Ist Hoftötung tatsächlich tierfreundlicher?

Ein Beitrag von Pascal Ritz

Rinderhälften in einem Grossschlachthof. (Bild: Luca Chiartano auf Pixabay)

Wenn wir Tiere verladen und transportieren und sie dabei mit Artgenossen zusammentreffen lassen, empfinden sie Stress. Da Rinder beispielsweise Stress und Schmerz verbergen, unterschätzen wir das oft. Töten wir die Tiere aber auf dem Hof, in ihrer gewohnten Umgebung, entfallen diese Stressfaktoren1. Doch die Hoftötung hat auch ihre Grenzen.

Bei der Hoftötung werden Rinder im Fress- oder Fanggitter fixiert und danach mittels Bolzenschuss betäubt1. Daraufhin werden sie entblutet und mit einem Anhänger in die nächste Metzgerei gefahren. Dort werden die Tiere ausgeweidet sowie weiterverarbeitet.

Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden noch praktisch alle Schlachttiere auf dem Hof getötet. Danach kamen Hygienevorschriften für Metzgereien auf und Grossschlachthöfe wurden etabliert. Erst am 1. Juli 2020 wurde die Hoftötung in der Schweiz wieder gesetzlich legalisiert2.

Nach der Legalisierung entwickelte sich ein grosses Interesse bezüglich Hoftötung. Das Tierwohl steht dabei an erster Stelle. Die Tiere sollen weniger leiden. Das sehen auch die Betriebsleitenden von Höfen so3. Sie sind überzeugt, dass die Tiere ruhiger sind und somit ein respektvolles Beenden des Lebens gewährleistet werden kann1. Diese Aussage wird auch durch die Erkenntnisse der Forschung gestärkt:

«Studien des FiBL haben bewiesen, dass die Stressbelastung bei Tieren, die in den Schlachtbetrieb transportiert werden, bis zu 20-mal höher sind als bei solchen, die auf dem Hof getötet werden.»8

Milena Burri Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL

Fleischqualität

Stress beeinflusst aber nicht nur das Wohlergehen des Tieres, auch die Fleischqualität leidet darunter. Fleisch von gestressten Tieren kann dunkel, fest, trocken und zäh werden sowie einen faden Geschmack aufweisen4. Wollen wir das? Wohl kaum. Vor allem nicht beim Gedanken daran, dass wir unseren Fleischkonsum senken sollten. Wenn ich mir dann den Luxus leiste, Fleisch zu konsumieren, möchte ich qualitativ gutes und zartes Fleisch essen. Eine gute Fleischqualität könnte ein Argument sein, dass auch Fleischenthusiasten von der stressarmen Fleischgewinnung überzeugt werden können.

Ist nun Hoftötung die Lösung?

Wie alles hat auch die Hoftötung ihre Grenzen. In der Schweiz ist gesetzlich geregelt, dass vom Entbluten bis zum Ausweiden des Tieres lediglich 45 Minuten vergehen dürfen1. Betriebe, die nicht innerhalb von 20 bis 25 Minuten eine Metzgerei erreichen können, erhalten keine Bewilligung für die Hoftötung3. Zurzeit wird nun diskutiert, ob diese 45 Minuten auf 90 Minuten erhöht werden sollen. In der EU sind 120 Minuten erlaubt. Hierzulande gibt es jedoch Parteien, die bei mehr als 45 Minuten Hygienebedenken äussern3.

Des Weiteren ist die Anzahl Tiere, die während einer Hoftötung geschlachtet werden können, im Vergleich zum industriellen Grossschlachthof sehr begrenzt5. Daher ist die Tötung im Schlachthof auch kostengünstiger. So kostet das Fleisch aus der Hoftötung eines Rindes rund 1 bis 3 Franken pro Kilogramm mehr6. Dies bedeutet, dass die Kunden auch bereit sein müssen, einen höheren Preis für ihr Fleisch zu bezahlen. Zu Kapazitätsgrenzen und dem höheren Preis kommt dazu, dass die Hoftötung (noch) nicht in jedem Land erlaubt ist7.

Was für Fleisch kaufst du?

Schliesslich muss jeder Konsument und jede Konsumentin selbst entscheiden, was für eine Landwirtschaft er oder sie mit dem Konsumverhalten fördern möchte. Was ist mit dir? Legst du Wert auf das Tierwohl von Nutztieren oder bestimmt bei dir der Preis was auf dem Teller landet? Lass dir diesen Gedanken durch den Kopf gehen, bevor du das nächste Mal Fleisch oder doch lieber eine Fleischalternative einkaufst.


Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Bachelormoduls «Welternährungssysteme» des Studiengangs Umweltingenieurwesen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Frühlingssemester 2023.


Literatur

  1. Probst, J., & Spengler Neff, A. (2020). Merkblatt: Hof- und Weidetötung zur Fleischgewinnung. Stressarmes Töten von Rindern auf dem Landwirtschaftsbetrieb. Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL.
  2. Meili, E. (2020). Kein Lebendtiertransport – kein Stress für die Tiere. Schweizer Bauer.
  3. Meili, E. (2022). Lebendtrasporte vermeiden. Bioaktuell. https://orgprints.org/id/eprint/44688/1/Bioaktuell_10_2022_Meili_HofundWeidet%C3%B6tung.pdf
  4. Kitzer, R., & Rauch, E. (2021). Abschlussbericht: Rinderschlachtung [Abschlussbericht]. HBLFA Raumberg-Gumpenstein.
  5. Grünfelder, V. (2020). Bachelor in Agrarwissenschaften und Umweltmanagement: Potenziale und Geschäftsmodelle der Geflügelfleischproduktion in Südtirol. Fakultät für Naturwissenschaften und Technik.
  6. Meier, S. (2020, Oktober 3). Hoftötung kostet 300 bis 400 Franken. Schweizer Bauer.
  7. Berger Richardson, S. (2022). Responding to Regulatory Barriers to “Ethical Meat”: Are On- Farm Slaughter Exemptions the Solution? Canadian Journal of Law and Society / Revue Canadienne Droit et Société, 37(2), 295–316. https://doi.org/10.1017/cls.2022.10
  8. Strasser, M. (2022, Dezember 17). Hof-Tötungen—Mehr Zeit für die Tiere auf dem letzten Weg. Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). https://www.srf.ch/news/schweiz/hof-toetungen- mehr-zeit-fuer-die-tiere-auf-dem-letzten-weg

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