Slow Food – eine Lösung mit Herausforderungen

Ein Beitrag von Adriana Garibay

Abbildung 1: Blick auf Poschiavo, eigenes Foto.

In einer Welt, in der intensive Landwirtschaft immer noch der Standard ist, versucht Slow Food eine Gegenbewegung zu sein. Mit dem Dorf Valposchiavo in Graubünden werden die Werte und Herausforderung von Slow Food an einem praktischen Beispiel aufgezeigt. Das Dorf wurde im Rahmen einer Exkursion besucht.

Warum es Veränderung braucht

Durch die heutige Konsumgesellschaft und die intensive Landwirtschaft werden viele Probleme verschärft, wie beispielsweise die Ausbeutung von billigen Arbeitskräften, oder die Zerstörung der Umwelt (Pietrykowski, 2004).

Soziale, wirtschaftliche und Umweltfaktoren werden von der Art und Weise, wie Menschen Nahrung konsumieren und produzieren, beeinflusst (Zanasi, 2013). Es müssen somit fundamentale Veränderungen stattfinden, doch wie kann das Gelingen? Eine Möglichkeit könnte Slow Food sein.

Slow Food – Anfänge und Werte

Slow Food findet seinen Ursprung 1986 in Rom. Gegründet von Carlo Petrini (Simonetti, 2012), als Protest gegen ein McDonald’s Restaurant. Es soll das Gegenteil zu Fast Food, sein, verankert in Tradition, Regionalität und Kultur (Zanasi, 2013).

Diese drei Grundsätze machen auch heute das Konzept der Lebensqualität der mittlerweile global gewordenen Bewegung aus (Slow Food, 2015):

  • Gut: frische, saisonale, leckere Lebensmittel, welche lokal verankert sind.
  • Sauber: Herstellung und Konsum, ohne Umweltbelastung oder Schaden an Mensch, Natur oder Tier.
  • Fair: Faire Arbeitsbedingungen und Entlöhnung für Produzierende und bezahlbare Preise für Verbrauchende.

Daher sind biologische Vielfalt und eine nachhaltige Lebensmittelproduktion in der Philosophie von Slow Food zentral. Zugleich ist die Verbindung von Produzierenden und Konsumierenden essentiell (Zanasi, 2013). Somit ist Slow Food ein holistisches Konzept, welches an den verschiedensten Punkten und Beteiligten ansetzt, wie in Abbildung 2 erkannt werden kann.

Abbildung 2: Nicht abschliessende, eigene Grafik, um die Komplexität und Vernetzung des Systems Slow Food aufzuzeigen (zusammengestellt aus allen untenstehenden Quellen).

Was hat Slow Food nun mit dem Valposchiavo zu tun? Valposchiavo ist nicht Slow Food zertifiziert, doch wie wir gleich sehen werden, decken sich die beiden Philosophien sehr stark. Die Ziele Valposchiavos wurden von Herrn Luminati während einem Rundgang durch das Dorf erläutert (Luminati, 2021):

  • Wieder lokal werden, bio und biodivers.
  • Kulturerbe erhalten, Altes wiederaufleben lassen.
  • „Field to table value chain“ sichtbar machen.
  • Verbindung zu Kunden, Produzenten und Transformatoren.

Valposchiavo hat daraus zwei eigene Labels (100% Valposchiavo und Fait sü in Valposchiavo) entwickelt und vermarktet diese.

Die Herausforderungen von Slow Food & Valposchiavo

Doch solchen ganzeinheitlichen Ansätzen stehen auch häufig diverse Herausforderungen gegenüber. Einige davon werden wir genauer betrachten und zugleich Valposchiavo als ein praktisches Beispiel gegenüberstellen.

So können beispielsweise bürokratische Hindernisse eine Hürde sein, um Teil der Bewegung zu werden. Kontrollen sind auf grosse Firmen ausgelegt, die Erfüllung der Gesundheits- und Hygienestandards ist für Kleinproduzierende oft mit hohen Kosten verbunden (Zanasi, 2013). Hier hat Valposchiavo den Vorteil einer kleinen Dorfgemeinschaft, doch wenn die Unterstützungsgelder fehlen, wird es auch da schwierig (Luminati, 2021).

Die Organisation Slow Food hat zudem ein Klassenproblem, was sich bereits in der Gründung durch die obere Mittelschicht widerspiegelt; Die Ärmsten, welche oft günstiges Fast Food konsumieren, werden somit nicht direkt eingeschlossen (Exner, o. J.). Des Weiteren braucht es auch Zeit und Ressourcen, persönliche Beziehungen und Vertrauen aufzubauen, sei es zu Produzierenden, Liefernden oder Konsumierenden (Simonetti, 2012). Diese beiden Probleme zeigen sich auch in Valposchiavo. So sind die Produkte für die Bewohnerschaft häufig zu teuer und auch Hotels haben schon günstigere Angebote bevorzugt (Luminati, 2021). Die Verbindung und das Vertrauen zwischen Produzierenden und Konsumierenden scheint noch zu fehlen.

Ein Lösungsansatz in Val Poschiavo

Am zweiten Tag der Exkursion durften wir einen Lösungsansatz aus Valposchiavo für zwei der oben genannten Herausforderungen kennenlernen: Die Hypermap. Zwar liegt der Hauptfokus auf dem partizipativen Sammeln von Wissen und Werten der Landschaft, um Entscheidungsprozesse zu unterstützen, doch erläuterte mir Roberto Cabassi Bombardieri, dass durch die Karte ebenfalls Storytelling vermittelt werden soll. Damit könne man den wirtschaftlichen Wert erhöhen, da man aufzeigen kann, warum die Produkte teurer sind. Zudem könne man eine emotionale Bindung zur Kundschaft aufbauen (R. Cabassi Bombardieri, persönliche Kommunikation, 14. Oktober 2021).

Fazit

Slow Food ist ein gutes und wichtiges Konzept, um notwendige Veränderungen in unserem Ernährungssystem anzustossen, wie beispielsweise auch das Paper von Zanasi zeigt, denn so erklärten die Bauern, dass Slow Food ihnen hilft, die Transition zu lokaler, biodiverser Landwirtschaft zu machen (Zanasi, 2013).

Doch der Bewegung stehen, wie wir gesehen haben, noch einige Hürden gegenüber. Diese zu überwinden ist vielleicht ein wichtiger Schritt für eine grössere, langfristige Transformation. Insbesondere im Fall Val Poschiavo zeigt sich, dass nachhaltige Wirtschaftlichkeit ebenfalls eine weitere Voraussetzung ist, die nicht unterschätzt werden darf. Meiner Meinung nach sind die momentanen Lösungsansätze noch nicht holistisch genug, da die Hypermap zwar eine Verbindung zur Kundschaft herstellt, das Problem des hohen Preises bleibt jedoch bestehen.

Wichtig ist aber auch zu verstehen, dass es nicht nur an den Produzierenden liegen darf, das Ernährungssystem zu transformieren. In einem solch komplexen System müssen alle anderen Beteiligten ebenfalls in die gleiche Richtung ziehen, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.


Dieser Blog-Beitrag entstand im Rahmen des Mastermoduls «Agroecology and Food Systems» des Studiengang Umwelt und Natürliche Ressourcen am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW im Herbstsemester 2021.

Quellen

Cabassi Bombardieri, R. (2021, Oktober 14). Roberto Cabassi Bombardieri on the question, if the hypermap is inteded to be used to enhance economic value as well [Persönliche Kommunikation].

Exner, K. (o. J.). “Slow food”—A fashion or an alternative solution to global hunger? Abgerufen 26. Oktober 2021, von https://www.academia.edu/36637771/Kamil_Exner_Slow_food_a_fashion_or_an_alternative_solution_to_global_hunger

Luminati, C. (2021, Oktober 13). Workshop 3: Valposchiavo: From marginal territory to Smart Valley Bio, visit and discussion.

Pietrykowski, B. (2004). You Are What You Eat: The Social Economy of the Slow Food Movement. Review of Social Economy, 62(3), 307–321. https://doi.org/10.1080/0034676042000253927

Simonetti, L. (2012). The ideology of Slow Food. Journal of European Studies, 42(2), 168–189. https://doi.org/10.1177/0047244112436908

Slow Food. (2015). Unsere Philosophie—Wir über uns. Slow Food International. https://www.slowfood.com/de/wir-ueber-uns/unsere-philosophie/

Zanasi, C. (2013). Analysis of the Slow Food movement impact on the farmers and rural areas’ sustainable development. 92.


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