Senior:innenverband im Verbund mit der Hochschule

Senior:innenverband im Verbund mit der Hochschule

Ältere Menschen sollen in der Forschung bereits bei der Fragestellung und auch bei der Umsetzung von neuen Lösungen einbezogen werden – dafür plädiert Peter C. Meyer, Vorstandsmitglied der Zürcher Seniorinnen und Senioren (ZSS). Mit der ZHAW hat er eine Hochschule gefunden, die diesen Ansatz unterstützt. Im Interview gibt Peter C. Meyer Auskunft über die Ziele und Aktivitäten seines Verbands.

Peter C. Meyer, wie sind Sie zum ZSS gekommen und was hat Sie motiviert, im Vorstand mitzuarbeiten?

Schon meine Mutter war im Vorstand des ZRV, dem Zürcher Senioren- und Rentnerverband, wie der ZSS bis vor kurzem hiess. Das war allerdings lange vor meinem Beitritt.

Meine Hauptmotivation war, dass ich nach meiner Pensionierung etwas machen und mich auch politisch engagieren wollte. Ich bin der Grünliberalen Partei (GLP) beigetreten und war Mitgründer der senior GLP. Die senior GLP ist eine der 23 Seniorenorganisationen, die Kollektivmitglieder sind im ZSS. Allerdings bildet die Senior GLP zurzeit die einzige politische Gruppe im ZSS. Die meisten Kollektivmitglieder haben einen Bezug zu Gemeinden und dadurch z.T. auch einen Leistungsauftrag. Auch Pensionierten-Vereinigungen von Betrieben sind im ZSS dabei, zum Beispiel von der ABB, der Pädagogischen Hochschule und der ZKB. Noch nicht vertreten sind Pensionierten-Gruppen der ZHAW – sie wären herzlich willkommen bei uns im ZSS!

Peter C. Meyer, Vorstandsmitglied bei den Zürcher Seniorinnen und Senioren (ZSS)
Peter C. Meyer, Vorstandsmitglied bei den Zürcher Seniorinnen und Senioren (ZSS)

Zuvor waren Sie Direktor des Departements Gesundheit an der ZHAW, wo Sie sich auch schon mit Altersthemen auseinandergesetzt hatten.

Das Institut für Pflege hatte von Anfang an einen Altersschwerpunkt. Es gab ein gutes Projekt namens «Spitex-Plus», bei dem es um präventive Hausbesuche ging. Da wurde mit Arztpraxen zusammengearbeitet, welche u.a. Adressen zur Verfügung stellten. Im Anschluss gingen Pflegefachpersonen zu älteren Personen, die noch selbstständig zu Hause wohnten, hielten Beratungsgespräche ab. Die Grundidee war, dass die besuchten Personen möglichst lange zuhause bleiben konnten und nicht ins Heim ziehen mussten.

Aber auch die anderen Gesundheitsfachpersonen, die am Departement ausgebildet werden, haben viel mit alten Menschen zu tun – abgesehen von den Hebammen natürlich.

Es gab auch damals schon die Idee, einen Altersschwerpunkt der ZHAW zu lancieren. Ich muss zugeben, dass ich mich seinerzeit in der Hochschulleitung dagegen ausgesprochen hatte. Ich war für einen Kinderschwerpunkt. Mein Argument: Alter ist bereits abgegrast. Es gab die Uni Zürich, die auf diesem Gebiet schon aktiv war. Und bei uns am Departement hatten alle mit Kindern zu tun: die Ergo- und Physiotherapie, die Pflege und die Hebammen.

Ich erinnere mich auch daran, dass die Praktikumsplätze in Pflegeheimen und bei älteren Menschen wenig beliebt waren. Die Studierenden bevorzugten Akutspitäler und Institutionen mit Kindern, auch wenn wir permanent Werbung für Praktikumsplätze in Pflegeheimen gemacht hatten.

Dann wissen wir es besonders zu schätzen, dass Sie heute unseren interdepartementalen Gerontologie-Schwerpunkt unterstützen! Nochmals zum ZSS: Was sind denn die konkreten Ziele des Verbands?

Zur Strategie gehört einerseits die Interessensvertretung älterer Menschen auf kantonaler Ebene. In diesem Zusammenhang sitzen wir einmal pro Jahr mit einer Delegation des Regierungsrates und ihren Chefbeamt:innen zusammen und bringen aktuelle Themen ein. An diesen Sitzungen nehmen auch Pro Senectute und der Seniorenrat Zürich teil. Auf Seiten der Regierung sind jeweils Natalie Rickli, die Vorsteherin des Gesundheitsdepartements und Mario Fehr, der Vorsteher des Sicherheitsdepartements dabei, die sich beide an den langen Sitzungen und auch an den anschliessenden Apéros jeweils sehr offen und zugeneigt zeigen.

Der ZSS ist ein konfessionell und politisch unabhängiger und neutraler Verein, was auch den Nachteil mit sich bringt, dass selten prägnante Stellungnahmen möglich sind. Beispielsweise stiess bei einem von mir mitentwickelten und im Verein vorgelegten Manifest die Forderung, mehr Ressourcen für die Betreuung zur Verfügung zu stellen, auf Ablehnung in gewissen Lagern des Vereins. Dass wir uns nicht bissig profilieren können und wollen hat auch damit zu tun, dass manche der angeschlossenen Kollektivverbände eher unpolitisch sind.

Einigkeit besteht aber beispielsweise darin, dass nicht alle Unterstützung durch Professionelle geleistet werden kann und soll, sondern Freiwillige und Nachbarschaftshilfe aktiviert und Selbstbestimmung gefördert werden soll.

Welche Aktivitäten bietet der Verband an?

Von aussen werden unsere Veranstaltungen am stärksten wahrgenommen. Die findet man alle auf der Webseite https://zss-zh.ch/  . Zum einen gibt es Fachveranstaltungen: Beim letzten Mal kamen zwei Polizisten von der Fachstelle Gewaltprävention und erklärten, wie man sich vor Betrug und weiteren möglichen Delikten gegen Ältere schützen kann, und welche weiteren Fachstellen es gibt. Auch einen spannenden Vortrag zum Thema Demenz mit dem ehemaligen Stadtarzt Albert Wettstein hatten wir organisiert. Zum anderen haben wir Veranstaltungen, bei denen der Unterhaltungsaspekt wichtiger ist: Führungen durchs Opernhaus, die Tonhalle oder den Hauptbahnhof etwa. Auch beim Schoggi-Museum von Lindt&Sprüngli gab es schon einen Besuch.

Wie fügt sich der ZSS in die Landschaft der Senior:innenorganisationen der Schweiz ein?

Wir bilden im Kanton Zürich den Dachverband. Auf der Ebene Schweiz gibt es seit 30, 40 Jahren zwei Fachverbände: den Schweizerischen Verband für Seniorenfragen (SVS) und die Vereinigung aktiver Senior:innen- und Selbsthilfeorganisationen der Schweiz (VASOS). Mitglieder dieser beiden Organisationen sind wiederum im Schweizerischen Seniorenverband SSR vertreten, der seit 2001 besteht und auf Bundesebene beratende Funktion hat. Der ZSS ist Mitglied im SVS.

Auf Schweizer Ebene gibt es seit einigen Jahren den Verein «Allianz gegen Altersdiskriminierung (AGAD)». Da bin ich seit 2021 als Vorstandsmitglied auch dabei. Im März 2020 wollte die AGAD eine Volksinitiative gegen die Altersdiskriminierung lancieren. Dann kam aber die Pandemie. Und beim Neustart im Frühling 2022 brachten wir zu wenig Partner und Ressourcen zusammen. Trotzdem fand ich es ein schönes Projekt, bei dem viele überparteiliche Kräfte in der ganzen Schweiz zusammengearbeitet hatten für die Sache des Alters. Wir werden nun leider die AGAD auflösen.

Eines der wichtigsten strategische Ziele unseres Schwerpunkts AGe+ ist die Beteiligung von Älteren in der Forschung, aber auch in der Lehre. In gewissen Weiterbildungsangeboten sind pensionierte Fachpersonen als Dozierende eingebunden. Welche Bedeutung schreiben Sie diesem Ansatz zu?

Ich plädiere dafür, dass der Einbezug Älterer schon bei der Formulierung von Fragestellungen und danach auch bei der Umsetzung geschieht. Welche Themen sollen erforscht werden? Wie sollen Forschungsergebnisse in die Praxis und in neue Angebote einfliessen? Oft passiert es, dass bei der Umsetzung dann gar keine Ressourcen mehr da sind. Zu sehr ist man mit der Akquise von Drittmitteln beschäftigt, so dass am Schluss der «Schnauf» weg ist. Es ist schon mal gut, dass bei AGe+ einzelne Projekte durch eine Anschubfinanzierung unterstützt wurden. Aber auch Ausschreibungen auf nationaler Ebene sollten berücksichtigt werden, um eine grössere Finanzierung sicherzustellen und damit es nicht nur bei Pilotprojekten bleibt.

Wo sehen Sie weiteres Potenzial in der Zusammenarbeit mit einer Hochschule wie der ZHAW?

Mich hat die Einladung an die Herbsttagung von AGe+ schon mal sehr gefreut. Wir arbeiten schon mit der Uni Zürich zusammen, etwa mit der Geriaterin Heike Bischoff-Ferrari und mit dem Alterspsychologen Mike Martin vom Healthy Longevity Center. Die Uni – und bei der ZHAW ist das ja auch so – hat Interesse daran, dass es eine Rezeption auf Seiten der Betroffenen gibt und dass diese, in welcher Form auch immer, beteiligt werden können.

Wir wären dabei, unsere Mitglieder sowie weitere Personen, die wir über unsere Netzwerke kontaktieren, zur Beteiligung an Projekten der ZHAW aufzurufen. Unser übergeordnetes Ziel ist es, zu informieren, was im Altersbereich an den Hochschulen im Kanton Zürich läuft, z.B. in der Forschung und in der Weiterbildung. Die ZHAW hat uns bis anhin gefehlt.

Zudem haben wir ein Interesse daran, spannende Projekte der ZHAW im Bereich Alter über unsere Kanäle zu verbreiten wie beispielsweise die hochinteressanten Projekte, die an der Herbsttagung vorgestellt wurden.

Zur Person

Peter C. Meyer ist Vorstandsmitglied des Verbands Zürcher Seniorinnen und Senioren (ZSS). Er war Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich und hat bis 2016 das Departement Gesundheit der ZHAW geleitet.

Interview: Dieter Sulzer

Schlagwörter: Forschung, Interview

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