Rosige Zukunft in der Bergregion – Fehlanzeige?!

Ein Beitrag von Fabienne Buchmann

Über-Blick in die Zukunft? Illustration: Fabienne Buchmann

Während zwei Youth Engagement Workshops haben Mitarbeitende der Forschungsgruppe Geography of Food im Rahmen des Projekts MOVING zwei Klassen der landwirtschaftlichen Schule in Landquart einen halben Tag lang begleitet und mit den Auszubildenden über ihre Zukunft sowie über die der Bergregion und -landwirtschaft gesprochen. Die jungen Erwachsenen sorgen sich darum, dass es dort bald keinen Platz mehr für sie gibt.

Stell dir vor, du wächst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in einem Bündner Bergdorf auf. Du gehst dort zur Schule, hast viele Freunde um dich und fühlst dich wohl und verwurzelt. Die Menschen im Dorf kennen dich und alle sind froh darüber, als du dich für eine landwirtschaftliche Ausbildung entscheidest, um den Betrieb deiner Eltern zu übernehmen. Du magst die Bergregion und kannst dir ein Leben in der Stadt für dich gar nicht vorstellen. Doch nach der Schule verändert sich vieles. Die meisten deiner Freund:innen und Bekannten gehen weg – ins Tal, in die Stadt, ins Ausland – um dort eine Ausbildung zu machen, zu studieren oder zu arbeiten. Ausserdem ziehen immer mehr Menschen ins Dorf, die du nicht kennst. Viele Freund:innen können nicht verstehen, dass du dort bleibst. Triffst du Menschen im Ausgang, machen sie sich oft über deine Berufswahl lustig. Was löst das in dir aus?

This is a lot

So und ähnlich beschrieben die landwirtschaftlichen Auszubildenden ihre Erfahrungen. Sich im eigenen Dorf nicht mehr zu Hause und vertraut zu fühlen ist für viele von ihnen ein grosses Thema. Mehr als die Hälfte der während des Workshops von ihnen notierten Zukunftsängste hat sich darauf bezogen (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Ausschnitt der im Youth Engagement Workshop von den Auszubildenden notierten Zukunftsängste bei einem Leben in der Bergregion mit Bezug auf Entfremdung und Wohnen. Illustration: Fabienne Buchmann

Bergdörfer im Wandel

Viele der jungen Menschen verlassen aufgrund fehlender Ausbildungs- und Arbeitsplätze ihre Heimatdörfer oder die Bergregion, in der sie aufgewachsen sind und suchen in den Städten nach Stellen. Die Quote der Ab- und Zuwanderungen bleibt jedoch ausgeglichen [1]. Das heisst, genauso wie Menschen die Region verlassen, kommen in gleichem Masse neue dazu. Zunehmend sind das neben zurückkehrenden Einheimischen auch Unterländer:innen, die nicht in der Bergregion aufgewachsen sind. Durch die Pandemie und den verstärkten Trend zum Homeoffice ist die Nutzbarkeit von Ferienwohnungen angestiegen, so auch in der Bergregion Graubünden. Daran gekoppelt ist auch das Interesse an Miete oder Kauf von Ferien-, Erst- und Zeitwohnungen. Die Anzahl der Wohnungsverkäufe ist mit der Pandemie stark angestiegen und liegt weiterhin auf einem höheren Niveau als vorher. Die erhöhte Nachfrage führt auch zu einer Preissteigerung im Immobiliensektor [2].

Situation für junge Menschen bleibt unverändert

Vermehrt ziehen also Menschen zu, die einen Remote-Job haben und in einer ganz anderen Lebensphase als die Auszubildenden sind. Die Situation für die jungen Menschen verändert sich dadurch also erstmal kaum – es gibt weder einen Aufschwung im Arbeitsmarkt der Region, noch bieten sich mehr Möglichkeiten zum Austausch für Jugendliche und junge Erwachsene. Viele haben das Gefühl, dass das Dorfleben trotz mehr Bewohner:innen immer unpersönlicher wird und sich entfremded. Zudem ist problematisch, dass sich junge Menschen oder Einheimische durch den grossen Andrang auf Wohnungsmarkt und Bauland und die damit verbundenen Preissteigerungen schlichtweg nicht leisten können zu bleiben oder zurückzukehren, weil Unterländer:innen oft höhere Mieten und teureres Bauland zahlen können. Das führt zu Unmut und Sorgen vor der Zukunft.

Junge Leute braucht das Land

Die Zukunft der Bergregion und der Landwirtschaft hängt von den jungen Menschen ab, die für diesen Job und die Region brennen, dort ein gutes Leben führen wollen und sie weiter gestalten werden. Um die Situation zu verbessern, sehen die Auszubildenden die Politik und die Gesellschaft in der Verantwortung. Ein grosser Hebel ist sicherlich die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppen, um auf die bestehenden Herausforderungen aufmerksam zu machen, Lösungen zu finden und dafür zu sorgen, dass sich die Auszubildenden mit ihren Ängsten und Sorgen wahrgenommen und gehört fühlen.


Dieser Beitrag entstand im Rahmen der PWRU Arbeit von Fabienne Buchmann im Masterstudium “Umwelt und natürliche Ressourcen” an der ZHAW.

Quellen

[1] Bundesamt für Statistik (2020): BFS-Szenarien. Online verfügbar unter https://www.viz.bfs.admin.ch/as-sets/01/ga-01.03.01/de/index.html [letzter Zugriff am 14.01.2023]

[2] Zürcher Kantonalbank (2023): Wachstum der Zürcher Eigenheimpreise fast halbiert. Artikel vom 16.01.2023. Online verfügbar unter https://www.zkb.ch/de/blog/immobilien/wachstum-zuercher-eigenheimpreise-fast-halbiert.html [letzter Zugriff am 28.01.2023]


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