife mit konstanten Preisen und direkter Laststeuerung am besten akzeptiert. Wie eine anschliessende Simulation gezeigt hat, kann direkte Laststeuerung darüber hinaus auch das Auftreten von Rebound-Peaks zu Beginn der Niedertarif-Zeiten vermeiden, die von Hoch-Niedertarifen bei grossen Mengen flexibler Lasten verursacht werden können.
Manuel Grieder (CEE) stellte eine Studie zur Zahlungsbereitschaft von BKW-Kund:innen für unterschiedliche regenerative Energietechnologien und geographischen Standorten vor. Diese kam durch ein Experiment mit monetärer Vergütung zum Schluss, dass die meisten Befragten Schweizer Wasserkraftstrom präferieren, dafür eine hohe Zahlungsbereitschaft aufweisen und nur wenig von europäischem Wind- oder Photovoltaik-Strom halten.
Ausserdem durfte die ZHAW auf der Konferenz die Ergebnisse aus den vier «Horizon 2020 Schwesterprojekten» zu sozialen Innovationen moderieren. Es wurde deutlich, wie wichtig soziale Initiativen wie Energiegenossenschaften sind, um die Akzeptanz der regenerativen Energien zu stärken. Die Erhebungen zeigen, dass ein gewissen Bildungsniveau der Bevölkerung wie auch die Beteiligung von Gemeinden an Investitionen dabei wichtige Erfolgsfaktoren sind, damit solche Initiativen weiter wachsen können.
Energieinnovationen für morgen
Im letzten Block wurde ein Blick in die ferne Zukunft gewagt und es ging um die Dekarbonisierung der Wärme- und Industrieprozesse. Hier wurde neben der Frage, wie effizient Energie in Österreich oder auch in der Schweiz überhaupt eingesetzt wird, vor allem das Thema klimaneutraler Gase wie Wasserstoff und Gas aus Biogasanlagen sowie die technischen Optionen zur Wärmespeicherung diskutiert. Nina Boogen (CEE) stellte Ergebnisse einer Studie vor, um die Zahlungsbereitschaft für den Zusatznutzen – wie die verbesserte Innenluftqualität – von energiesparenden Lüftungen (wie sie in Minergiehäusern vorkommen) empirisch zu schätzen. Matthias Speich aus dem Institut für Nachhaltige Entwicklung der ZHAW School of Engineering präsentierte dabei die im Rahmen des Projekts DeCarbCH gewonnen Erkenntnisse einer Umfrage bei Schweizer Unternehmen, die Zielvereinbarungen eingegangen sind, um die CO2-Abgabe rückerstattet zu bekommen. Nach Einschätzung eines Zuhörers scheinen die Zielvereinbarung für eine Dekarbonisierung eher ungeeignet, da sie meist nur inkrementelle Verbesserungen umfassen. Um die CO2-Emissionen künftig auf null zu senken, wären jedoch Systemänderungen notwendig. Hier müsste die künftige Politik ansetzen. Die ZHAW war ausserdem mit Florian Rüsch aus dem Departement N mit einem technischen Beitrag zu Biogasanlagen im Bereich Landwirtschaft vertreten. Diese Anlagen werden zwar keine grossen Mengen an Biogas produzieren, aber nach dem Motto «Kleinvieh macht auch Mist» sollten sie auch ihren Teil zur Energiewende beitragen. Dabei ist das Ziel nicht nur die Methanemissionen aus der Gülle zu reduzieren, sondern ein Netzwerk aufzubauen, dass auch die übrigbleibenden Nährstoffe als Dünger in der Landwirtschaft einsetzt. In seinem zweiten Beitrag wurden die Anlagen noch kleiner, dafür kamen sie hoch oben auf dem Berg Crap Sogn Gion zum Einsatz und zeigten auf wie mit dem Biogas aus Hotel- und Restaurantabfällen eine Sauna betrieben werden könnte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Alpenraum auch in Zukunft eine grosse Rolle bei der Bereitstellung von grünem Strom und Gas in der Schweiz spielen wird. Denn dort scheint die Sonne über dem Nebel im Winter, Abfälle können aus der Landwirtschaft für die Biomasse bezogen werden und die traditionelle Wasserkraft bleibt auch in Zukunft die Stromproduktion Nummer eins für die Schweiz.