Wissenschaftlichkeit in praxisorientierter Hochschullehre

Beitrag von Alessandro Maranta

Bild: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Am 6. September fand an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) die Tagung zum Thema «Vermittlung von Wissenschaftlichkeit» in der Reihe «Best Teaching – Best Practices» statt. An der Tagung wurden neun Lehrkonzepte vorgestellt, die von Dozierenden an der ZHAW zum Lehrpreis 2017 eingereicht worden waren. Die vorgestellten Lehrkonzepte offenbarten ein breites Spektrum aus den verschiedenen Fachbereichen der ZHAW zur Frage, wie Wissenschaftlichkeit vermittelt wird. Sie zeigten, dass die Vermittlung von Fach- und Methodenwissen notwendig, aber nicht hinreichend ist für wissenschaftlich fundiertes und praxisorientiertes Arbeiten. In den Lehrkonzepten wurden verschiedene Lehr- und Lernsettings vorgestellt, in denen die Studierenden die erforderlichen Kompetenzen erwerben können. Typische Merkmale solcher Settings sind: Lösungssuche im Rahmen von gestuften Prozessen, Austausch unter den Studierenden als Peers sowie eine bewusste Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen, Inhalten und Methoden des eigenen und angrenzender Fachbereiche und Wissensformen. Aus hochschuldidaktischer Sicht zeigt sich, dass solche Lehr- und Lernszenarien Settings voraussetzen, die Austausch und Gruppenarbeiten ermöglichen.

Für die Rückschau auf die Tagung «Best Teaching – Best Practices: Vermittlung von Wissenschaftlichkeit» möchte ich eine Reihe von Einsichten herausheben, die meines Erachtens wesentlich sind für die Gestaltung der Lehre an der ZHAW und die Umsetzung von wissensbasierter und kompetenzorientierter Lehre, die sich die ZHAW gemäss Leitbild und Hochschulstrategie 2015-2025 zum Ziel gesetzt hat.

Zunächst die Ausgangslage:

  • Berufsbefähigende und praxisorientierte Hochschulausbildung orientiert sich an der Berufspraxis. Sie soll die Absolventinnen und Absolventen befähigen, als Fachpersonen wissenschaftlich fundiert und kompetent zu arbeiten
  • Die ZHAW hat sich zum Ziel gesetzt, die Studierenden wissensbasiert und kompetenzorientiert auszubilden

sowie eine kurze Erläuterung zum Kompetenzbegriff aus der Hochschulstrategie 2015-2025 (S. 15):

  • «Kompetenz bezeichnet die Art und Weise, wie eine Person ihr Wissen, ihre Erfahrung, ihre Fähigkeiten, Fertigkeiten und Interessen unter den Anforderungen und Bedingungen eines konkreten Handlungskontextes umzusetzen vermag.»

und dazu, welches Wissen gefordert sei (ebenda):

  • «Die Absolventinnen und Absolventen sowie die Mitarbeitenden der ZHAW arbeiten in anspruchsvollen Tätigkeitsbereichen, in denen immer weniger Modelllösungen und Standardprozesse angewendet werden können. Sie müssen in Situationen der Ungewissheit, mit Normkonflikten, unter risikoreichen Bedingungen und Zeitdruck fähig sein, ihr Wissen und ihr Können verantwortungsbewusst in Entscheide und Handlungen umzusetzen. Dies verlangt viel mehr als nur Fachwissen.»

Die vorgestellten Lehrkonzepte zur Vermittlung von Wissenschaftlichkeit gingen alle über die Vermittlung von Fachwissen hinaus (s. Tagungs-Webseite). Sie zeigen exemplarisch, dass die Lehre an der ZHAW die Stossrichtungen der Strategie bereits in vielfältiger Weise umsetzt.

Die Beiträge zeigen typische Settings für Lehr- und Lernszenarien, in denen sich die Studierenden Wissen und Können aneignen, das über Fachwissen hinausgeht. Dazu gehören Settings, in denen die Studierenden schrittweise und bewusst die Komplexität der Aufgabe zunächst transdisziplinär erweitern und dann wieder disziplinär reduzieren. Zum anderen bieten Settings, die einen reflektierenden Austausch fördern oder in denen die Studierenden die Rolle als Fachperson und Peer wahrnehmen, die Möglichkeit, professionelle Kompetenzen zu entwickeln. Solche Settings bringen die Studierenden dazu, nicht nur Fachwissen wiederzugeben, sondern sich zu positionieren und andere von ihrer Position zu überzeugen. Dabei lernen sie, ihr Fach- und Methodenwissen mit anderen Überzeugungen, Erfahrungen und Denkweisen ins Verhältnis zu setzen.

Solche Settings versetzen die Studierenden in eine aktive Rolle in den Lehr- und Lernszenarien. Denn die Studierenden werden zu eigenen Überlegungen sowie Beiträgen aktiviert und bei der Ausarbeitung von eigenen Positionen und Lösungen begleitet. Lehren und Lernen geht also weit über die instruktive Vermittlung von Fach- und Methodenwissen hinaus. Aus der Beobachtung, wie sich das Lehren und Lernen in den vorgestellten Projekten verändert, ergeben sich Konsequenzen für das didaktische Handeln – und zwar auf unterschiedlichen Ebenen: Zum einen sind die Dozierenden herausgefordert, den Austausch mit den Studierenden in solch offeneren Settings zu gestalten. Zum anderen ist die Hochschule als Organisation herausgefordert, für solche Settings Rahmenbedingungen bereitzustellen, die sich nicht an einem instruktiven Format mit Semesterwochenstunden und Vergütungsfaktoren für die Anzahl Lektionen seitens der Dozierenden sowie seitens der Studierenden an instruktivem Kontaktstudium oder abgeprüften Lernstoffen orientieren.

Der Austausch über die Lehrkonzepte, die jährlich zum Lehrpreis eingegeben und an den Tagungen zu «Best Teaching – Best Practices» vorgestellt werden, dient dem Austausch über Lehr- und Lernformen. Ausserdem fordert und fördert der Austausch einen differenzierten Blick auf die Lehre an der ZHAW, damit die Lehrverantwortlichen unterschiedliche Formen von Best Practices in der Lehre ermöglichen.

Die Fortsetzung dieses Rückblicks finden Sie hier.

Beitrag von Alessandro Maranta


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