Zeitmanagement, Gender Diversity und Digital Mindfulness: Was lernen Studierende im Wirtschaftsinformatik-Studium?

Ein Beitrag von Bettina Sackenreuther

Die Wirtschaftsinformatik ist eine junge, interdisziplinäre Disziplin, die Elemente von Informatik und Betriebsökonomie in sich vereint. Das stellt Studierende und Dozierende vor besondere Herausforderungen. Im Interview spricht die Modulverantwortliche Katja Kurz über die fachlichen Ziele und überfachlichen Kompetenzen, die die Studierenden fit machen für den Berufsalltag.

Die Wirtschaftsinformatik ist zentral für den Erfolg von Unternehmen im digitalen Zeitalter. Die beruflichen Perspektiven von Absolventinnen und Absolventen sind heute besser als jemals zuvor. Für die Studierenden im Studiengang Wirtschaftsinformatik der ZHAW School of Management and Law werden die wichtigsten Bausteine im Modul «Einführung in das Wirtschaftsinformatik-Studium» gelegt.

Verantwortlich für das Modul mit rund 250 Studierenden ist Katja Kurz. Seit September 2018 arbeitet sie an der ZHAW School of Management and Law und leitet seit anfangs 2021 das Modul. Unterrichtet wird aber im Team: Katja Kurz, Andreas Block und Tim Geppert unterrichten die Grossklassen und werden für die Kleinklassendurchführung auch von Noemi Quadra unterstützt. In dieser Zusammensetzung und mit den aktuellen Inhalten findet das Modul im Herbstsemester 21/22 zum ersten Mal statt. «Die Erfahrungen, die wir in früheren Semestern gemacht haben, kommen jetzt in diesem Modul zusammen», erklärt Katja Kurz.

Bettina Sackenreuther: Was sind die Ziele dieses Moduls?

Katja Kurz: Im Modul «Einführung in das Wirtschaftsinformatik-Studium» bekommen die Studierenden direkt im ersten Semester Zeit und Aufgabenstellungen, um sich an die Identität des Studierenden zu gewöhnen. Sie eignen sich durch überfachliche Kompetenzen bestimmte Verhaltensweisen an, die im Studium und später auch im Berufsleben eines Wirtschaftsinformatikers oder einer Wirtschaftsinformatikerin wichtig sind. In diesem Modul werden also die Grundlagen gelegt, die in den Modulen der folgenden Semester weitergeführt werden.

Welche überfachlichen Kompetenzen werden in dem Modul vermittelt?

Wir beginnen mit der «Why»-Frage, also warum sich die Studierenden für das Studium der Wirtschaftsinformatik entscheiden. Dabei klären wir zunächst die Themenfelder der Wirtschaftsinformatik: Die Arbeitsgebiete der Wirtschaftsinformatik befinden sich nämlich inmitten der BWL und der Informatik. Das führt unter anderem dazu, dass wir als Wirtschaftsinformatiker*innen starke Kommunikations-Skills brauchen, weil wir sowohl die technischen als auch die ökonomischen Herausforderungen klären müssen. Hier werden sozusagen verschiedene Sprachen gesprochen und eine zentrale Aufgabe der Wirtschaftsinformatiker*innen ist es zu vermitteln und herauszufinden, was die jeweiligen Bedürfnisse sind.

Neben dem wissenschaftlichen Arbeiten geht es im Modul zudem um die 4K: Kommunikation, Kreativität, Kollaboration und kritisches Denken. Ausserdem wichtig sind Zeitmanagement, Diversity-Kompetenzen und die Resilienz bzw. Selbstregulationsmechanismen.

Warum sind gerade diese überfachlichen Kompetenzen wichtig für das Studium der Wirtschaftsinformatik?

Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass diese überfachlichen Kompetenzen für jedes Studium sinnvoll sind. Wir wissen aus unserer eigenen Berufserfahrung in der Wirtschaftsinformatik, dass es wichtig ist, die Bedürfnisse von unterschiedlichen Personen abzufragen, unter anderem auch fürs Requirement Engineering oder das Prototyping. Letztlich ist es wichtig zu verstehen, was das Unternehmen möchte und welche technische Lösung sinnvoll ist und einen Nutzen hat.

Wie werden diese Kompetenzen vermittelt?

Das Modul zeichnet sich dadurch aus, dass wir sehr viel Zeit für Klein- und Grossklassen verwenden. In der Grossklasse vermitteln wir die Theorie und in der Kleinklasse gibt es dann anwendungsbezogene Übungen dazu. Für den Bereich Zeitmanagement geben wir ihnen beispielsweise vorgängig ein Zeittagebuch, in dem sie sich notieren, wie sie ihre Zeit verbringen und einsetzen. Die gemeinsame Auswertung erfolgt dann in der Kleinklasse. Es ist erstaunlich, wie dankbar die Studierenden sind, dass sie die Zeit bekommen, das zu reflektieren. Tendenziell haben sie nämlich das Bewusstsein, dass sie vielleicht effizienter mit ihrer Zeit umgehen könnten und doch fehlen ihnen Strategien, wie sie es machen können.

Wie wichtig sind diese überfachlichen Kompetenzen für die spätere Berufswahl?

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass manche Studierenden Wirtschaftsinformatik studieren, ohne zu wissen, welchen Job sie letztlich machen können. Deswegen stellen wir ihnen im Modul sieben verschiedene Rollenbilder bzw. Berufsbilder vor.

Zum Beispiel braucht eine Person im IT-Projektmanagement neben den fachlichen Kompetenzen starke Projektmanagement-Skills, Teamfähigkeit und Kommunikations-Skills. Diese Kompetenzen stellen wir vor und lassen die Studierenden erarbeiten, wo sie sich sehen in ihrem aktuellen Skill-Set gegenüber dem, was für so eine Rolle tatsächlich notwendig ist. Und dann erarbeiten wir mit den Studierenden, in welchen Modulen, sie diese Lücke füllen können.

Die Studierenden entscheiden sich dann für ein IT-Rollenbild und erarbeiten die entsprechenden Kompetenzen für einen der drei Leistungsnachweise in Form eines Videos. In diesem Video sollen die Studierenden innerhalb einer Minute in der Zukunftsperspektive rückblickend zu ihrem eigenen Erst-Semester sprechen.

Welche Rolle spielt Digital Mindfulness in der Wirtschaftsinformatik?

Es geht zunächst generell um die Achtsamkeit und dann darum, wie trotz und gleichzeitig mithilfe der Digitalisierung Achtsamkeit gesteigert werden kann. In dieser Lektion wollen wir die Studierenden sehr früh mit Methoden zur Selbstregulation vertraut machen, die mithilfe von technischen Hilfsmitteln, wie zum Beispiel einer App, durchaus gefördert werden können. Die School of Management and Law hat dafür für jeden Studierenden und Mitarbeitenden einen kostenlosen Zugang zur App Headspace. In der Lektion thematisiere ich das Thema Mindfulness, also was die Digitalisierung mit unserem Gehirn macht und wie wir dem achtsam begegnen können.

Welche Rolle spielt Gender Diversity in diesem Modul und allgemein im Studiengang Wirtschaftsinformatik?

Das Thema Gender Diversity ist sehr präsent, da nur wenige Frauen präsent sind. Manche Studierende haben mir in früheren Jahren gegen Ende ihres Studiums mitgeteilt, dass ich die erste Frau bin, die sie in ihrem WI-Studium kennengelernt haben. Das hat mich erschreckt und darum habe ich mich dem Thema gewidmet. Auch dem Institut für Wirtschaftsinformatik war es wichtig, dass wir hier ein Augenmerk darauf legen. Und Gender Diversity ist eine Kompetenz, die es insbesondere in der Wirtschaftsinformatik braucht, weil der Frauenanteil in diesem Studiengang und letztlich auch in den MINT-Berufsfeldern so massiv unterrepräsentiert ist.

Auch im Modul wird das Thema Gender Diversity in einer speziellen Lektion thematisiert. Um diese Kompetenz aufzubauen, braucht es verschiedene Gesichtspunkte. Hier geht es nicht nur um gendersensible Sprache, sondern darum, das Wissen über Gender aufzubauen. Das kann im Unterricht zum Beispiel in der Gruppenarbeit genutzt werden, indem diverse Gruppen gebildet werden. Aus der Forschung wissen wir, je diverser und gender-diverser Gruppen sind, umso erfolgreicher sind sie auch. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für das Studium. Und so können die Studierenden diese soziale Kompetenz und die Reflektionskompetenz erlernen.

Wie geht es für die Studierenden im Wirtschaftsinformatik-Studium nach diesem Modul weiter?

Das Modul soll ihnen als Startrampe dienen, um sich an die Identität eines Studierenden zu gewöhnen, sie zu erlernen und schliesslich zu erleben. Und die fachlichen und überfachlichen Inhalte, die sie in diesem Modul kennenlernen, sollen in den einzelnen, weiterführenden Semestern in den anderen Modulen weiterhin eingeübt und geschult werden. Durch dieses dynamische Mindset und die Selbstreflektion soll letztendlich das lebenslange Lernen gefördert werden.

Mehr zum Thema Gender Diversity in der Wirtschaftsinformatik gibt es im Blogpost des Digital Futures Labs. Weitere Informationen zum Bachelorstudiengang Wirtschaftsinformatik gibt es in der Broschüre. Verpassen Sie nicht die nächsten Informationsveranstaltungen zu den Studiengängen der ZHAW School of Management and Law!

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