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Digitale Selbstlernphasen gestalten

Von Stefanie Leutenegger

Die Semesterendprüfungen stehen wieder kurz bevor. Diese Phase ist für die Mehrheit der Studierenden mit Stress verbunden. Wie können Dozierende die Lernenden unterstützen und motivieren, den Lernaufwand nachhaltig übers Semester zu verteilen und sinnvolle digitale Selbstlernphasen einzubauen? Antworten dazu liefert ein Talk am University:Future Festival 2023.

Erkenntnisse aus dem University:Future Festival (U:FF) 

Das diesjährige U:FF fand unter dem Motto Digital First! statt und adressierte in Auseinandersetzung mit Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation ein breites Themenspektrum rund um KI, Strategieentwicklung, Kompetenzen und Didaktik. Insbesondere der Talk von Martina Moerth, Silke Masson, Julia Kröcher, Hiltraut Paridon und Natalie Enders zum Thema «Digitale Selbstlernphasen gut gestalten – Erkenntnisse aus Psychologie und Lehr-Lernforschung» liefert Antworten auf unsere Anfangsfrage und soll in diesem Blogbeitrag näher betrachtet werden.

Aus Dozierenden-Sicht werden Lehreinheiten oftmals so geplant, dass optimalerweise die Studierenden vor und nach jeder Einheit eine Selbstlernphase einbauen. In der Realität sieht das jedoch meist anders aus. Die verschiedenen Lehrveranstaltungen sind übers Semester verteilt und die Studierenden planen dann erst kurz vor der Prüfungsphase eine intensive Selbstlernphase ein.

Diese Grafik veranschaulicht im oberen Teil die IDEALE Unterrichtsplanung mit eingebauten Selbstlernphasen aus Dozierenden-Sicht und im unteren Teil ist die REALität dargestellt, eine lange Selbstlernphase kurz vor den Endprüfungen. (Grafik aus Youtube-Video “Digitale Selbstlernphasen gut gestalten – Erkenntnisse aus Psychologie und Lehr-Lernforschung – U:FF” von Hochschulforum Digitalisierung (HFD))

IDEAL vs. REAL und wie kann die IDEAL-Situation erreicht werden?

Diese Abweichung vom IDEAL-Zustand hat sowohl für Dozierende wie auch für Studierende Nachteile. Durch die fehlende Vor- und Nachbereitung der Vorlesungen müssen Dozierende ggf. einen Teil der Zeit im Unterricht für eine Wiederholung der Inhalte verwenden, weshalb insgesamt weniger Inhalt wie geplant bearbeitet werden kann. Anderseits ist für Studierende der Lernprozess so nicht nachhaltig, die gelernten Inhalte gehen kurz nach der Prüfung wieder vergessen, da sie im Unterricht kaum angewandt und gefestigt wurden. Im Unterrichtsalltag geht zudem oft vergessen, dass die Fähigkeit, selbstreguliert zu lernen, ebenfalls zum Lernprozess der Studierenden gehört. Im Idealfall unterstützen Dozierende die Studierenden deshalb auch, diese Selbstregulation zu erlernen. Die dazugehörigen grundlegenden Lernziele für die Studierenden sind:

  • Selbstständig und eigenmotiviert: Ziele setzen und passende Strategien auswählen
  • Erreichtes regelmässig bewerten: Ziele und Aktivitäten prozessbegleitend anpassen, um Soll-Zustand zu erreichen

Zielsetzung und Lernstrategien

Damit Selbstlernphasen effektiv und zielführend sind, müssen Studierende lernen, wie sie sich selbstständig Ziele setzen können und sich Strategien aneignen, um diese Ziele auch zu erreichen. Wichtig ist dabei, dass sie lernen, ihren eigenen Lernprozess zu bewerten und entsprechend die Lernplanung anzupassen. Das Thema Selbstregulation setzt sich aus den folgenden Strukturen zusammen:

  • Kognitive Komponenten (lernprozessbezogen)
  • Motivationale Komponenten
  • Metakognitive Komponenten (lernzielbezogen)

Bei der kognitiven Komponente geht es um die Auseinandersetzung mit den eigenen Lernstrategien und Wissen. Besonders wichtig sind aber auch die motivationalen Komponenten: Wie kann ich mich als Studierende motivieren, mich zum Lernen hinzusetzen und damit auch Erfolge zu erzielen? Metakognitive Komponenten beinhalten Aspekte, wie der ganze Lernprozess geplant und gesteuert werden kann. 

Neben diesen Strukturen ist auch die zeitliche Achse (vor, während und nach dem Lernen) zu berücksichtigen. Je nach Zeitpunkt sollen Dozierende auf folgende Punkte eingehen: 

  • Vor dem Lernen: Zieldefinition, Handlungsplanung, Lernvorbereitung, Voraussetzungen des Lernenden
  • Während des Lernens: Lernqualität (Lernstrategien, Self-Monitoring, Motivation und Zielgerichtetheit) und Lernquantität 
  • Nach dem Lernen: Selbstreflexion

Welche Lernstrategien für welche Lernziele?

Gemäss Studien ist es effizienter, die Studierenden innerhalb der jeweiligen Lehreinheit im Selbststudium zu unterstützen, statt die Lernstrategien in eine separate Lehreinheit auszulagern. Deshalb ist die Präzisierung der Lernziele je Lehreinheit wichtig. Nehmen wir als Beispiel den Erwerb von Fachwissen und Konzepten. Für dieses Lernziel gibt es folgende erprobte Lernstrategien:

Lesehilfe: In der rechten Spalte sind jeweils die Effektstärken dargestellt. Stärken von 0,4 – 0,8 sind beispielsweise mittlere Effekte, welche sich deutlich sichtbar machen im nachhaltigen Lernen der Studierenden. 

In der Grafik werden Methoden zur Aneignung von Fachwissen und ihre jeweiligen Effektstärken aufgelistet. (Grafik aus Youtube-Video “Digitale Selbstlernphasen gut gestalten – Erkenntnisse aus Psychologie und Lehr-Lernforschung – U:FF” von Hochschulforum Digitalisierung (HFD))

Kollaboration vs. Kooperation (Einzel-, Paar- oder Gruppenarbeit) – Welche Sozialform ist wann geeignet?

Bei der Gestaltung der Selbstlernphasen spielt auch die Sozialform eine grosse Rolle. In der Lernforschung wird häufig zwischen zwei Grundformen unterschieden: kollaboratives Lernen und kooperatives Lernen. Beim kollaborativen Lernen bearbeiten die Lernenden gleichzeitig gemeinsam eine Aufgabe. Wohingegen beim kooperativen Lernen die Lernenden die Aufgabe zuerst individuell bearbeiten und erst danach die Ergebnisse zusammentragen. Das kollaborative Lernen macht vor allem dann Sinn, wenn folgende Punkte gegeben sind:

  • Komplexere Aufgabe
  • Vorwissen vorhanden 
  • Unterschiedliche Perspektiven & Meinungen sind gefragt
  • Gute Fehlerkultur

Welche Feedbackstrategie ist zielführend?

Eine Rückblende auf den aktuellen Leistungsstand dient den Studierenden als Feedback darauf, wie (gut) die aktuelle Selbstlernphase läuft. Je mehr Informationen vorhanden sind, desto effektiver ist dieses. Personenbezogenes Feedback soll hingegen vermieden werden.

  1. Aufgabe: Einfaches, evaluatives Feedback: Ist die Lösung korrekt, welches ist die richtige Lösung? 
  2. Lösungsprozess: Wie wurde die Aufgabe bearbeitet? Welcher Lösungsprozess ist noch gefordert?
  3. Selbstregulation: Wie wird der eigene Lernprozess bewertet? Was könnte getan werden, um zu einem besseren Ergebnis zu kommen?

Und wie sollen Dozierende diese Menge an Feedbacks bewältigen? 

Zuerst, nicht nur Dozierende können Feedback geben. In einem digitalen Umfeld kann ein Feedback auch technisch automatisiert erfolgen. Aber auch die Peers kann animiert werden, Feedback zu geben, wobei dabei weitere wertvolle Kompetenzen erworben werden. Als letzte Möglichkeit bietet sich auch ein Self-Assessment an, bei dem Lernende ihren eigenen Lernstand bzw. ihren Lernprozess einschätzen können. Wenn es darum geht, die Selbstregulation der Studierenden zu verbessern, empfiehlt sich eine Kombination aus Self-Assessment und Peer-Feedback. Bei diesen Formen des Feedbacks können Dozierende die Studierenden mit Leitfragen, Arbeitsblättern oder Beurteilungsrastern (sog. Rubrics) unterstützen.

Dozierende können die Studierenden optimal bei der Selbstregulation unterstützen, wenn folgende Punkte beachtet werden: 

  • Unterstützung bei Zielsetzungen
  • Information über und Einüben von Lernstrategien
  • Unterstützung von Zeitmanagement und Motivation
  • Auswahl der Sozialform (Einzel-, Paar-, Gruppenarbeit, Kollaboration oder Kooperation)
  • Feedback zur Selbstevaluation und Prüfung der Zielerreichung

Quellen:



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