Vor zwei Jahren führte die ZHAW als eine der ersten Bildungsinstitutionen eine Richtlinie zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) bei Leistungsnachweisen ein. Im Unterschied zu anderen Hochschulen setzte sie damit ein positives Signal: KI sollte nicht verboten, sondern aktiv und reflektiert integriert werden. Heute zeigt sich, dass dieser Weg der richtige war. Die zentralen Prinzipien der Richtlinie haben Bestand, und die Erfahrungen bestätigen, dass es klug war, frühzeitig Orientierung zu geben. Dennoch ist die Zukunft der Richtlinie ungewiss.
Ein Beitrag von Lisa Messenzehl
Als ChatGPT im Herbst 2022 für Aufsehen sorgte, stand auch die Hochschulbildung vor einer Herausforderung: Wie soll mit dieser Technologie umgegangen werden? Die ZHAW handelte schnell und versammelte relevante Stakeholder, um zu beraten, was nun am dringendsten sei. Während erste Hochschulen KI-Nutzung untersagten, war für die ZHAW klar: Ein Verbot ist keine Option. Die KI würde nicht wieder verschwinden und sie würde ohnehin genutzt werden – also war es unsere Aufgabe, klare Leitlinien zu formulieren, welche Orientierung bieten. Die Integration in den Unterricht war eine langfristige Aufgabe – die Regeln für Leistungsnachweise mussten jedoch sofort definiert werden. Bereits im März 2023 trat die Richtlinie KI bei Leistungsnachweisen in Kraft.
Warum eine KI-Richtlinie notwendig ist
KI ist längst Teil des Berufsalltags – und damit auch der Hochschulbildung. Denn die ZHAW sieht es als ihre Aufgabe, Studierende auf diese Realität vorzubereiten. Der kompetente Umgang mit KI wird in vielen Branchen zur Schlüsselqualifikation. Gleichzeitig hat die Hochschule die Verantwortung sicherzustellen, dass individuelle Fähigkeiten, wissenschaftliche Integrität und faire Bewertungsgrundlagen erhalten bleiben.
Die Richtlinie setzt hier einen Rahmen für einen verantwortungsvollen Einsatz generativer KI bei Prüfungen und Arbeiten. Sie gibt Dozierenden Orientierung darüber, was sie von den Studierenden erwarten dürfen und wo die Grenzen der KI-Nutzung liegen – auch im Hinblick auf Datenschutz und Bewertung. KI-Erkennungssoftware ist an der ZHAW übrigens explizit verboten, da sie keine verlässlichen Ergebnisse liefert.
KI in Prüfungen und Arbeiten: Spezifische Regeln für unterschiedliche Leistungsnachweise
Prüfungen sind Leistungsnachweise, die innerhalb eines kurzen Zeitraums – in der Regel nicht mehr als vier Stunden – und meist unter Aufsicht erbracht werden. KI darf in Prüfungen verwendet werden, wenn sie explizit als Hilfsmittel zugelassen ist. Dies kann sinnvoll sein, wenn auch die Fähigkeit der Mensch-Maschine-Interaktion beurteilt werden soll oder die Leistungsbewertung anderweitig möglichst nah an den zukünftigen Arbeitsrealitäten der Studierenden ausgerichtet ist. Sofern das «KI-unabhängige» Wissen oder Handeln evaluiert werden soll, ist die KI bei Prüfungen nicht erlaubt.
Arbeiten hingegen sind Leistungsnachweise, die über einen längeren Zeitraum erbracht werden, häufig einen individuellen Charakter haben und nicht beaufsichtigt werden. Die Nutzung generativer KI ist hier ein natürlicher Bestandteil einer zeitgemässen Arbeitsweise mit digitalen Hilfsmitteln, welche mittlerweile schon erwartet werden darf. Dennoch muss die Verwendung von KI transparent gemacht und zugeordnet werden. Daher gilt an der ZHAW grundsätzlich eine Deklarationspflicht für alle KI-generierten Inhalte, die eine Arbeit schöpferisch mitgestalten.
Subsidiarität: Fachspezifische Autonomie ist essenziell
Ein zentrales Prinzip der Deklarationspflicht ist die Subsidiarität. Die allgemeinen ZHAW-weiten Regeln gelten nur hilfsweise, wenn keine spezifischeren Vorgaben – etwa des Studiengangs – existieren. Das ist für eine Hochschule mit vielen verschiedenen Fachbereichen essenziell. Denn es kann einen grossen Unterschied machen, ob KI im linguistischen oder im naturwissenschaftlichen Kontext verwendet wird. Diese Autonomie ermöglicht eine disziplinspezifische Ausrichtung und stellt sicher, dass die jeweils passenden Regeln angewendet werden.
Eine Reise mit kontinuierlicher Verbesserung
Anfangs wurden die Regeln zur Deklarationspflicht als unscharf wahrgenommen. Zudem waren die Studierenden oft noch unzureichend informiert oder unsicher, welche Regeln sie befolgen sollten. Eine Befragung von Bachelorstudierenden zum Einsatz von KI bei Abschlussarbeiten im Jahr 2023 zeigte, dass nur 50% der Studierenden der Aussage «Die Regeln zum Umgang mit KI sind klar» zustimmten. Als Reaktion darauf wurde die Richtlinie um einen Anhang zur Deklarationspflicht mit konkreten Beispielen erweitert. Gleichzeitig wurde ein Merkblatt mit einer Entscheidungsmatrix erstellt, welches die wichtigsten Regeln übersichtlich darstellt.

Übersicht: Schritt für Schritt zur korrekten Deklaration © 2023 by ZHAW Ressort Bildung is licensed under CC BY 4.0
In der Befragung 2024 (bei Bachelor- und Masterstudierenden) erhöhte sich die Zustimmung zur Klarheit der Regeln auf 71%. Auch die Aussage «Ich wusste, wie man richtig deklariert» wurde 2024 von 54% der Studierenden (gegenüber 22% im 2023) bejaht.
Dennoch bleibt die Deklarationspflicht eine Gratwanderung: Sie darf nicht so kompliziert sein, dass Studierende aus Angst vor Fehlern auf die Nutzung von KI verzichten. Gleichzeitig muss sie sicherstellen, dass grundlegende Prinzipien des wissenschaftlichen Arbeitens erhalten bleiben und der KI-Einsatz reflektiert erfolgt. Auch präzisere Vorgaben schaffen keine vollständige Klarheit – beim Referenzieren lassen sich selten eindeutige Grenzen zwischen «richtig» und «falsch» ziehen. Hinzu kommt, dass sich sowohl die Schreibpraktiken im Zusammenspiel mit KI als auch die Funktionalitäten der Tools stetig weiterentwickeln.
Die Zukunft der KI-Richtlinie
Nicht nur Studierende, auch Dozierende müssen sich kontinuierlich mit KI auseinandersetzen, um deren Potenziale und Grenzen zu verstehen. Es ist wichtig, dass sie ihre Erwartungen und Unsicherheiten – auch solche in Bezug auf den Umgang mit KI bei Arbeiten – mit den Studierenden teilen. Schliesslich ist KI in der Bildung ein riesiges Lernfeld für alle. Der GenAI Skills Hub der ZHAW bietet dabei eine Möglichkeit für Information und Vernetzung.
Trotz der positiven Erfahrungen mit der KI-Richtlinie ist ihre Zukunft ungewiss – zumindest in Hinblick auf die Deklarationspflicht. KI stellt den didaktischen Wert vieler schriftlicher Arbeiten grundlegend infrage. Ihr Einsatz wird sich weiter normalisieren und sie integriert sich zunehmend nahtlos in verschiedenste Tools. Gleichzeitig wird die zunehmende Etablierung von KI im akademischen Umfeld dazu führen, dass es weniger regulierender Massnahmen bedarf.
Die ZHAW hat mit ihrer Richtlinie frühzeitig einen Rahmen geschaffen. Ob dieser in Zukunft angepasst oder obsolet wird, wird sich zeigen. Klar ist jedoch, dass die Integration von KI in die Hochschulbildung weiter voranschreiten wird und insbesondere Leistungsnachweise und deren didaktisches Design massgebend prägen wird.
KI-Deklaration:
Für diesen Blogbeitrag wurde ChatGPT (Version 4o) zur redaktionellen Unterstützung verwendet, konkret zur Strukturierung und Ausarbeitung von Titel, Abschnittsüberschriften sowie Text.