Micro-Credentials: Weiterbildung im Taschenformat

Micro-Credentials werden auf Ebene der Hochschulen und in der Hochschulpolitik breit diskutiert. 2022 legte der EU-Rat eine «Empfehlung über einen europäischen Ansatz für Micro-Credentials» vor. Damit gewann das Thema noch einmal zusätzlich an Relevanz. Die ZHAW beschäftigte sich 2021 ausgehend vom «Eckwertepapier Weiterbildung» von swissuniversities bereits mit Micro-Credentials. Ende 2022 entschied das Innovation Lab im Ressort Bildung «Micro-Credentials» 2023 als Fokusthema zu bearbeiten.

Ein Beitrag von Svenia Schneider-Wulf

Kleine Einheiten, große Chancen? Micro-Credentials in der Hochschulbildung

«Kenntnisse und Fertigkeiten auf den neuesten Stand bringen.» «Sich passgenau und flexibel weiterbilden und lebenslanges Lernen fördern.» «Hochschulbildung langfristig kompetenzorientierter gestalten und kollaborative Beziehungen zwischen Hochschulen, Unternehmen und Lernenden stärken.» Dies sind nur einige Ideen, die mit Micro-Credentials verbunden werden.  

Der Begriff Micro-Credentials findet Verwendung für kleine fokussierte Lerneinheiten, die dem Erwerb spezifischer Kenntnisse oder Kompetenzen dienen sowie gleichermassen für das Zertifikat, das den Nachweis dieses Erwerbs mittels einer transparenten Prüfungsleistung bestätigt. Aktuell werden Micro-Credentials v.a. mit einem Fokus auf die wissenschaftliche Weiterbildung diskutiert. Für die Hochschulen bieten sich jedoch ebenso vielfältige Einsatzmöglichkeiten im Bereich der grundständigen Lehre.  

Neben den vielfältigen positiven Konnotationen weissen kritische Stimmen im Zusammenhang mit Micro-Credentials u.a. auf die Problematik der Fragmentierung des Wissens sowie fehlende Kohärenz durch eine zur grossen Modularisierung hin, damit verbunden einen Verlust an Qualität. Kritikpunkte, die ernst zu nehmen, jedoch immer im Kontext einer konkreten Umsetzung zu betrachten sind.

Micro-Credentials im Aufwind…

Nach Schätzungen der Europäischen Kommission (2021) wird die Nachfrage nach kleineren und kürzeren Lernangeboten insgesamt weiter steigen und sich die Umsatzzahlen von Micro-Credentials und Micro-Degrees bis 2025 fast verdoppeln (SVEB-Grundlagenbericht Mirco-Credentials, Zürich 2023, S. 3).

In Folge legte der EU-Rat 2022 im Rahmen einer Empfehlung über einen europäischen Ansatz für Microcredentials für lebenslanges Lernen und Beschäftigung (S. 13) eine erste umfassende Einordnung von Micro-Credentials im europäischen Bildungsraum vor mit dem Ziel, eine Strukturierung des Feldes voranzubringen.

In der Schweiz – so auch an der ZHAW – existiert generell bereits seit längerem eine systematische Strukturierung der Weiterbildungsabschlüsse in CAS/DAS/MAS sowie ein gut entwickeltes Feld kurzformatiger Weiterbildungsangebote. Teilweise entsprechend diese auch bereits der europäischen Definition von Micro-Credentials. Auch explorativ wurden in Weiterbildungen und auch in der grundständigen Lehre der ZHAW bereits verschiedene Aspekte von Micro-Credentials realisiert (jedoch nicht unter diesem Namen subsummiert). Für die ZHAW gewichtige Gründe, eine eigene Positionsbestimmung vorzunehmen.

Klarheit und Perspektiven für Micro-Credentials an der ZHAW

Mit dem Themenfokus «Micro-Credentials» beabsichtigte das Innovation Lab 2023 ein grundlegendes Verständnis darüber zu schaffen, wie Micro-Credentials – innerhalb und ausserhalb der ZHAW – angegangen werden. Ziel war es, der ZHAW sehr zeitnah einen klaren gouvernementalen Orientierungsrahmen bieten zu können. Vielfältige Fragen beschäftigten das Innovation Lab im Laufe des Jahres:   

Was charakterisiert Micro-Credentials? Welche Potenziale und Mehrwert, aber auch welche Herausforderungen bringt der Ansatz für die Hochschule mit sich? Wo steht die ZHAW und ihre Departemente bezüglich der Verankerung ? Welche Anwendungsfelder sind denkbar und wo könnten Micro-Credentials zukünftig nutzbringend eine Rolle spielen?  

Wichtig war dabei auch der Blick nach aussen: Wo stehen andere Hochschulen in der Schweiz und in Europa? Ab Herbst 2023 ermöglichte die Gründung einer ad-hoc AG Microcredentials innerhalb von swissuniversities dem Ressort Bildung, den Diskurs auf nationaler Ebene mitzugestalten und eine kontinuierliche Abstimmung mit den Perspektiven anderer Schweizer Hochschulen vorzunehmen. 

Foto: Fortytwo/Unsplash

Themenfokus 2023: Exploration im Innovation Lab

Innerhalb kurzer Zeit wurde im Innovation Lab eine solide Wissensbasis zum Thema Micro-Credentials aufgebaut. Auf dieser Basis folgte noch im Frühjahrssemester 2023 eine hochschulinterne Erhebung zum Einsatz von «Micro-Credentials» an der ZHAW. Die Ergebnisse boten wertvolle Anhaltspunkte für die weitere Bearbeitung des Themenfokus. Es wurde u.a. deutlich, dass die Rolle von Micro-Credentials für die Zukunft der Hochschulbildung auch innerhalb der ZHAW als hoch eingeschätzt wird.  

Fruchtbare Synergien ergaben sich zum parallel umgesetzten Pilotprojekt «Open Digital Badges», das sich mit dem Einsatz von Open Digital Badges an der ZHAW als Möglichkeit eines digitalen und verifizierten Zertifikates für erworbene Kompetenzen befasste.  

Im Herbstsemester 2023 bot schliesslich die Abendveranstaltung Open, Micro, Digital Platforms – Hype or the Future of Higher Education die Möglichkeit sich über die Verknüpfungen von Micro-Credentials und E-Learning-Plattformen sowie deren Impulse auf das Lehren und Lernen im Kontext von Open Education auszutauschen.  

Ausblick 2024: Position beziehen  

Zum Ende des Themenfokus 2023 «Micro-Credentials» steht so viel fest: Das Thema ist gekommen, um zu bleiben und wird 2024 daher als einer von drei thematischen Schwerpunkten im Innovation Lab des Ressort Bildung prioritär weiterbearbeitet werden. Wichtige Schritte auf dem Weg zu einer ZHAW-Governance wurden zum Jahresende bereits auf den Weg gebracht. Diese wird in den nächsten Monaten mit verschiedenen Stakeholdern der ZHAW intensiv diskutiert und pilotiert. Auch der weitere Abgleich mit unterschiedlichen bestehenden Ansätzen und Initiativen, bspw. im Rahmen der Hochschulallianz EELISA oder im Kontext von swissuniversities, wird 2024 weiter eine zentrale Rolle spielen.  

Der zunächst auf die Weiterbildung gerichtete Fokus wird dabei nicht den Blick auf die Einsatzmöglichkeiten von Micro-Credentials in der Lehre verschliessen: Langfristig können Micro-Credentials die Chance bieten, Übergänge zwischen grundständigen und weiterbildenden Studiengängen sowie zwischen Studiengängen und Zusatzqualifikationen (intern wie extern) zu gestalten.  

Der Frage nachzugehen, wie Micro-Credentials an der ZHAW dazu beitragen können, Hochschulbildung flexibler zu gestalten, Kooperationen und gegenseitige Anerkennung zu unterstützen und damit das lebenslange Lernen – ganz auch im Sinne der ZHAW Lifelong Learning-Strategie – zu fördern, wird auch 2024 im Innovation Lab auf der Tagesordnung stehen.  


Titelfoto: Karolina Grabowska/Pexels 


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