Open Education bezeichnet den freien und uneingeschränkten Zugang zu Bildung und Wissen. Vom Ackerbau bis zum Algorithmus können dank Open Education verschiedenste Lernfelder erschlossen werden.
Ein Beitrag von Thomas Schläpfer
Wer heute etwas lernen möchte, findet online zahlreiche kostenlose Bildungsangebote, wie Massive Open Online Courses (MOOCs), Open-Access-Publikationen oder E-Learning Kurse. Dank diesem freien, globalen Zugang können sich alle bilden und neues Wissen oder Fähigkeiten aneignen. Es ist gleichgültig, ob es sich um Personen in Schwellen- oder Entwicklungsländern handelt, die eine kostenlose Ausbildung suchen, oder um Personen, die nach der Arbeit noch die Energie finden, sich weiterzubilden oder beruflich neu zu orientieren. Alle finden einen Mehrwert in Open Education. Sei es, um eine Programmiersprache zu erlernen und dadurch eine Anstellung zu finden oder um zu lernen, wie man im Arbeitsalltag Videokonferenzen erfolgreich moderiert.
Zwischen Reichweite und Kommerzialisierung
Doch viele Hochschulen stehen durch den globalen Charakter von Open Education vor der Herausforderung, ihre Angebote sichtbar zu machen. Selbst wenn das Bildungsangebot vor Ort hervorragend ist, ist der Schritt aufs internationale Parkett nicht zu unterschätzen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Sie reichen von sprachlichen Barrieren über nationale Orientierung bis hin zu politischen Hürden. Hier treten externe Lernplattformen ins Rampenlicht. Durch ihre Internationalität überbrücken sie die Lücke zwischen Bildungsangeboten und der weltweiten Nachfrage. Sie bieten zudem einen essenziellen Service für den globalen Open Education Markt, indem sie Qualitätsstandards setzen, verschiedene Angebote bündeln und Zertifikate ausstellen. Ein prominentes Beispiel ist die Plattform edX, die von den US-Universitäten Harvard und MIT gegründet wurde und seit 2021 dem börsennotierten Unternehmen 2U angehört. Sie bietet eine breite Palette an qualitativ hochwertigen universitären Inhalten an, von Einstiegskursen bis hin zu Master-Programmen.
Die Zusammenarbeit mit privaten Plattformen führt jedoch Hochschulen in das komplexe Spannungsfeld des privatwirtschaftlichen Bildungsmarktes. In diesem Kontext müssen sie zwischen Reichweite und Kommerzialisierung des Bildungsangebots abwägen. Gleichzeitig entstehen stets neue innovative Konzepte und Lösungen, um die Potenziale der Open Education zu erweitern. «Das dynamische Umfeld von Open Education birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen und es ist davon auszugehen, dass die Thematik die Hochschulen in den kommenden Jahren noch intensiv beschäftigen wird», so Svenia Schneider-Wulf vom Innovation Lab des Ressort Bildung.
Am Puls der Zeit
Die ZHAW bleibt im Bereich der Open Education stets am Puls der Zeit. So war sie mit zwei MOOCs als weltweit erste Fachhochschule 2020 auf edX vertreten. Im Juni 2023 wurde das Pilotprojekt zum Einsatz von Open Digital Badges an der ZHAW erfolgreich abgeschlossen. Dabei werden Open Badges immer wieder als digitale Zertifizierungsformate in Zusammenhang mit Open Education ins Spiel gebracht, beispielsweise für MOOCs.
Gerade weil die Anerkennung und Zertifizierung von erworbenem Wissen und Kompetenzen für Open Education eine Herausforderung darstellt, erlebt das Thema Zertifizierung, insbesondere jedoch «Micro-Credentials» ein starkes, hochschulpolitisches Momentum. Unter Micro-Credentials versteht man den Nachweis von Kompetenzen, die im Rahmen von thematisch fokussierten Bildungsangeboten erworben wurden – in der Regel sind dies kleinere Kurse. Um das Thema frühzeitig anzugehen, hat die ZHAW im April 2023 eine interne Umfrage durchgeführt. «Uns war es wichtig zu verstehen, wie das Thema Micro-Credentials innerhalb der ZHAW verstanden, eingeschätzt und gegebenenfalls umgesetzt wird. Als Hochschule wollen wir intern aber auch im Rahmen der swissuniversities-Bestrebungen diese Entwicklung aktiv mitgestalten», so Schneider-Wulf.
Das Beispiel der ZHAW zeigt, wie Hochschulen auf das dynamische Umfeld von Open Education reagieren und einwirken. Doch wie und unter welchen Bedingungen Open Education weltweit vorangebracht wird, bleibt eine zentrale Frage, mit der sich alle Hochschulen sowohl individuell als auch gemeinschaftlich auseinandersetzen müssen.
6. September 2023 – Keynote und Panel-Diskussion an der ZHAW
«Open, Micro, digital Platforms – Hype or the Future of Higher Education?»
In dieser Veranstaltung wird im Kontext von Open Education diskutiert, welchen Einfluss Micro-Credentials und E-Learning-Plattformen auf das Lehren und Lernen haben. Wird Bildung in Zukunft zugänglicher, flexibler und kollaborativer?
Mit Blick auf das Spannungsfeld zwischen lebenslangem Lernen und Kommerzialisierung von Bildung soll auch über die Rolle und Verantwortung der Hochschulen diskutiert werden: Wie können Hochschulen die aktuellen Prozesse aktiv gestalten und die neuen Möglichkeiten für sich selbst und die Zukunftsfähigkeit der Bildungslandschaft nutzbar machen? Im Kontext von Micro-Credentialing und Plattformangeboten, wie können wir die Brücke zwischen einer womöglich immer stärker fragmentierten Aneignung von Wissen und Kompetenzen hin zu Bildung schlagen? Wo liegen blinde Flecken und welche Entwicklungen sollten reflektiert und kritisch beleuchtet werden?
Die Keynote hält die Bildungswissenschaftlerin und Open-Education-Expertin Barbara Class (Universität Genf). Neben Barbara Class diskutieren auf dem Panel Christoph Negri (Psychologe/Leiter ZHAW-IAP), Kathy Pugh (Sr. Vice President Partnerships 2U/edX) und Sascha Schneider (Professur «Educational Technology»/Universität Zürich).
Beitragsbild: “Books, people and bouncing balls spiling out of a university building” generiert durch die künstliche Intelligenz Dall E und gepromptet von Julian Keuzenkamp.