Digitale Barrierefreiheit – Lernumgebungen und Lernmaterialien barrierefrei gestalten

Studierende mit Beeinträchtigung sehen sich im Hochschulalltag mit einer Vielzahl an Hürden konfrontiert. Was dabei oft vergessen geht: Beeinträchtigungen sind nicht immer sichtbar und sie entstehen häufig erst durch ein wenig inklusives Umfeld, das nicht adäquat reagieren kann. Neben Bewegungs- und Sinnesbeeinträchtigungen ergeben sich studienrelevante Einschränkungen im Lernen und Ablegen der Prüfungen auch durch psychische Probleme, chronisch-somatische Erkrankungen sowie Legasthenie oder Dyskalkulie. Die Stabstelle Diversity der ZHAW hat im Jahr 2018 zu diesem Thema eine Umfrage unter den Studierenden durchgeführt. Die Auswertung der Studie «Zur Lebenssituation von Studierenden mit Behinderungen an der ZHAW» kann in der Broschüre «Chancengleichheit an der ZHAW» ab Seite 40 nachgelesen werden.

Am University:Future Festival 2021 welches letzten November stattfand, wurde das Thema «Inclusivity» in einigen Konferenzbeiträgen thematisiert. Verschiedene Hochschulen gaben Einblicke in ihre Vorgehensweise für eine Förderung der digitalen Barrierefreiheit im Studium. Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass digitale Medien, Technologien und Systeme so gestaltet sind, dass sie grundsätzlich ohne fremde Hilfe nutzbar, zugänglich und auffindbar sind. Bezogen auf Websites und mobile Anwendungen hat das World Wide Web Consortium im Jahr 2008 mit den Web-Content-Accessibility-Guidelines vier Grundprinzipien des barrierefreien Zugangs formuliert. Demnach muss eine Webseite oder App

  • wahrnehmbar,
  • bedienbar,
  • verständlich
  • und robust gestaltet sein.

In der Hochschulwelt bedeutet digitale Barrierefreiheit einerseits die barrierefreie Gestaltung der Lernumgebung und andererseits, dass die verwendeten Lernmaterialien für alle zugänglich sind und dabei auch besondere Bedürfnisse berücksichtigen. Das können beispielsweise PowerPoint-Präsentationen oder Kursunterlagen in Form von PDF-Dokumenten sein, welche auf der Lernplattform Moodle zur Verfügung gestellt werden, aber auch andere Lernaktivitäten in Moodle wie Videos, Bilder oder h5p-Elemente.

Die folgenden Empfehlungen sind aus den Konferenzbeiträgen des University:Future Festival 2021 (siehe Quellenangaben) zusammengefasst und können Inputs liefern, um die eigene Lehre barrierefrei(er) zu gestalten:

Suchen Sie das Gespräch mit Ihren Studierenden

Gehen Sie proaktiv auf Ihre Studierenden zu, bevor Sie mit der Optimierung der Materialien und Lernumgebungen starten. Es ist eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe, das Thema Barrierefreiheit zielgruppengerecht umzusetzen. Eine Optimierung an einer Stelle kann einem Studenten mit einer Beeinträchtigung helfen, diese Anpassung kann aber für eine Studentin mit einer anderen Beeinträchtigung gegebenenfalls sogar ein Hindernis darstellen. Suchen Sie zu Beginn des Semesters daher das Gespräch mit Ihren Studierenden, bspw. über eine anonyme Moodle-Umfrage, und eruieren Sie auf diese Weise, welcher Bedarf tatsächlich besteht. Die betroffenen Studierenden wissen meist sehr gut, welche Anpassungen und Optimierungen ihnen helfen. Dadurch reduzieren Sie Ihren Aufwand und setzen diesen zielgerichtet ein.

Barrierefreies Design = bessere Lehre

In allen konsultierten Konferenzbeiträgen (siehe Quellenangaben) wird betont, dass durch die barrierefreie Gestaltung der Lehre nicht nur Studierende mit Beeinträchtigung, sondern alle Studierende profitieren. Bei der Erstellung oder der Überarbeitung von bzw. hin zu barrierefreien Lernmaterialien ist es hilfreich, sich an den Grundprinzipien der didaktischen Gestaltung von Lehr- und Lernmaterialien zu orientieren.

  • Auf Multimodalität und Multimedialität setzen: Durch den Einsatz verschiedener Medien, werden unterschiedliche Sinne angesprochen und dadurch die Informationsaufnahme und die Wissensverarbeitung der Studierenden gefördert. Sie können bspw. ein Video mit Untertiteln produzieren oder ein PDF-Skript zudem als Podcast (Audiobeitrag) bereitstellen.
  • Auf die Strukturierung und Wiederholung sowie Variation der Inhalte achten: Eine einfache und logische strukturierte Lernumgebung unterstützt Studierende, die einen Screenreader nutzen, bei der Orientierung. Doch nicht nur; von einer übersichtlichen Gestaltung profitieren alle Studierenden. Achten Sie bei textbasierten Medien zudem auf die richtige Formatierung der Überschriften und Texte.
  • Die Lernumgebung sowie die Lernmaterialien prüfen: Wagen Sie den Perspektivenwechsel und testen Sie Inhalte auf der Lernplattform Moodle in der Rolle eines Studierenden. Installieren Sie bspw. ein Browser-Plugin, um sich die Seite vorlesen zu lassen. Mit Hilfe der zur Verfügung gestellten Prüfwerkzeuge in Microsoft Office (Word und PowerPoint) oder des Acrobat Readers lassen sich Dokumente ebenfalls prüfen.

Marcus Paulussen von der Universität Bielefeld beschreibt in seinem Handbuch «Sieben Regeln, wie Sie Barrieren im Digitalen vermeiden» die Minimalanforderungen zur digitalen Barrierefreiheit, welche mit Blick auf die eigenen Lernumgebungen und Lernmaterialien leicht zu beachten sind. Einige Tipps haben wir weiter oben bereits kennengelernt.

  1. Alternativtexte für Grafiken erfassen: Bilder sind für Menschen mit Sehbehinderung unsichtbar. In Moodle, Word-Dokumenten oder PowerPoint-Präsentationen können Alternativtexte für Bilder erfasst werden, um diese zugänglich zu machen.
  2. Alternative für Multimedia bereitstellen: Audiodateien sowie Videos benötigen Alternativen, da sie sonst für Studierende mit einer Hör- oder Sehbeeinträchtigung nicht wahrnehmbar sind. Videos deshalb mit Untertiteln oder Transkripten zur Verfügung stellen.
  3. (Text-)Inhalte strukturieren und lesbar gestalten: Websites und Texte müssen mit den vorgegebenen Formatvorlagen wie Überschrift, Absatz, Liste oder Tabelle strukturiert werden. Unbedingt auf die Lesbarkeit der Texte achten, indem Inhalte in kleine Einheiten unterteilt und mit Hilfe von Aufzählungen, Hervorhebungen und Überschriften lesbar gestaltet werden.
  4. Verlinkungen beschreiben: Verwenden Sie aussagekräftige Titel für Verlinkungen, also «hier» oder «mehr» vermeiden. Neben einer guten Bezeichnung gehört auch der Hinweis auf abweichende Dateiformate (z.B. PDF) dazu, bspw. Das Poster «Soziale Ungleichheit» als PDF.
  5. Dokumente barrierefrei erstellen und prüfen: Neue Dokumente in Word, PPT und PDF barrierefrei gestalten, die Programme stellen Mechanismen zur Überprüfung bereit.
  6. Farbe und Farbkontraste beachten: Oft werden Farben als Informationsträger eingesetzt, hier verstecken sich Barrieren für farbfehlsichtige oder blinde Menschen, die diese Informationen nicht wahrnehmen können. Achten Sie auf genügend Kontrast auf Ihrer Seite.
  7. Einfach schreiben: Verständlich zu schreiben und macht sie zudem barrierefreier für alle. Einfache und verständliche Sprache erhöht den Nutzwert der Inhalte und fördert die Verständlichkeit. Vermeiden Sie Schachtelsätze und schreiben Sie Abkürzungen (ausser PDF, PC, etc.) aus. Fremd- und Fachwörter sollten erläutert werden.

Auch auf der Webseite der ZHAW Stabstelle Diversity finden sich unter dem Titel «Hindernisfreie Didaktik» Informationen und didaktische Hinweise zur barrierefreien Gestaltung des Unterrichts und der Lehr- und Lernmaterialien.


Quellen:

ZHAW Stabstelle Diversity (2022, 24. Januar): Chancengleichheit an der ZHAW. https://www.zhaw.ch/storage/hochschule/ueber-uns/rektorat/broschuere-hindernisfreie-hochschule.pdf

Prof. Dr. Gottfried Zimmermann – Digital & barrierefrei – Praktisch, pragmatisch, systematisch von Hochschulforum Digitalisierung (Stand 11.11.2021) unter CC BY 3.0

Barrierefreiheit und Inklusion – Tim Wiegers, Markus Paulussen, Coo Kalkowsky, Stephanie Wolf von Hochschulforum Digitalisierung (Stand 11.11.2021) unter CC BY 3.0

Online-Veranstaltungen barrierefrei gestalten – University:Future Festival 2021 von Hochschulforum Digitalisierung (Stand 16.11.2021) unter CC BY 3.0


Wo nicht anders genannt, steht dieser Beitrag von Sarah Franke Digital Campus / ZHAW Departement Soziale Arbeit unter der Lizenz CC BY 4.0 (Stand 31.01.2022)

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