Zwei Perspektiven auf Generative KI: Lehren und Lernen am Institut für Facility Management

Wie verändert Generative KI (GenKI) die Lehre und das Lernen? Am Institut für Facility Management (IFM) zeigen die Perspektiven von Dozierenden und Studierenden, wie diese Technologie genutzt wird, welche Bedürfnisse und Erwartungen im Hochschulkontext bestehen und welche Chancen sie für die Lehre birgt.

ein Blog-Artikel von Paul Schmitter, Christian Coenen und Carmen Ulrich

Wie verändert GenKI unser Lehren und Lernen wirklich? Die rasante Entwicklung von GenKI stellt Lehrende und Studierende gleichermassen vor neue Herausforderungen und bietet ungeahnte Chancen. Es geht längst nicht mehr nur darum, Technologie zu integrieren, sondern darum, wie wir sie gezielt nutzen, um das Lernen wirklich zu transformieren. Wir sollten die traditionelle Lehr-Lern-Beziehung im Bereich der GenKI hinterfragen: Lehrende und Lernende befinden sich gemeinsam in einem ständigen, dynamischen Lernprozess – mit, durch und auch trotz GenKI.

Bowen und Watson (2024) bringen es in ihrem aktuellen Buch ‘Teaching with AI’ folgendermassen auf den Punkt: “What we call cheating, businesses see as innovation”. Diese Sichtweise fordert uns auf, die Rolle als Lehrende neu zu definieren und KI als Innovationsmotor in der Hochschullehre zu begreifen. Inhalte, die bisher statisch erschienen, werden durch KI kontinuierlich weiterentwickelt. Diese Dynamik erfordert Neugier und die Bereitschaft, selbst zu experimentieren. In dieser sich schnell verändernden Lehr- und Lernlandschaft dürfen wir uns deshalb nicht auf unserem bisherigen Wissen ausruhen. Für viele mag dies ungewohnt sein, doch genau hier liegt die Chance. Wir sind alle Teil eines gemeinsamen “Learning Labs”, in dem es darauf ankommt, den Einsatz von GenKI im Learning Design mutig zu erkunden, abzuwägen und immer wieder neu zu gestalten. Fehler sind willkommen, denn sie helfen uns zu lernen und innovative Wege zu entwickeln.

Lehrende sollten sich von der traditionellen Rolle als reine Wissensvermittler verabschieden und sich stattdessen als Designer innovativer Lernerlebnisse verstehen. Moderne Lern- und Lehrpsychologie sowie technologische Fortschritte bieten uns die Chance, das Lernen nicht nur zu begleiten, sondern aktiv und kreativ zu gestalten – mit oder ohne GenKI. Unsere Aufgabe ist es, interaktive, inspirierende Lernangebote zu schaffen, die Lernende motivieren, fordern und nachhaltig unterstützen.

Für uns als LernangebotsdesignerInnen bietet das Generative Learning Experience (GLX)-Design eine Erweiterung der traditionellen Lernmethodik durch den gezielten Einsatz generativer KI. Aufbauend auf den sechs Lernaktivitäten nach Diana Laurillard (2012) beschreibt Generative Learning Experience dabei eine neue Art der Lernaktivität, die teilweise Ähnlichkeiten im Umgang mit interaktiven Medien im Gaming und mit Chat-/ Voicebots aufweist (Coenen, 2024). GLX definiert sich nicht durch die Werkzeuge, die es benutzt, sondern durch die Erfahrungen, die es ermöglicht und bietet die Möglichkeit, (Hochschul)Lernen auf eine neue, spannende Ebene zu heben. Es stellt sicher, dass Lernende aktiv in den Lernprozess eingebunden werden. Statt Inhalte nur passiv zu konsumieren, ermöglicht GLX ihnen, Wissen zu erkunden, zu üben, zu diskutieren, zu kollaborieren und zu kreieren – und das alles allein oder als Lerngruppe in einer dynamischen Interaktion mit GenKI. Das bedeutet nicht, dass traditionelle Lehr- und Lernveranstaltungen gänzlich verschwinden müssen – jedoch ist es wichtig, dass unser didaktischer Werkzeugkasten weiterwächst. Viele von uns stehen am Anfang einer spannenden Lernreise, die uns von “Teaching to Learning” führt. Unsere Verantwortung ist es, veraltete Lehrmethoden hinter uns zu lassen und dynamische, flexible Lernumgebungen zu schaffen, in denen KI als stärkendes Element integriert wird. Lehrende werden so zu Ermöglichern, die Lernende dabei unterstützen, ihre eigenen Lernpfade zu erkunden und das Potenzial der KI optimal auszuschöpfen.

GLX-Designbeispiele für kollaboratives und individuelles Lernen

In der eigenen Lehre beobachtet Christian, wie GLX-Design den Lernprozess der Studierenden erheblich bereichert. Der Zugang zu generativen Modellen eröffnet neue Wege, um individuelle Lernpfade zu gestalten und reale Probleme kreativ zu lösen. Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von generativer KI beim kollaborativen Lernen ist das Service Camp, ein Innovationsprojekt für Service Design Thinking. In diesem realen Projekt arbeiten Studierende in kleinen Teams, die jeweils von einem GPT-basierten KI-Assistenten unterstützt werden. Der KI-Kollaborator fungiert als zusätzlicher “Teamkollege” und hilft z.B. beim besseren Verstehen, der kundenseitigen Herausforderungen, bei der effektiven Datenanalyse oder auch bei der kreativen Problemlösung. Diese Form der Mensch-KI-Kollaboration gibt den Studierenden die Chance, praxisnah zu erleben, wie KI als Katalysator für Innovation und Zusammenarbeit dienen kann.

Ein weiteres spannendes Beispiel ist der KI-Reflektionsbot, der im MSc-Programm genutzt wird. Dieser Bot steht den Studierenden individuell zur Verfügung und stellt gezielte reflektierende Fragen, um den Lernprozess im Studium zu vertiefen. Dadurch können die Studierenden ihre Denkprozesse besser nachvollziehen und das erlernte Wissen nachhaltig verankern. Die Kombination aus persönlicher Reflexion und KI-gestützter Unterstützung zeigt eindrucksvoll, wie GenKI nicht nur das Lernen erleichtert, sondern auch zur Selbstreflexion anregt und das individuelle Lernen sowie die Metakognition verbessert.

GLX entsteht somit an der Schnittstelle von menschlicher Intuition und KI-Fähigkeiten und schafft einen dynamischen Raum, in dem mehrere Lernmöglichkeiten gleichzeitig erforscht werden können. Hierbei wird KI von den Lernenden als Denkpartner genutzt und eigenverantwortliches Lernen gefördert.

Nach der Betrachtung der Perspektive der Lehrenden richten wir nun den Blick auf die Studierenden und ihre Erfahrungen mit GenKI. Die Nutzung dieser Technologie durch Studierende zeigt einige Unterschiede zwischen Bachelor- und Master-Studierenden, sowie die verschiedenen Herausforderungen, denen sie dabei begegnen. Es wird deutlich, dass GenKI nicht nur ein Werkzeug zur Unterstützung des Lernens ist, sondern auch eine Plattform, um die eigene Rolle im Lernprozess zu hinterfragen.

Einblicke in die Ergebnisse der Bachelorarbeit von Carmen Ulrich

Die Bachelorarbeit von Carmen Ulrich untersuchte, wie Bachelor- und Master-Studierende am IFM GenKI bisher nutzen und welche Bedürfnisse und Herausforderungen dabei auftreten. Die quantitative Studie mittels eines strukturierten Online-Fragebogens beleuchtete insbesondere Nutzungsmuster, Barrieren und Bedürfnisse und leitete daraus Empfehlungen für die Studiengangsleitungen ab.

Die Resultate zeigen, dass GenKI-Tools wie ChatGPT, DeepL und Grammarly am häufigsten genutzt werden, insbesondere von Bachelor-Studierenden – dies vor allem in den tieferen Semestern. Hauptgründe, die angegeben wurden, sind die Steigerung der Lern- und Studieneffizienz sowie die Unterstützung bei Forschungsprojekten. Während Bachelor-Studierende GenKI-Tools für grundlegende Lernaktivitäten und zur Prüfungsvorbereitung nutzen, verwenden Master-Studierende GenKI-Tools auch für spezialisierte Forschungs- und Analysezwecke.

Trotz Vorteile bestehen verschiedene Barrieren bei den Studierenden wie Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit und Vertrauenswürdigkeit der KI-Ergebnisse, Datenschutzfragen und finanzielle Hindernisse durch Lizenzgebühren für Vollversionen. Zudem wünschen sich viele Studierende konkrete Anleitungen für den korrekten Einsatz von KI-Tools in wissenschaftlichen Arbeiten.

Es besteht ein klarer Bedarf, GenKI vermehrt in den Lehrplan zu integrieren. Studierende wünschen insbesondere:

  • Eine gezielte Vermittlung des effizienten und verantwortungsvollen Umgangs mit GenKI-Tools.
  • Praxisorientierte Beispiele von konkreten Anwendungen in wissenschaftlichen Arbeiten.
  • Zugang zu Pro-Versionen mit erweiterten Funktionen durch die Hochschule.

Empfehlungen für die Studiengangsleitungen am IFM aus Sicht des Kunden

Basierend auf den Ergebnissen der Studie wurden Empfehlungen für die Studiengangsleitungen am IFM abgeleitet. Dabei sind unterschiedliche Strategien für den Einsatz von GenKI-Tools notwendig. Zum einen sollten spezifische Tools wie DeepL, Grammarly und ChatGPT priorisiert werden, da Studierende hier eine grössere Offenheit und Akzeptanz zeigen. Zum anderen ist eine gezielte Strategie erforderlich, um weniger bekannte Tools wie z.B. ChatPDF oder Humata stärker einzubinden, die aktuell seltener genutzt werden, aber das Potenzial haben, Studierende insbesondere bei wissenschaftlichen Arbeiten zu unterstützen. Die Sichtbarkeit und das Verständnis für diese Tools sollten durch Schulungen entsprechend erhöht werden.

Es ist ebenfalls wichtig, die unterschiedlichen Niveaus der Studierenden zu berücksichtigen. Bachelor-Studierende benötigen vor allem Unterstützung bei grundlegenden Lernaktivitäten, während Master-Studierende und fortgeschrittene Bachelor-Studierende in spezialisierten Anwendungen geschult werden sollten. Hier könnte auch die am IFM lancierten KI-Sprechstunden für Studierende (aber auch Dozierende) eine wertvolle Rolle einnehmen. Denn in den KI-Sprechstunden erhalten die Studierenden Feedback und Unterstützung zu ihren konkreten Fragen und Fallbeispielen. Es besteht das Potenzial, dass hier auch komplexere Anwendungsmöglichkeiten thematisiert werden und die Grenzbereiche von GenKI ausgelotet werden können.

GenKI ist mehr als nur ein Tool zur Textgenerierung

Die Bachelorarbeit von Carmen Ulrich ist ebenfalls ein anschauliches Beispiel dafür, wie Studierende die GenKI sinnvoll für sich nutzen können, um sie bei komplexeren Anwendungen wie der Datenanalyse zu unterstützen. Hier wurde die Pro-Version von ChatGPT als Hilfsmittel beigezogen, um die statistischen Auswertungen der quantitativen Daten aus der Umfrage mit Python durchzuführen.

Die statistischen Auswertungen wurden nicht einfach an die GenKI ausgelagert, sondern ChatGPT wurde zum persönlichen Lernbegleiter. Ohne vorherige Kenntnisse in diesem Bereich (abgesehen von R-Kenntnissen aus dem Statistikkurs im ersten Studienjahr) konnte Carmen mit Hilfe von ChatGPT die Python-Programmierumgebung einrichten, alle relevanten Bibliotheken auswählen und installieren, die notwendige Syntax der Programmiersprache erlernen und die richtigen statistischen Tests auswählen. Die Tatsache, dass den Studierenden nun ein persönlicher Assistent zur Seite steht, der sie durch diese Prozesse begleitet, bei Problemen hilft und Fragen beantwortet, revolutioniert die Art und Weise, wie heute gelernt wird. Neue Kompetenzen können so in kurzer Zeit, problemorientiert und selbständig erworben werden.

Eine kritische Haltung ist aber dabei wichtig, wie Carmen erklärt, denn vor allem bei der Datenanalyse wurde oft festgestellt, dass ChatGPT zu kleinen Fehlern neigt, die leicht übersehen werden können. Deshalb mussten die Ergebnisse immer sorgfältig überprüft werden. Die Statistikberatung, die allen Studierenden des Departements N angeboten wird, war besonders wertvoll, um Unsicherheiten bei der Auswahl und Durchführung der statistischen Tests zu klären.

Carmen kommt zu dem Schluss, dass GenKI-Werkzeuge zwar sehr wertvoll sind, aber kritisches und eigenständiges Denken nicht ersetzen können. Eine verantwortungsvolle Integration, die ethische Aspekte und den Datenschutz berücksichtigt, ist entscheidend, um die Vorteile von KI im Studium optimal zu nutzen. KI sollte zeitsparende Unterstützung bieten, aber nicht die gesamte Arbeit übernehmen.

Die Integration generativer KI stellt uns vor die spannende Herausforderung, unser Verständnis von Lehren und Lernen neu zu denken. Die Art und Weise wie wir neue Kompetenzen erwerben gestaltet sich ganz neu. Das GLX-Design ist ein Schritt in diese Zukunft und ermöglicht es uns, Lernprozesse interaktiver, dynamischer und auf die Bedürfnisse der Lernenden zugeschnitten zu gestalten. Als Lehrende haben wir die einzigartige Chance – und zugleich die Verpflichtung –, neue Wege zu gehen und Lernangebote zu schaffen, die herausfordern, begeistern und wirklich unterstützen.

Die Ergebnisse der Umfrage im Rahmen der Bachelorarbeit von Carmen verdeutlichen, dass GenKI ein fester Bestandteil des Studienalltags am IFM ist. GenKI ist längst nicht mehr nur ein nützliches Tool, sondern wird von den Studierenden zur Gestaltung ihres Lernerlebnisses mit eingesetzt. Insbesondere das Service Camp, ein Beispiel für die erfolgreiche Integration des GLX-Designs, zeigt, wie diese innovative Methodik das Lernen bereichern kann. Auch das Beispiel von Carmen, wie sie GenKI in ihrer Arbeit eingesetzt hat, um sich neue Fähigkeiten anzueignen, um eine spezifische Aufgabenstellung zu lösen, zeigt das Potential dieser Technologie und sollte uns als Lehrende inspirieren, das GLX-Konzept vermehrt einzusetzen. Dennoch bleibt die Integration von GLX-Designs in Lehrveranstaltungen vorerst die Ausnahme.

Die Umfrage der Bachelorarbeit zeigt, dass weiter Handlungsbedarf besteht an unserem Institut, aber auch an der Hochschule in diese Richtung weiterzuentwickeln. Lasst uns die Potenziale von GenKI voll ausschöpfen, kreativ werden und gemeinsam die Zukunft des Lernens gestalten – eine Zukunft, die uns alle fordert und im Sinne eines Growth Mindsets wachsen lässt. Die Zukunft des Lernens ist eine gemeinsame Aufgabe, die nicht nur Technologie, sondern auch Engagement, Neugier und den Willen zur Veränderung erfordert. Nutzen wir diese Chance!


Literatur

Bowen, J. A., & Watson, C. E. (2024). Teaching with AI: A Practical Guide to a New Era of Human Learning. JHU Press

Coenen, C. (2024): Generative Learning Experience (GLX) Design: Gestaltung von Lernerfahrungen mit und durch Generative KI, Hochschuldidaktik Online Blog, 23. Juli 2024, URL: https://hochschuldidaktik-online.de/generative-learning-experience-glx-design/

Laurillard, D. (2012): Teaching as a Design Science – Building Pedagogical Patterns for Learning and Technology, New York, Routledge.


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