Anke Domschy steht vor Gebäude

«Wir müssen den Umgang mit der Natur neu lernen»

Anke Domschkys Lieblingsorte sind grün. Die Landschaftsarchitektin und Stadtanalytikerin am ZHAW-Departement Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen engagiert sich für ein neues Naturverständnis in den Städten. Sie will bewirken, dass Biodiversität endlich als gestalterisches Potenzial bei der Bauplanung geschätzt wird.

Sie lebt mitten in der Stadt, im Kreis vier in Zürich, dem ehemaligen Arbeiterquartier. Zwei kleine Balkone hat Anke Domschky dort, die sie begrünt und gestaltet und manchmal auch sich selber überlässt. Ein sehr kleines Fleckchen Natur für die ausgebildete Gärtnerin: Früher habe sie immerhin noch eine Kiste im Hof zur Verfügung gehabt, sagt sie lachend. Doch für dieses Urban Gardening der Siedlung fehlte ihr dann doch die Zeit: die Natur nahm daraufhin in der ihr eigenen Art Beschlag von der Kiste – und Domschky gab das Projekt an eine Nachbarin weiter.

Doch es ist dieser Zusammenhang – und manchmal auch der Gegensatz – von gestaltetem Raum und Natur, der sie im Kleinen wie im Grossen interessiert. «Nachhaltige Stadtentwicklung ist mir ein Anliegen», sagt sie. Und dafür brauche es einen geschulten Blick auf die Freiräume (in) der Stadt in Verbindung mit natürlichen Elementen. Mit dem Klimawandel und der Förderung der Biodiversität sei das Thema heute mehr in den Mittelpunkt gerückt.

Die Rolle der Landschaft in der Siedlung

Seit gut 13 Jahren ist Domschky am ZHAW-Departement Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen im Institut Urban Landscape tätig, seit 8 Jahren als Dozentin für Landschaftsarchitektur und Urban Studies. Das Team ist sehr interdisziplinär zusammengesetzt, um alle Aspekte von Stadträumen zu verstehen und zu erforschen. So bringen zum Beispiel auch Soziologen, Politologen oder Verkehrsplanerinnen ihre Sichtweise ein. Domschky selbst deckt die Rolle der Landschaft, des Grüns, der Frei- und Aussenräume in Verbindung mit der Siedlung ab.

«In der Umsetzung der Stadtplanung ist die Biodiversität immer noch ein Randthema.»

Anke Domschky

Als Vertreterin des Departementes engagiert sie sich zudem im Nachhaltigkeitsausschuss der ZHAW, welcher die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie der ZHAW begleitet. Acht Frauen und elf Männer aus den Departementen diskutieren hier viermal im Jahr über konkrete Aspekte der Strategie und bringen Ideen ein. Ein grosses Thema ist im Moment das neue Zentrum bei der Hardbrücke in Zürich, das «Zurich Center of Sustainability»: eine Art grüner Think Tank der ZHAW zusammen mit der Zürcher Hochschule der Künste, der Universität Zürich und der Pädagogischen Hochschule.

Wurzeln in der Stadt

Die Liebe zur Natur und zur Landschaft habe sie seit der Schulzeit, sagt sie. Schon damals war sie interessiert an Biologie und Ökologie und an der Rolle und der Verantwortung des Menschen in und für die Umwelt. Dass sie die Natur heute gerade in der Stadt sucht, lehrt und auch propagiert, ist wohl auch auf diese Lebensspanne zurückzuführen: Sie ist in Köln aufgewachsen, der viertgrössten Stadt Deutschlands mit über einer Million Einwohner.

Um das Handwerk von der Pike auf zu lernen, zog es sie nach dem Abitur ins eher beschauliche Bonn, wo sie eine Lehre in Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau absolvierte. Dabei merkte sie, dass die gestalterische Zusammenarbeit mit Architekten und Städtebauern sie besonders forderte und erfüllte: Sie begann kurz nach der Lehre ein Studium in Landschaftsarchitektur an der Fachhochschule Erfurt. «Mich haben immer stärker die kulturellen Handlungen des Menschen interessiert, die Entwicklung von Städten und ihr Leben darin», sagt sie.

Inspirierender Arbeitsplatz: Anke Domschky, Dozentin für Landschaftsarchitektur und Urban Studies am Studiengang Architektur, in der ehemaligen Industrie-Halle 180.

Forschungs- und Arbeitsaufenthalte in Berkeley und Shanghai

In die Schweiz kam sie durch eine Initiativbewerbung bei einem Büro für Landschaftsarchitektur in Zürich. Dort arbeitete sie dann fünf Jahre hauptsächlich als Projektleiterin. Sie machte anschliessend einen von Forschungs- und Arbeitsaufenthalten in Berkeley und Shanghai geprägten Master in Urban Studies an der Bauhaus-Universität in Weimar, bevor sie dann im Jahr 2008 aufgrund eines ausgeschriebenen Forschungsprojektes der ZHAW wieder in die Schweiz zügelte. Die Kombination von Lehre, Forschung und Praxis entspricht ihr. Und die Vielseitigkeit, die sich durch das Zusammentreffen unterschiedlicher Disziplinen im Team ergibt. «Diese Heterogenität macht es nicht immer einfach», sagt sie. Doch sie lerne viel dabei. Interdisziplinarität brauche Koordination und die Bereitschaft, andere Meinungen und Herangehensweisen zu diskutieren und zu akzeptieren.

Die Planung hört nicht an der Fassade auf

Gute Architektur allein reicht heute nicht mehr, ist sie überzeugt. Ein Bau muss im Kontext seiner Umgebung, des Quartiers zum Beispiel, gedacht werden. Das will sie auch vermitteln: «Die Studierenden sollen die grossen Zusammenhänge sehen, bevor sie beginnen, ein Haus zu planen», sagt sie. Die Planung hört nicht an der Fassade auf: die Biodiversität muss von Anfang an mitgedacht werden. Sie frage ihre Studierenden oft: «Wo in der Stadt fühlt ihr euch besonders wohl?» Und fast immer sei die Antwort: «Dort, wo es grün ist.» So ganz kann sie deshalb nicht verstehen, warum die Stadtplanung diesen Wunsch nach Grün nicht stärker erfüllt. «In der Umsetzung ist die Biodiversität immer noch ein Randthema», kritisiert sie.

«Ich wünsche mir mehr Demut gegenüber den natürlichen Ressourcen.»

Anke Domschky

Was sie sich wünscht für die Zukunft? «Mein Herzensanliegen ist es, den Menschen wieder näher mit der Natur zu verbinden», sagt sie. Der Mensch solle wieder mehr Demut gegenüber den natürlichen Ressourcen aufbringen und sich als kleinen Teil eines einzigartigen Systems sehen, für das er verantwortlich sei. «Wir müssen den Umgang mit der Natur wieder neu erlernen», ist sie überzeugt.

Anke Domschky im Podcast

- Im Podcast «Von Viren und der Biodiversität» (Episode 21, Juli 2021, in der Reihe «Treibhaus – der Klimapodcast») erklärt Anke Domschky den Zusammenhang zwischen Biodiversität und Pandemien: https://treibhauspodcast.ch/vonvirenundderbiodiversitaet/

- Anke Domschky spricht zudem in der Podcast-Reihe «Stadt machen! – Was öffentliche Räume sind» über die gestaltete Natur im Frauenfelder Murg-Auen-Park (Episode 13, Oktober 2021, «Wie Natur gemacht wird»): https://podcast20b7d1.podigee.io/12-neue-episode 

Text: Sibylle Veigl / Fotos: Conradin Frei


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