«Beim Humusaufbau ergibt eins plus eins nicht immer zwei»

Ein Beitrag von Julian Kronbach

Abbildung 1: Wortwolke aus den 30 Begriffen, die die Landwirtinnen und Landwirte während den Interviews am häufigsten nannten. Die Grösse eines Wortes widerspiegelt dessen Anzahl Nennungen in den Interviewtranskripten (eigene Grafik, erzeugt mit MAXQDA)

Weshalb ist es wichtig, dass der Gehalt von organischer Bodensubstanz – des sogenannten Humus – in Landwirtschaftsböden stabilisiert und erhöht wird? Und weshalb ist dies nicht immer so einfach? In Interviews wurden Stimmen von zehn tätigen Landwirtinnen und Landwirten zu ihrer Motivation und den durch sie wahrgenommenen Schwierigkeiten in Bezug auf Humusaufbau aufgenommen. Basierend auf den Auswertungen der Interviews wurden Stossrichtungen identifiziert, wie humusaufbauende Massnahmen in der Schweizer Landwirtschaft vermehrt zur Anwendung gebracht werden können.

Wozu mehr Humus?

Ein gesunder, unverdichteter und gut strukturierter Boden trägt durch die erhöhte Wasseraufnahmekapazität, Wasserspeicherung, Erosionsbeständigkeit und Bodenbelastbarkeit zu guten Anbaubedingungen im Ackerbau bei.1 Dafür sind der Humus und die Bodenorganismen, wie Bakterien, Pilze, Käfer und Würmer, von grosser Wichtigkeit. Sie erfüllen zentrale Leistungen im Boden, welche eine langfristig erfolgreiche Produktion von Lebensmitteln ermöglichen.2 Die Speicherung des im Humus enthaltenen Kohlenstoffs im Boden ist eine CO2-Senke und wirkt sich mindernd auf den Klimawandel aus.3 Ebenso wichtig ist jedoch, dass humose Ackerböden besser vor den Auswirkungen des Klimawandels, wie Hitze, Dürre oder Starkniederschlägen, geschützt sind.

Abnahme der organischen Bodensubstanz – Humusgehalte im Sinkflug

Es ist nicht einfach, Aussagen über den aktuellen Zustand des Humusgehaltes von offenen Ackerflächen in der Schweiz zu machen. Dazu fehlen flächendeckende Bodeninformationen.4 Durch Erkenntnisse wie aus dem DOK-Langzeitexperiment des Forschungsinstituts für biologischen Landbau und aus der nationalen Bodenbeobachtung wird versucht, die Entwicklung nachzuvollziehen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Humusgehalt in Schweizer Landwirtschaftsböden bis in die 1990er Jahre abgenommen hat und seit dann auf tiefem Niveau stagniert. 5,6,7 Daher gilt es, den Humusgehalt grundsätzlich wieder zu erhöhen.

Faktor Mensch: die Schlüsselrolle der Landwirtinnen und Landwirte

Die Bewirtschaftungsweise der Ackerflächen ist entscheidend für den Aufbau und Erhalt des Humus. Landwirtinnen und Landwirte nehmen dabei eine Schlüsselrolle ein. Sie bestimmen grösstenteils, wie die Bodenbearbeitung, die Düngung, die Fruchtfolge und somit auch die Dynamik des Humusgehaltes gestaltet wird – abbauend, stabil oder aufbauend.8 Um herauszufinden wie Humusaufbau in der Landwirtschaft gefördert weden kann, wurde eine inhaltlich strukturierende Auswertung der Interviews durchgeführt. Folgende zentrale Motivationsfaktoren wurden identifiziert: der Erhalt und der Aufbau des Humus im Sinne einer guten Agrarpraxis, die Weitergabe eines als fruchtbar wahrgenommenen Bodens an die nächste Generation, Anregungen über den Austausch mit Berufskolleginnen und Berufskollegen, welche bereits Massnahmen umsetzen, finanzieller Spielraum für das Ausprobieren von Massnahmen erhalten sowie die Wertschätzung der Landwirtschaft als Klimaschützerin durch die Gesellschaft erreichen.

Schwierigkeiten bei der humusaufbauenden Bewirtschaftung

Zentrale Hindernisse für eine Veränderung der Bewirtschaftung wurden festgestellt. Diese sind: unzureichende wissenschaftliche Anleitung und konkrete Informationen bei der
Umsetzung von humusaufbauenden Massnahmen, finanzielle Risiken bei der Veränderung
der bestehenden Produktionssysteme sowie Zielkonflikte mit anderen Produktionsmassnahmen, insbesondere im Bereich Pflanzenschutz (z.B. Herbizidanwendungen beim Verzicht auf den Pflug). Zudem ist die Wirkung der humusaufbauenden Massnahmen oft komplex, lässt sich kaum abschätzen und beeinflusst stets die gesamte Bewirtschaftung.

Handlungs- und Förderungsmöglichkeiten

Es stellt sich abschliessend die Frage, was getan werden kann, damit in der Schweizer
Landwirtschaft mehr humusaufbauende Massnahmen umgesetzt werden. Nach der Auswertung der Gespräche wurde klar, dass eine rein finanzielle Förderung über Direktzahlungsinstrumente und agrarpolitische Rahmenbedingungen nicht ausreichen. Standortbezogene und gesamtbetriebliche Beratungsmethoden zur Begleitung von Landwirtinnen und Landwirte sind notwendig. Aspekte, wie den innerlandwirtschaflichen Austausch zu Humusaufbau mit einzubeziehen, sind ebenso entscheidend wie klare agrarpolitische Entwicklungswege einzuschlagen. Das Verständnis für natürliche Bodenprozesse, Stoffkreisläufe und deren Synergien für eine nachhaltige Landwirtschaft sollten durch Sensibilisierung gezielt bei Landwirtinnen und Landwirten, politischen Entscheidungsträger*innen und der Bevölkerung verankert werden. Wie in Abbildung 1 zu sehen, sticht das Wort «natürlich» heraus. Es steht sinnbildlich dafür, dass eine umfänglich nachhaltige Landwirtschaft dann möglich ist, wenn die natürlichen Leitplanken, auch die des Bodens, wieder berücksichtigt werden und alle Akteur*innen des Ernährungssystems an einem Tisch sitzen.


Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Bachelorarbeit von Julian Kronbach im Studium «Umweltingenieurwesen» an der ZHAW.

Literatur

1 Amelung, W., Blume, H.-P., Fleige, H., Horn, R., Kandeler, E., Kögel-Knabner, I., Kretzschmar, R., Stahr, K., & Wilke, B.-M. (2018). Scheffer/Schachtschabel Lehrbuch der Bodenkunde. Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-55871-3

2 Hagedorn, F., Krause, H.-M., Studer, M., Schellenberger, A., & Gattinger, A. (2018). Boden und Umwelt organische Bodensubstanz, Treibhausgasemissionen und physikalische Belastung von Schweizer Böden. | Thematische Synthese TS2 des Nationalen Forschungsprogramms «Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden» (nfp 68).

3 IPCC. (2019). Klimawandel und Landsysteme—Zusammenfassung für politische Entschei-dungsträger.

4 BAFU. (2017). Boden in der Schweiz. Zustand und Entwicklung. Stand 2017 (Bundesamt für Umwelt, Hrsg.).

5 Fließbach, A., Oberholzer, H.-R., Gunst, L., & Mäder, P. (2007). Soil organic matter and biological soil quality indicators after 21 years of organic and conventional farming. Agriculture, Ecosystems & Environment, 118(1–4), 273–284. https://doi.org/10.1016/j.agee.2006.05.022

6 Gubler, A., Schwab, P., Wächter, D., Meuli, R. G., & Keller, A. (2015). Ergebnisse der Nationalen Bodenbeobachtung (NABO) 1985-2009. Zustand und Veränderungen der anorganischen Schadstoffe und Bodenbegleitparameter. BAFU.

7 Leifeld, J., Reiser, R., & Oberholzer, H. (2009). Consequences of Conventional versus Organic farming on Soil Carbon: Results from a 27‐Year Field Experiment. Agronomy Journal, 101(5), 1204–1218. https://doi.org/10.2134/agronj2009.0002

8 Kolbe, H., & Zimmer, J. (2016). Leitfaden zur Humusversorgung—Informationen für Praxis, Beratung und Schulung. Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft.


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